Christoph Weling, Gido Schür
1. Testamentsformen
Rz. 49
Als Testamentsformen kennt das belgische Recht das eigenhändige Testament, das in notarieller Urkunde errichtete Testament und das internationale Testament nach dem Washingtoner Übereinkommen vom 26.10.1973.
Im Unterschied zum deutschen Recht muss ein eigenhändiges Testament nicht nur eigenhändig geschrieben und unterschrieben, sondern auch datiert sein, um Wirksamkeit zu erlangen, Art. 4.81 ZGB. Gemeinschaftliche Testamente sind verboten und unwirksam, vgl. Art. 4.168, Art. 4.179 ZGB i.V.m. Art. 4.132, §§ 3–4, 4.190, 4.241 ZGB.
2. Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Testaments
Rz. 50
Testierfähigkeit nach belgischem Recht erfordert volle Geschäftsfähigkeit; Minderjährige, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind in ihrer Testierfähigkeit beschränkt, vgl. Art. 4.136 ff. ZGB. So können Minderjährige, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kein Testament errichten. Ab dem 16. Lebensjahr können sie über die Hälfte der verfügbaren Quote ihres Vermögens verfügen, Art. 4.138, Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 4.145 ff. ZGB.
Rz. 51
Die testamentarische Verfügung muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Ein Verstoß gegen Gesetze oder die guten Sitten führt zu ihrer Unwirksamkeit, Art. 4.134 ZGB. Beschränkungen im Hinblick auf die Fähigkeit, durch testamentarische Erbfolge zu erwerben, bestehen im Hinblick auf den Vormund oder Vermögensverwalter des Erblassers, seine Ärzte, Apotheker sowie Alten- und Pflegeheimpersonal, vgl. Art. 4.140–4.144 ZGB.
Rz. 52
Verstirbt der Bedachte vor dem Erbfall, so ist die Verfügung von Todes wegen insoweit unwirksam. Substitution bzw. Erbvertretung (vgl. Rdn 38) findet kraft Gesetzes bei gewillkürter Erbfolge nicht statt. Ist dies gewünscht, so muss sie per Testament vorgesehen werden.
3. Erbeinsetzung und Vermächtnisse
a) Erb- oder Universalvermächtnis
Rz. 53
Das belgische Recht kennt das Erb- oder Universalvermächtnis (legs universel), mit dem der Erblasser – vergleichbar der Erbeinsetzung nach deutschem Recht – über sein gesamtes Vermögen zugunsten einer oder mehrerer Personen gemeinschaftlich verfügt, Art. 4.193–4.194 ZGB. Im Erbfall geht das gesamte Vermögen des Erblassers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge automatisch auf den oder die Bedachten über, einschließlich vorhandener Verbindlichkeiten, Art. 4.199 ZGB.
Es bedarf jedoch in zwei Fällen noch einer Aushändigung des Nachlasses bzw. Besitzeinweisung ("envoi en possession"), damit dieser Rechtsübergang auch nach außen geltend gemacht werden kann:
Rz. 54
Erstens: Sind Pflichtteilerben vorhanden, muss der Universalvermächtnisnehmer gem. Art. 4.194 ZGB diesen gegenüber die Herausgabe bzw. Freigabe des Nachlasses verlangen, die ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen kann. Mit Geltendmachung dieses Herausgabe- bzw. Freigabeverlangens steht dem Universalvermächtnisnehmer auch die Nutznießung am Nachlass zu, und zwar rückwirkend auf den Todestag des Erblassers, wenn der Vermächtnisnehmer die Aushändigung des Vermächtnisses binnen Jahresfrist verlangt hat, anderenfalls ab dem Tage der Aushändigung bzw. Klageerhebung, Art. 4.194 ZGB.
Rz. 55
Zweitens: Sind keine Pflichtteilerben vorhanden, hat eine gerichtliche Besitzeinweisung (vgl. Rdn 142) immer dann zu erfolgen, wenn der Universalvermächtnisnehmer in einem eigenhändigen oder internationalen Testament (vgl. Rdn 49) bedacht worden ist, Art. 4.194 ZGB. Bei einem notariellen Testament hingegen, ist diese Formalität nicht erforderlich.
b) Bruchteilvermächtnis
Rz. 56
Weiter kann der Erblasser durch ein Bruchteilvermächtnis i.S.d. Art. 4.192, 4.195–4.196 ff. ZGB (legs à titre universel) dem Begünstigten eine bestimmte Quote des Nachlasses vermachen, die dann im Erbfall unmittelbar auf ihn übergeht. Er muss jedoch sein Recht gegenüber Pflichtteilerben, sind solche nicht vorhanden, gegenüber Universalvermächtnisnehmern und ansonsten gegenüber den gesetzlichen Erben geltend machen und die Herausgabe bzw. Freigabe des vermachten Anteils verlangen, Art. 4.196 ZGB. Der Bruchteilvermächtnisnehmer haftet anteilsmäßig entsprechend seiner Quote für Nachlassverbindlichkeiten, Art. 4.199, 4.206 ZGB.
c) Sondervermächtnis
Rz. 57
Schließlich kennt das belgische Recht das Sondervermächtnis (legs particulier)...