Christoph Weling, Gido Schür
1. Einführung
Rz. 25
In den Fällen der Nachlassspaltung richtet sich die Rechtsnachfolge bezüglich jedes Nachlassteils grundsätzlich umfassend und getrennt nach dem jeweils berufenen Erbrecht. So ist das jeweilige Erbstatut berufen, wenn es um die Gültigkeit und Auslegung einer letztwilligen Verfügung geht, die Festlegung der Erbquoten oder die Regelungen zu Erbausschlagung, Pflichtteilserbrechten und zur Testamentsvollstreckung. Über jeden Nachlassteil kann der Erblasser getrennt von Todes wegen verfügen.
2. Auswirkung auf die Erbenhaftung
Rz. 26
Die in der deutschen Literatur in den Fällen der Nachlassspaltung im Hinblick auf die Erbenhaftung vorgenommene Differenzierung nach fixierten und nicht fixierten Nachlassverbindlichkeiten findet sich auch in der belgischen Literatur. Der gesamte Nachlass des Erblassers haftet jedoch nach ganz h.M. für alle Nachlassverbindlichkeiten, und zwar unabhängig davon, in welchem Land sich diese befinden.
Rz. 27
Wird der dem belgischen Erbrecht unterfallende Erbteil durch einen Nachlassgläubiger in Anspruch genommen, so haften die Erben im Innenverhältnis und grundsätzlich auch im Außenverhältnis gem. Art. 4.100, § 1, 4.98, Absatz 1 ZGB entsprechend ihrer Erbquote (pro rata hereditatis). Soweit ein Erbe den Nachlassgläubiger befriedigt, führt die vorstehende Regelung im Rahmen der Prüfung ihm gegen die Miterben zustehender Ausgleichsansprüche in den Fällen der Nachlassspaltung nur dann zu einer sachgerechten Lösung, wenn die Erbquoten im Hinblick auf den gesamten Nachlass ermittelt werden. Nur so ist dann aufgrund der für jeden Nachlassteil vorhandenen Erben und Erbquoten sichergestellt, dass im Ergebnis nach Durchführung des Ausgleichs im Innenverhältnis jeder Erbe die Nachlassverbindlichkeit in dem Umfange trägt, die seiner Beteiligung am Gesamtnachlass tatsächlich entspricht.
3. Vorwegentnahmerecht
Rz. 28
Art. 912 fr. ZGB modifizierte für Erbfälle bis zum 1.10.2004 die dargestellten Grundsätze zur Nachlassspaltung in nicht unerheblicher Weise: Befanden sich Teile des Nachlasses sowohl in Belgien als auch im Ausland, konnten die Erben nach belgischem Recht die Vorwegentnahme (droit de prélèvement) des Teils des in Belgien gelegenen Vermögens beanspruchen, der ihnen nach ihrem Erbteil am gesamten Nachlass zustand, wenn und soweit sie nach dem ausländischen Erbrecht bezüglich des dort gelegenen Nachlassteils ausgeschlossen waren. Diese Bestimmung galt seit der Reform der Vorschrift durch Gesetz vom 15.12.1980 auch zugunsten von Ausländern, sofern sie nicht dem Staat angehören, dessen Recht für den ausländischen Nachlassteil Erbstatut ist. Mit Wirkung zum 1.10.2004 wurde Art. 912 fr. ZGB ersatzlos aufgehoben und ist daher für Erbfälle ab diesem Datum nicht mehr zu beachten.