Sarah Kocks, Diana Rjabynina
Rz. 136
Der Antrag an das Gericht, das Unternehmen für insolvent zu erklären, kann von verschiedenen Personen gestellt werden (Art. XX.100 WGB).
Zunächst sind der oder die Geschäftsführer einer Gesellschaft verpflichtet, im Falle der Zahlungseinstellung die Insolvenz anzuzeigen. Diese Anzeige muss seit dem 1.5.2018 zwingend auf elektronischem Weg via www.regsol.be vorgenommen werden. Die Zustimmung der Gesellschafterversammlung ist hierfür nicht erforderlich. Allerdings können sich der oder die Geschäftsführer jederzeit durch Einholung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung absichern. Außerdem ist es durchaus denkbar, dass die Gesellschafter i.R.d. bereits beschriebenen sog. Alarmglocken-Verfahrens (siehe Rdn 54) die Anzeige der Insolvenz beschließen.
Rz. 137
Die Anzeige hat binnen der Frist von einem Monat ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu erfolgen (Art. XX.102 WGB). Dem Antrag sind außerdem folgende Dokumente beizufügen (Art. XX.103 WGB):
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die Bilanz bzw. – im Falle der Nichtbeifügung – die Angabe der Gründe für ihr Fehlen; |
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die Geschäftsbücher; |
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eine Personalliste mit sämtlichen Daten im Hinblick auf die Sozialversicherungen; |
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Angaben hinsichtlich eines etwaigen Betriebsrats oder einer Gewerkschaft; |
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eine Liste der Kunden und Lieferanten; |
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eine Liste mit Namen und Adressen der natürlichen Personen, die für den Kaufmann eine persönliche Sicherheit geleistet haben. |
Rz. 138
Sofern bestimmte wichtige und miteinander übereinstimmende Hinweise vorliegen, dass die Voraussetzungen für eine Insolvenz vorliegen und Eilbedürftigkeit gegeben ist, kann das zuständige Gericht selbst dem Unternehmen die Verwaltung der gesamten oder eines Teils der Güter vollständig oder teilweise entziehen und zunächst einen provisorischen Verwalter ("administrateur provisoire/voorlopig bewindvoerder") anstellen, der die Geschäfte des Unternehmens für einen Zeitraum von höchstens vier Monaten nach der Entscheidung über den Antrag weiterführt und beaufsichtigt (Art. XX.32 WGB).
Rz. 139
Im Falle eines Urteils wird von dem Insolvenzgericht ein Richter-Rechnungsprüfer ("juge-commissaire/rechter-commissaris") angestellt, der die Aufsicht über das gesamte Insolvenzverfahren führt. Mit der Verwaltung des Vermögens und Abwicklung der Insolvenz werden in der Folge ein oder mehrere Masseverwalter ("curateur/curator") betraut (Art. XX.104 WGB).
Rz. 140
Der Antrag auf Insolvenz kann außerdem von jedem Gläubiger, der Staatsanwaltschaft oder dem provisorischen Verwalter im Klageweg beantragt werden (Art. XX.100 WGB). Dagegen kann der Schuldner binnen 15 Tagen ab Zustellung des Urteils über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Berufung einlegen (Art. XX.108 WGB).
Gegen Urteile, mit denen die Insolvenzeröffnung abgelehnt wird, finden, sofern möglich, die allgemeinen Rechtsbehelfe mit den allgemeinen Fristen entsprechend der belgischen ZPO Anwendung (Art. 2 belg. ZPO). Vorbehaltlich anderslautender ausdrücklicher Regelungen in Buch XX des WGB gelangen die allgemeinen Regelungen zur Berufung (Art. 1051 belg. ZPO) und zum Drittwiderspruch (Art. 1128 und 1129 belg. ZPO) zur Anwendung. Welche Rechtsmittel im Falle der Abweisung der Insolvenzeröffnung eingelegt werden können sowie deren Frist hängt dabei von der konkreten Art des Abweisungsbeschlusses ab.
Die Insolvenzerklärung von Amts wegen wurde durch das Insolvenzgesetz von 1997 abgeschafft; allerdings steht es dem Gericht frei, im Zuge eines gerichtlichen Ausgleichsverfahrens dieses in ein Insolvenzverfahren überzuleiten.
Gemäß Art. XX.99 WGB kann gegen eine aufgelöste juristische Person bis zu sechs Monate nach Beendigung der Liquidation ein Insolvenzverfahren eröffnet werden.