Volker Hustedt, Gido Schür
1. Allgemeines
Rz. 26
Mit der grundlegenden Reform durch Gesetz vom 14.7.1976 wurde der bis dahin in Belgien nahezu unverändert geltende code napoléon aus dem Jahre 1804 abgelöst und damit die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau auch in den ehegüterrechtlichen Vorschriften hergestellt, und zwar insbesondere durch die Aufhebung der ausschließlichen Verwaltungsbefugnis des Ehemannes über das Vermögen der Ehefrau. Das neue Ehegüterrecht gilt auch für Ehen, die vor Inkrafttreten der Reform geschlossen wurden, es sei denn, die Eheleute haben binnen Jahresfrist in notariell beurkundeter Erklärung bestimmt, dass die alten ehegüterrechtlichen Vorschriften für ihre Ehe weiterhin Geltung behalten sollen. Das Vorhandensein einer solchen Vereinbarung ist vom Standesbeamten auf der Heiratsurkunde zu vermerken. Die Reform des Ehegüterrechtes durch das Gesetz vom 22.7.2018 verfolgte im Wesentlichen zwei Ziele: zum einen ging es darum die in der Reform des Erbrechtes durch das Gesetz vom 31.7.2017 begonnene Stärkung der Rechte des überlebenden Ehepartners auch im Rahmen des Ehegüterrechts fortzuführen, zum anderen ging es darum, gezielte Änderungen des Ehegüterrechts selbst vorzunehmen: insbesondere zur Anpassung oder Präzisierung bestehender Normen im Licht von Rechtsprechung und Rechtslehre, zur Modernisierung einiger Bestimmungen und zur Einführung einer gesetzlichen Regelung bezüglich der Gütertrennung mit Zugewinngemeinschaft.
2. Der gesetzliche Güterstand
a) Zuordnung des Vermögens
Rz. 27
Der gesetzliche Güterstand des belgischen Zivilrechts – communauté réduite aux acquêts – ist eine Errungenschaftsgemeinschaft mit Gesamthandsvermutung. Er unterscheidet zwischen dem Eigenvermögen eines jeden Ehegatten und dem gemeinschaftlichen Vermögen beider Ehegatten, Art. 1398 ZGB.
aa) Eigenvermögen jedes Ehegatten
Rz. 28
Zum Eigenvermögen eines jeden Ehegatten gehören im gesetzlichen Güterstand gem. Art. 1399 ZGB insbesondere folgende Aktiva:
Zum Eigenvermögen gehören ungeachtet des Zeitpunkts des Erwerbs und vorbehaltlich eines etwaigen Ausgleichs (Art. 1400 ZGB):
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Zubehör zu eigenen Gütern oder Rechten, beweglicher und unbeweglicher Natur; |
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Vermögen, das einem Ehegatten in Erfüllung einer entsprechenden eigenen oder einem Dritten gegenüber bestehenden Verbindlichkeit von einem Verwandten in aufsteigender Linie übertragen wurde; |
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Erwerb von Eigentum an Sachen, an denen der Ehegatte bereits Miteigentum hatte; |
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die Güter und Rechte, die infolge einer dinglichen Rechtsübertragung Eigengüter ersetzen, sowie die Güter, die durch eine Anlegung oder Wiederanlegung erworben wurden. Eine Sache wird dabei zum Eigengut eines Ehegatten, wenn sie für mehr als die Hälfte mit seinen Eigenmitteln bezahlt wird, Art. 1404 ZGB. Bei einer Immobilie müssen diese Mittel nachweislich aus seinem Eigenvermögen stammen und der betroffene Ehegatte muss beim Erwerb erklären, dass es sich um einen Ersatzerwerb handelt, Art. 1402 ZGB (remploi). Dabei reicht beim Eigenerwerb einer Immobilie aus, dass die erforderlichen Eigenmittel innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des Kaufvertrages aufgebracht werden, Art. 1403 ZGB. Insoweit wird auch der Eigenerwerb aus künftigen Eigenmitteln als vorweggenommener Ersatzerwerb zugelassen; |
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der zum Zeitpunkt der Auflösung des Güterstands einforderbare Nettorückkaufswert in Zusammenhang mit einem individuellen Lebensversicherungsvertrag, der von einem der Ehegatten während des Güterstands abgeschlossen worden ist, wenn die Versicherungsleistung anlässlich der Auflösung des Güterstands nicht auszahlbar ist; |
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die Versicherungsleistung in Zusammenhang mit einem individuellen Lebensversicherungsvertrag, der von einem der Ehegatten während des Güterstands abgeschlossen worden ist, die anlässlich der Auflösung des Güterstands zugunsten dieses Ehegatten auszahlbar wird. |
Zum Eigenvermögen gehören darüber hinaus, ungeachtet des Zeitpunkts des Erwerbs (Art. 1401):
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Kleidung und Gegenstände für den persönlichen Gebrauch; |
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das literarische, künstlerische oder gewerbliche Eigentumsrecht; |
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das Recht auf Wiedergutmachung eines persönlichen körperlichen oder moralischen Schadens; |
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das Anrecht auf eine Pension, Leibrente oder ähnliche Zulage, das einer der Ehegatten alleine besitzt; |
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die mit Anteilen oder Aktien in Gesellschaften verbundenen Gesellschafterrechte, die mit gemeinsamen Geldern erworben worden sind und auf den Nam... |