Christoph Weling, Gido Schür
1. Abgrenzung
Rz. 155
Das belgische Erbschaftsteuerrecht (Art. 1 ErbStGB/Art. 2.7.0.1. Codex) unterscheidet zwischen
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der Erbschaftsteuer, die auf das gesamte Nettovermögen zu erheben ist, das aus dem Nachlass eines Erblassers erworben wird, der zum Todeszeitpunkt Einwohner des Königreichs war, und |
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der Steuer auf Übertragungen von Todes wegen (droit de mutation par décès/recht van overgang bij overlijden), die auf das in Belgien belegene unbewegliche Vermögen von Nichteinwohnern erhoben wird. |
Die Vorschriften des ErbStGB/Codex gelten grundsätzlich für beide Steuerarten, soweit keine abweichenden Sondervorschriften bestehen.
Rz. 156
Abgrenzungskriterium zwischen Übertragungsteuer und Erbschaftsteuer ist die Einwohnerstellung des Erblassers. Ist der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes Einwohner des Königreichs (habitant du royaume/rijksinwoner), ist der Nachlass unbeschränkt in Belgien steuerpflichtig. Ist der Erblasser hingegen nicht Einwohner Belgiens, ist der Nachlass in Belgien beschränkt steuerpflichtig, in dem Sinne, dass nur auf die im Inland belegenen Immobilien Erbschaftsteuern fällig werden. Die persönliche Beziehung des Erben oder Vermächtnisnehmers zu Belgien (Wohnort und Nationalität) ist – anders als etwa im deutschen Erbschaftsteuerrecht – vollkommen ohne Belang. In Belgien werden keinerlei Steuern fällig, wenn ein Belgier oder ein in Belgien wohnhafter Ausländer von Todes wegen Vermögensbestandteile aus dem Nachlass eines Nichteinwohners des Königreichs, der keine in Belgien belegenen, unbeweglichen Gegenstände hinterlässt, erwirbt.
Rz. 157
Artikel 1 ErbStGB definiert den Begriff "Einwohner": "Als Einwohner des Königreichs gilt derjenige, der dort zum Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz oder den Sitz seines Vermögens hat." Im Sinne dieser Definition der Einwohnerstellung kommt es nicht auf den gesetzlichen Wohnsitz des Erblassers, sondern auf seinen tatsächlichen Wohnsitz (Aufenthaltsort) oder den Sitz seines Vermögens (Ort der Vermögensverwaltung) an. Die Einwohnereigenschaft richtet sich nach objektiven Anhaltspunkten, die im Laufe der Zeit durch Rechtsprechung und Literatur festgelegt wurden (dauerhaftes Unterhalten einer Wohnung im Inland, Aufenthaltsort der Familie, Zentrum der privaten und geschäftlichen Tätigkeiten usw.). Ausschlaggebend ist einzig die Stellung des Erblassers als Einwohner Belgiens zum Zeitpunkt des Todes. Die Beweislast liegt bei der Steuerverwaltung. Vorschriften gegen die Steuervermeidung durch einen Wohnsitzwechsel ins Ausland bestehen in der belgischen Erbschaftsteuergesetzgebung nicht. Sobald der Erblasser nicht mehr Einwohner des Königreichs ist, wird eine Besteuerung des zum Nachlass gehörenden Weltvermögens nicht mehr in Belgien erfolgen. Anders als bei einem internationalen Wohnsitzwechsel, bewirkt eine Verlegung des Wohnsitzes von einer der drei belgischen Regionen in eine andere Region hingegen nicht die sofortige Anwendbarkeit der Erbschaftsteuergesetzgebung der neuen Wohnsitzregion. Nach dem Verlassen einer Wohnsitzregion wird der Verbleib einer steuerbegründenden Verbindung mit dieser Region unter gewissen Voraussetzungen fingiert, um so das Steueraufkommen dieser Region zu sichern.
2. Beschränkte Steuerpflicht
Rz. 158
Ist der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes nicht Einwohner des Königreichs, werden in Belgien nur auf das im Inland belegene Immobilienvermögen des Erblassers Erbschaftsteuern (in diesem Fall Übertragungsteuern (droits de mutation/recht van overgang bij overlijden) genannt) erhoben.
3. Unbeschränkte Steuerpflicht
Rz. 159
Ist der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes Einwohner des Königreichs, findet in Belgien eine Besteuerung des Weltnachlasses statt. Die Steuer bezieht sich auf den gesamten Nettowert des Nachlasses, wobei im Ausland belegene Nachlassgegenstände ebenfalls Bestandteil der Bemessungsgrundlage sind.