Christoph Weling, Gido Schür
1. Erbunwürdigkeit
Rz. 83
Die Verurteilung wegen vollendeter oder versuchter Tötung des Erblassers sowie sonstige schwere Verfehlungen ihm gegenüber zogen gem. Art. 727 ff. fr. ZGB a.F. in den bis zum 20.1.2013 eröffneten Erbfällen automatisch die Erbunwürdigkeit des Täters nach sich, selbst wenn der Erblasser diese Rechtsfolge nicht wünschte. Ein abweichender Wille des Erblassers hob die Erbunwürdigkeit generell nicht auf. In diesem Zusammenhang wurde diskutiert, ob hiernach nur erbunwürdig ist, wer durch ein Strafgericht wegen des Tötungsdeliktes verurteilt wurde oder auch derjenige, der die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat und aus diesem Grunde nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden konnte, aber aufgrund der Tat durch richterlichen Beschluss in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wurde. Art. 4.6 § 1 Nr. 1 und 3 setzen in der aktuellen Fassung nun eine strafrechtliche Verurteilung voraus wegen eines der dort genannten schweren Delikte gegen den Verstorbenen bzw. gem. Nr. 2 ein Tötungsdelikt gegen den Verstorbenen, für das der Täter nur deshalb nicht verurteilt werden konnte, weil er zwischenzeitlich seinerseits verstorben ist. Nach Art. 4.7 in der seit dem 21.1.2013 geltenden Fassung lässt eine in der Form eines Testaments abgefasste Vergebung des Erblassers die Erbenwürdigkeit des Täters wegen einer der in Art. 4.6 § 1 Nr. 3 begangenen Tat entfallen. Testamentarische Verfügungen können wegen Straftaten gegen den Erblasser oder Unterhaltsverletzungen gem. Art. 4.218, §§ 1 und 2 angefochten werden.
2. Entziehung des Erb- oder Pflichtteilerbrechts
Rz. 84
Im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung bzw. Trennung von Tisch und Bett haben die Eheleute gem. Art. 1287 Abs. 2 GGB vertragliche Regelungen u.a. auch über ihre wechselseitigen Erb- und Pflichtteilerbrechte zu treffen, etwa in Form einer Entziehung dieser Rechte. Diese vollständige Enterbung ist wirksam ab Unterschrift der Scheidungsvereinbarungen, insofern es ausdrücklich in denselben vermerkt ist.
Rz. 85
Einen einseitigen Ausschluss der Pflichtteilerbrechte seines Ehepartners kann der Erblasser testamentarisch gem. Art. 4.147 § 3 ZGB nur verfügen, wenn die Eheleute länger als sechs Monate getrennt leben, der Erblasser einen von dem Ehepartner getrennten Aufenthaltsort gerichtlich beantragt hat oder ein Scheidungsantrag hinterlegt wurde und beide anschließend nicht wieder zusammengelebt haben. Bei Bedürftigkeit kann jedoch ein Unterhaltsanspruch gem. Art. 205 zweitens § 1 fr. ZGB gegen den Nachlass gegeben sein.
Rz. 86
Das Pflichtteilerbrecht des überlebenden Ehegatten in Form des Nießbrauchs- oder Mietrechts an der ehelichen Wohnung und dem Hausrat kann ihm durch die Abkömmlinge des Erblassers entzogen werden, wenn die Eheleute faktisch getrennt gelebt haben, der Überlebende freiwillig aus der ehelichen Wohnung ausgezogen ist und die Beibehaltung dieses konkreten Pflichtteilerbrechts nicht dem Billigkeitsgrundsatz entspricht, Art. 4.147 § 2 Abs. 2 ZGB.
Rz. 87
Darüber hinaus kann auf Antrag der Abkömmlinge gem. Art. 4.22 ZGB der Überlebende von seinem Erbrecht nach dem verstorbenen Ehegatten ganz oder teilweise gerichtlich ausgeschlossen werden, wenn er die elterliche Sorge über gemeinsame Kinder ganz oder teilweise verloren hat.
3. Erbverzicht und Ausschlagung
Rz. 88
Nach dem Erbfall steht dem Erben ein Wahlrecht im Hinblick auf die Entscheidung darüber zu, ob er die Erbschaft bzw. das Vermächtnis annehmen (siehe Rdn 31) oder ausschlagen will.
Durch die Ausschlagung können bei Erbfällen seit dem 21.1.2013 bei gesetzlicher Erbfolge die Abkömmlinge des Ausschlagenden in seine Erbenstellung einrücken (zu den Einzelheiten vgl. Rdn 38). Erbvertretung bzw. Substitution findet insoweit nach heute geltendem belgischen Erbrecht statt, vgl. Art. 4.45 ZGB.