Christoph Weling, Gido Schür
Rz. 118
Das Zivilgesetzbuch (ZGB) und das Gerichtsgesetzbuch (GGB) regeln folgende erbverfahrensrechtliche Bereiche:
1. Verschollenheit (Art. 112 ff. fr. ZGB)
a) Verschollenheitsvermutung
Rz. 119
Ist eine Person seit mehr als drei Monaten nicht mehr an ihrem Wohnsitz oder Wohnort erschienen, ohne dass man während mindestens drei Monaten eine Nachricht von ihr erhalten hätte, und besteht dadurch eine gewisse Unsicherheit darüber, ob sie lebt oder verstorben ist, kann der Friedensrichter auf Ersuchen jedes Interessehabenden oder der Staatsanwaltschaft die Verschollenheitsvermutung feststellen und einen gerichtlichen Verwalter bestellen. Der gerichtliche Verwalter erstellt spätestens einen Monat nach Annahme seiner Bestellung einen Bericht über die Vermögenslage des vermutlich Verschollenen und übermittelt diesen dem Friedensrichter. Er legt dem Friedensrichter jedes Jahr Rechenschaft über die Verwaltung des Vermögens des vermutlich Verschollenen ab, indem er einen schriftlichen Bericht vorlegt
b) Verschollenheitserklärung
Rz. 120
Wenn seit dem Urteil, mit dem die Verschollenheitsvermutung festgestellt wurde, fünf Jahre oder seit Erhalt der letzten Nachrichten des Verschollenen sieben Jahre verstrichen sind, kann die Verschollenheitserklärung auf Ersuchen jedes Interessehabenden oder der Staatsanwaltschaft vom Familiengericht ausgesprochen werden. Dieses Ersuchen wird im Belgischen Staatsblatt, in zwei regionalen Tageszeitungen sowie in einer landesweit vertriebenen Tageszeitung veröffentlicht und das Gericht darf das Urteil über die Verschollenheitserklärung erst ein Jahr nach der letzten dieser Veröffentlichungen erlassen. Der Tenor dieses Urteils wird durch den zuständigen Standesbeamten in die Datenbank für Personenstandsurkunden übertragen. Die rechtskräftige Entscheidung zieht ab dem Datum der Übertragung alle Wirkungen des Todes nach sich.
2. Gerichtliche Todeserklärung (Art. 126 ff. fr. ZGB)
Rz. 121
In Ermangelung einer Sterbeurkunde kann das Familiengericht auf Ersuchen jedes Interessehabenden oder der Staatsanwaltschaft jede unter lebensbedrohenden Umständen verschwundene Person für tot erklären, wenn ihr Körper nicht wiedergefunden oder nicht identifiziert werden konnte und ihr Tod unter Berücksichtigung der Umstände als sicher angesehen werden kann.
3. Besitzerwerb (saisine – Art. 4.3 ZGB) und Erbrechte des Staates (Art. 4.32 ff. ZGB)
Rz. 122
Die durch Gesetz bestimmten Erben gelangen von Rechts wegen in den Besitz der Güter, Rechte und Klagen des Erblassers mit der Verpflichtung, alle Erbschaftsverbindlichkeiten zu begleichen. Der Staat muss sich hingegen durch das zuständige Familiengericht in den Besitz einweisen lassen. Der Nachlass steht dem belgischen Staat zu, wenn keine erbberechtigten Personen vorhanden sind.
4. Annahme des Nachlasses (Art. 4.34 ff. ZGB)
Rz. 123
Anders als dies in anderen europäischen Rechtssystemen der Fall ist, erfordert das belgische Recht nicht die Beurkundung der Erbschaftsannahmeerklärung (z.B. zur Eintragung der neuen Eigentumsverhältnisse in die Eigentumsregister). Die Annahme des Nachlasses kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen (siehe auch Rdn 31). Sie ist ausdrücklich, wenn der Erbe in einer authentischen oder privatschriftlichen Urkunde den Titel oder die Eigenschaft eines Erben annimmt. Sie ist stillschweigend, wenn der Erbe eine Handlung vornimmt, die seine Absicht, die Erbschaft anzunehmen, voraussetzt (Inbesitznahme). Der Erbe, der den Nachlass angenommen hat, kann ihn grundsätzlich nicht mehr im Nachhinein ausschlagen.
5. Ausschlagung (Art. 4.44 ff. ZGB)
Rz. 124
Die Ausschlagung eines Nachlasses muss ausdrücklich erfolgen (siehe auch Rdn 32). Die Ausschlagungserklärung muss durch notarielle Urkunde erfolgen. Innerhalb von 15 Tagen nimmt der Notar auf Kosten der Erbberechtigten, die ausgeschlagen haben, eine entsprechende Eintragung im Zentralregister der Erbschaften vor. Wenn der Ausschlagende in der notariellen Ausschlagungserklärung auf Ehre erklärt, dass seines Wissens die Nettoaktiva des Nachlasses den Betrag von 5.000 EUR nicht übersteigen, ist diese Erklärung für ihn im Prinzip kostenfrei. Gläubiger eines Erben, der zum Nachteil ihrer Rechte verzichtet, können sich gerichtlich ermächtigen lassen, den Nachlass im Namen ihres Schuldners anzunehmen (Art. 4.46 ZGB). In diesem Fall wird die Ausschlagung nur zugunsten der Gläubiger und lediglich in Höhe des Betrags ihrer Schuldforderungen für nichtig erklärt. Gemäß Art. 4.36 Abs. 2 ZGB erlischt das Recht, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen, nach Ablauf von 30 Jahren. Auf die Erbschaft einer noch lebenden Person kann grundsätzlich nicht verzichtet werden, außer in den durch das Gesetz vorgesehenen Fällen (Art. 4.36 Abs. 1 ZGB). Ein ausschlagender Erbe wird so behandelt, als sei er niemals Erbe geworden. Der Erbteil des ausschlagenden Erbes kommt seinen Nachkommen zugute, wenn Erbenersetzung (siehe Rdn 38) stattfindet; ist dies nicht der Fall, lässt sein Anteil den der anderen Erbberechtigten desselben Grads anwachsen; ist der Ausschla...