Volker Hustedt, Gido Schür
1. Inhalt
Rz. 65
Im belgischen Ehevertragsrecht gilt der Grundsatz der Privatautonomie, d.h., die Beteiligten haben einen großen Spielraum, Änderungen der gesetzlichen Regelungen ehevertraglich vorzunehmen, vgl. Art. 1387 ZGB. So kann der Ehevertrag die Wahl des Güterstandes der Gütertrennung (siehe Rdn 46 ff.), der allgemeinen Gütergemeinschaft (siehe Rdn 45) oder auch einen ausländischen Güterstand vorsehen. Verbreitet sind jedoch Eheverträge, die den gesetzlichen Güterstand beibehalten und diesen nur im Hinblick auf einzelne Teilbereiche abändern. Zu den häufigsten dieser Modifikationen zählen folgende Vereinbarungen vermögensrechtlicher Art:
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Einbringung von Vermögenswerten in das Gesamtgut oder – bei einer Gütertrennung – in eine interne Errungenschaftsgesellschaft; |
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unentgeltliche Zuwendungen (liberalités) von gegenwärtigem oder künftigem Vermögen und |
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Regelungen zur Vermögensverteilung bei der Liquidation des Güterstandes, insbesondere beim Tode eines Ehegatten (avantages matrimoniaux), wie etwa ein Vorwegentnahmerecht gem. Art. 1457 ff. ZGB (préciput) oder gem. Art. 1461 ff. ZGB eine ungleiche Teilung bei der Auseinandersetzung des Gesamtguts, die folgenden Inhalt haben könnte: |
Rz. 66
Formulierungsvorschlag: Ehevertragliche Zuwendung des Gesamtguts auf den überlebenden Ehepartner
"(1) Für den Fall der Auflösung des Güterstandes durch den Tod eines der Ehepartner, und nur für diesen Fall, legen die Ehepartner fest, dass das Gemeinschaftsvermögen dem überlebenden Ehepartner rückwirkend zum Todestage gehört und zugeteilt wird, wobei es diesem Ehepartner überlassen bleibt, sich zu entscheiden"
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entweder für das volle Eigentumsrecht an der Gesamtheit des Gemeinschaftsvermögens |
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oder für eine Hälfte Eigentumsrecht und das Nutznießungsrecht in Bezug auf die andere Hälfte. |
Der überlebende Ehepartner kann auch entscheiden, dass er seine Ansprüche auf die Gesamtheit in vollem Eigentumsrecht nur auf bestimmte Güter geltend macht und dass er für andere Güter nur die Hälfte des vollen Eigentumsrechts und die Hälfte des Nutznießungsrechts erhalten möchte.
Der überlebende Ehepartner wird verpflichtet, innerhalb von vier Monaten nach dem Todestag des Vorverstorbenen seine Wahl in einer notariellen Urkunde zu äußern. Wenn er sich nicht innerhalb dieser Frist entschieden hat, wird er keine Wahl mehr treffen können und das gesamte gemeinschaftliche Vermögen wird ihm von Rechts wegen zur Hälfte in vollem Eigentum und zur Hälfte in Nutznießung zugeteilt. Der überlebende Ehepartner wird in den Genuss obiger Verfügung, die in Ausführung des Art. 1461 ZGB getroffen wird, kommen, unabhängig vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Nachkommen in direkter Linie.
(2) Obige Verfügungen gelten nur unter der Voraussetzung, dass
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die Ehegatten am Todestag des Erstversterbenden nicht von Tisch und Bett oder faktisch getrennt sind; |
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die Ehegatten nicht gleichzeitig oder infolge des gleichen Ereignisses versterben; |
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der überlebende Ehegatte die Eigenschaft eines Erbberechtigten in Bezug auf den Nachlass des Erstverstorbenen geltend machen kann.“ |
Rz. 67
Obgleich durch eine solche Regelung erbrechtliche Ziele verfolgt werden sollen, handelt es sich um eine rein ehegüterrechtliche Vereinbarung, die nicht gegen das grundsätzliche Verbot des belgischen Rechts, Erbverträge abzuschließen, verstößt und nicht durch die Pflichtteilsansprüche gemeinsamer Abkömmlinge eingeschränkt wird.
Rz. 68
Der Ehevertrag darf gem. Art. 1387 ZGB nicht gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung (ordre public) und auch nicht gegen sonstiges zwingendes Recht verstoßen. Hierzu zählen insbesondere die Vorschriften des "régime primaire" (siehe Rdn 19 ff.) und Art. 1388 ZGB, der ehevertragliche Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Eheleute, Sorgerechts- und Vormundbestimmungen und Regelungen über die Erbfolge in Eheverträgen untersagt. Auch darf der Ehevertrag nur bedingt nachteilige Auswirkungen auf die (Pflichtteils-)Ansprüche von Abkömmlingen haben, die nicht ausschließlich von beiden Eheleuten abstammen, Art. 1465 ZGB.