Sarah Kocks, Diana Rjabynina
1. Rechte und Pflichten der Geschäftsführer
Rz. 98
Gemäß Art. 5:73 GGV hat jeder Geschäftsführer die Geschäftsführungsbefugnis für sämtliche Geschäfte i.R.d. Gesellschaftszwecks, soweit sie nicht der Gesellschafterversammlung vorbehalten sind. Diese Befugnis kann allerdings durch die Satzung beschränkt werden, wobei eine solche Beschränkung jedoch auch bei Veröffentlichung Dritten gegenüber nicht wirksam ist (siehe Rdn 80).
Rz. 99
Grundsätzlich werden die Geschäftsführer als einzelvertretungsbefugt angesehen. Die Satzung kann jedoch abweichend davon vorsehen, dass sie ein kollegiales Leitungsorgan bilden (Art. 5:73 § 1, Abs. 3 GGV), sofern mehrere Geschäftsführer bestellt sind.
Im Außenverhältnis wird die Gesellschaft gem. Art. 5:74 GGV durch die Handlungen der Geschäftsführer verpflichtet. Eine Überschreitung des Gesellschaftszwecks muss sich ein Dritter nur entgegenhalten lassen, wenn er davon positive Kenntnis hatte oder hätte haben müssen.
Rz. 100
Die Geschäftsführer haben die Geschäfte grundsätzlich so zu führen, dass die Gesellschaft daraus den größtmöglichen Nutzen zieht. Dabei müssen sie sich an die Gesetze, die Satzung, den Geschäftsführungsvertrag und die Gesellschaftsbeschlüsse halten. Sie müssen zudem stets im Interesse der Gesellschaft handeln.
Rz. 101
Nach Art. 5:83 GGV können die Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung einberufen; auf Antrag von Gesellschaftern, die ein Zehntel des Gesellschaftsvermögens repräsentieren, sind sie hierzu verpflichtet.
Rz. 102
Die Geschäftsführer müssen nach Art. 3:6 GGV in der ordentlichen Gesellschafterversammlung einen Bericht über ihre Tätigkeit, den Zustand und die Entwicklungsmöglichkeiten der Gesellschaft abgeben sowie nach Art. 5:91 GGV auf die Fragen der Gesellschafter antworten. Dies gilt nicht für "kleine Gesellschaften" (siehe Rdn 113). Sie können die Antwort allerdings verweigern, sofern die Beantwortung Schaden verursachen oder die von ihnen oder dem Unternehmen eingegangenen Vertraulichkeitsverpflichtungen verletzen würde.
Rz. 103
Schließlich sind die Geschäftsführer gem. Art. 3:1 GGV auch für die Durchführung der jährlichen Inventur und die Erstellung des Jahresabschlusses verantwortlich. Der Jahresabschluss muss der allgemeinen Gesellschafterversammlung binnen sechs Monaten nach Ende des jeweiligen Rechnungsjahres – bei sonstiger Haftung für aus diesem Versäumnis resultierende Schäden bzw. strafrechtlichen Konsequenzen gem. Art. 3:43–3:46 GGV – vorgelegt werden.
Nach Bestätigung des Jahresabschlusses durch die allgemeine Gesellschafterversammlung muss dieser innerhalb von 30 Tagen zusammen mit den in Art. 3:12 GGV aufgezählten Daten bei der Nationalbank hinterlegt werden (Art. 3:10 GGV); die Verletzung dieser Pflicht kann ebenso haftungsrechtliche bzw. strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
2. Haftung der Geschäftsführer
a) Zivilrechtliche Haftung
Rz. 104
Grundsätzlich übernehmen die Geschäftsführer keine persönliche zivilrechtliche Haftung, wenn sie für die Gesellschaft handeln (Art. 2:49 GGV).
Die Verpflichtungen, die sie im Namen der Gesellschaft eingehen, binden nur diese (Art. 5:74 GGV). Von diesem Prinzip gibt es allerdings eine Reihe von Ausnahmen.
Rz. 105
Abgesehen von der Haftung nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, wie etwa aus unerlaubter Handlung oder für Fehler in der Geschäftsführung, haften die Geschäftsführer nach Art. 2:56 GGV gegenüber der Gesellschaft sowie gegenüber Dritten gesamtschuldnerisch für Verletzungen von gesetzlichen Vorgaben, der Satzung, der Geschäftsführervereinbarung und der Gesellschaftsbeschlüsse.
Rz. 106
Soweit ein Geschäftsführer gegen das Gesetz, die Satzung der Gesellschaft, den Geschäftsführungsvertrag oder die Beschlüsse der Gesellschaft verstößt, begeht er ein Fehlverhalten, aufgrund dessen er vertraglich für den daraus für die Gesellschaft resultierenden Schaden haftbar gemacht werden kann.
Von der Haftung werden die einzelnen Geschäftsführer nur befreit, wenn sie an dem betreffenden Verstoß nicht teilgenommen haben, der Verstoß auf nicht in der Verantwortung des Geschäftsführers liegende Ursachen zurückzuführen ist und sie das haftungsbegründende Verhalten bei der nächsten ordentlichen Gesellschafterversammlung, die nach Kenntniserlangung stattfindet, offenlegen.
Ein Geschäftsführer kann auch von Dritten für Schäden haftbar gemacht werden, die durch seine fahrlässigen Handlungen oder Gesetzesverstöße verursacht wurden. Es handelt sich um eine außervertragliche Haftung aufgrund einer unerlaubten Handlung i.S.d. Art. 1382–1383 des belgischen Zivilgesetzbuches.
Rz. 107
Weitere Haftungstatbestände ergeben sich aus dem Verfahren bei Interessenskollision gem. Art. 5:76 GGV, der eine Haftung für schwere Fehler in der Geschäftsführung normiert, wenn diese die Insolvenz der Gesellschaft zur Folge haben, sowie aus Art. 5:138–139 GGV, wonach die Geschäftsführer bei der Ausgabe neuer Anteile derselben Haftung unterliegen wie die Gründer.
b) Strafrechtliche Verantwortung
Rz. 108
Strafrechtliche Verantwortung tritt ein, wenn ein Geschäftsführer eine nach dem belgischen Strafgesetzbuch mit Strafe bedrohte Handlung (Diebstahl, Betrug o.Ä.) begeht. Wen...