Christoph Weling, Gido Schür
1. Ehevertragliche Nachlassregelungen
Rz. 89
Häufig enthalten in Belgien Eheverträge auch nachlassregelnde Vereinbarungen (vgl. hierzu Rdn 91 ff. sowie die Hinweise zu nachlassregelnden Vereinbarungen i.S.d. Art. 2.3.2 ZGB in Rdn 88). Eheverträge bedürfen nach belgischem Recht stets der notariellen Beurkundung. Weitere formelle Verfahrensvorschriften für Eheverträge sieht das belgische Recht für solche vor, die erst nach Eheschließung vereinbart werden: Hier ist zwar – auch sofern der Ehevertrag eine Abwicklung des bisherigen Güterstands erfordert oder eine sofortige Veränderung der Zusammensetzung der bisherigen Vermögensmassen nach sich zieht – eine gerichtliche Genehmigung der Güterstandsänderung seit der Rechtsänderung durch Gesetz vom 18.7.2008 nicht mehr erforderlich. Die Güterstandsänderung war jedoch zusätzlich im Staatsblatt zu veröffentlichen und seit dem 1.9.2011 im Zentralen Register für Eheverträge (C.R.H.) einzutragen und bei erbrechtlicher Auswirkung auch im Zentralen Register der Testamente (C.R.T.).
Rz. 90
Den gesetzlichen Güterstand in Belgien kann man als Errungenschaftsgemeinschaft mit Gemeinschaftsvermutung beschreiben. Er sieht drei Vermögensmassen vor: das Eigengut des einen Ehegatten, das Eigengut des anderen Ehegatten und als gemeinschaftliches Vermögen beider das Gesamtgut. Ehevertraglicher Spielraum zur Nachlassgestaltung ergibt sich hier insoweit, als für den Fall des Todes eines Ehegatten dem Überlebenden das Recht zur Übernahme des gesamten Gemeinschaftsvermögens oder zumindest eines über die Hälfte hinausgehenden Anteils hieran oder bestimmter Vermögensgüter aus dem Gemeinschaftsvermögen (préciput) eingeräumt werden kann.
Rz. 91
Die ehevertragliche Vereinbarung zur vollständigen Übernahme des Gesamtguts könnte folgendermaßen lauten:
Formulierungsbeispiel: “(1) Für den Fall der Auflösung des Güterstandes durch den Tod eines der Ehepartner, und nur für diesen Fall, legen die Ehepartner fest, dass das Gemeinschaftsvermögen dem überlebenden Ehepartner rückwirkend zum Todestag gehört und zugeteilt wird, wobei es diesem Ehepartner überlassen bleibt, sich zu entscheiden
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entweder für das volle Eigentumsrecht an der Gesamtheit des Gemeinschaftsvermögens |
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oder für eine Hälfte Eigentumsrecht und das Nutznießungsrecht in Bezug auf die andere Hälfte. |
Der überlebende Ehepartner kann auch entscheiden, dass er seine Ansprüche auf die Gesamtheit in vollem Eigentumsrecht nur auf bestimmte Güter geltend macht und dass er für andere Güter nur die Hälfte des vollen Eigentumsrechts und die Hälfte des Nutznießungsrechts erhalten möchte.
Der überlebende Ehepartner wird vertraglich verpflichtet, innerhalb von vier Monaten nach dem Todestag des Vorverstorbenen seine Wahl in einer notariellen Urkunde zu äußern. Wenn er sich nicht innerhalb dieser Frist entschieden hat, wird er keine Wahl mehr treffen können und das gesamte gemeinschaftliche Vermögen wird ihm von Rechts wegen zur Hälfte in vollem Eigentum und zur Hälfte in Nutznießung zugeteilt. Der überlebende Ehepartner wird in den Genuss obiger Verfügung, die in Ausführung des Art. 2.3.56 Abs. 1 ZGB getroffen wird, kommen, unabhängig vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Nachkommen in direkter Linie.
(2) Obige Verfügungen gelten nur unter der Voraussetzung, dass
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die Ehegatten am Todestag des Erstversterbenden nicht von Tisch und Bett oder faktisch getrennt sind; |
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die Ehegatten nicht gleichzeitig oder infolge des gleichen Ereignisses versterben; |
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der überlebende Ehegatte die Eigenschaften eines Erbberechtigten in Bezug auf den Nachlass des Erstverstorbenen geltend machen kann.“ |
Rz. 92
Eine solche Vereinbarung ist auch im Verhältnis zu den Abkömmlingen des Erblassers grundsätzlich nicht als Schenkung anzusehen, sondern als reine ehevertragliche Bestimmung. Pflichtteilerbrechte sind insoweit nicht betroffen. Die Abkömmlinge können daher keine Herabsetzung verlangen (vgl. Rdn 75), es sei denn, es handelt sich um solche Abkömmlinge, die ausschließlich vom Erblasser und nicht auch von seinem Ehepartner abstammen. Ihnen gegenüber wäre eine solche ehevertragliche Vereinbarung als Schenkung angesehen und würde Anrecht auf einen schuldrechtlichen Anspruch/Ausgleich geben, falls sie über die verfügbare Quote des Erblassers hinausgeht (siehe auch Art. 2.3.57 und 2.3.58 ZGB).
Rz. 93
Die Wirkungen der im vorhergehenden Absatz dargestellten ungleichen Verteilung des gemeinschaftlichen Vermögens beim Versterben eines Ehegatten können durch ehevertragliche Vereinbarung der allgemeinen Gütergemeinschaft noch verstärkt werden. Hierdurch werden mit Ausnahme des ganz persönlichen Vermögens alle gegenwärtigen und künftigen Güter und Verbindlichkeiten beider Ehegatten gemeinschaftliches Vermögen. Im Todesfall eines Ehegatten führt die ehevertragliche Vereinbarung der vollständigen Übernahme des Gesamtgutes durch den Überlebenden dann praktisch zur weitgehenden Ausschaltung der Pflichtteilerbrechte. Nur im Hinblick auf eine ungleiche Teilung von Vermögensgegenst...