Leitsatz
In diesem Verfahren ging es primär um die Frage, in welcher Art und Höhe beim Ehegattenunterhalt die begrenzte Leistungsfähigkeit des Pflichtigen Berücksichtigung findet.
Sachverhalt
Die Parteien hatten sich nach über 40jähriger Ehe voneinander getrennt und stritten um den Trennungsunterhalt für die Zeit ab August 2002. Der Beklagte war Rentner und bezog aus der gesetzlichen Rente und einer Betriebsrente monatliche Gesamteinkünfte von zunächst 1.335,00 EUR und sodann 1.345,00 EUR monatlich. Die am 27.1.1940 geborene Klägerin war während der Ehezeit aushilfsweise tätig und erzielte aus dieser Tätigkeit seit der Trennung monatlich 250,00 EUR.
Vom AG wurde der Ehemann zur Zahlung monatlichen Trennungsunterhalts i.H.v. 571,00 EUR abzüglich der von August 2002 bis Mai 2003 geleisteten Unterhaltszahlungen verurteilt. Die Berufung des Ehemannes gegen dieses Urteil blieb erfolglos. Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision, mit der er Klageabweisung für die Zeit bis Mai 2003 sowie Herabsetzung des ab Juni 2003 geschuldeten Unterhalts auf den von ihm anerkannten Betrag i.H.v. monatlich 415,25 EUR begehrte.
Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Entscheidung
In seiner Entscheidung führte der BGH in der Selbstbehaltsfrage seine Rechtsprechung fort, die er mit seinem Urteil vom 1.12.2004 (XII ZR 3/03 - FamRZ 2005, 354) gegenüber Unterhaltsansprüchen nach § 1615l BGB aufgenommen hatte. Er hatte dort auf die weitgehende Angleichung dieses Unterhaltsanspruchs an den Geschiedenenunterhaltsanspruch aus § 1570 BGB verwiesen, die Annahme eines großen Selbstbehalts als Opfergrenze abgelehnt und sich für einen Selbstbehalt in der Größenordnung zwischen angemessenem und notwendigem Selbstbehalt ausgesprochen. Dieser Selbstbehalt solle im Regelfalle gelten, schließe also eine abweichende Festsetzung nicht vollständig aus.
Der aus § 1581 BGB abgeleiteten zusätzlichen Beschränkung des Unterhaltsanspruchs gemäß den individuellen Lebensverhältnissen (BGH v. 18.10.1989 - IVb ZR 89/88, BGHZ 109, 72 = MDR 1990, 422 = FamRZ 1990, 260; BGH v. 9.6.2004 - XII ZR 308/01, BGHReport 2004, 1488 = MDR 2004, 1300 = FamRZ 2004, 1357 = FamRB 2004, 324) solle es daneben nicht mehr bedürfen.
Bisher wurde der Unterhaltsverpflichtete nur insoweit als leistungsfähig angesehen, wie er in der Lage war, den vollen eheangemessenen Unterhalt zu erbringen, ohne seinen eigenen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu beeinträchtigen. Dieser Grenze soll es nach der vorliegenden Entscheidung des BGH im Hinblick auf seine neuere Rechtsprechung zur Bemessung des Bedarfs für den unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht mehr bedürfen. Der BGH ist weitgehend dazu übergegangen, auch nach rechtskräftiger Scheidung eingetretene wirtschaftliche Veränderungen zu berücksichtigen und sie auf den Bedarf Einfluss nehmen zu lassen. Dies gilt auch für in der Ehe angelegte Einkommensverbesserungen sowie für nicht unter Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit eingetretene Einkommensminderungen.
Hinweis
Mit seiner Entscheidung vom 15.3.2006 hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zum eheangemessenen Selbstbehalt und zur Prägung von Ausgaben, die bei der Bereinigung des Nettoeinkommens für die Ermittlung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen sind, grundlegend geändert. Diese neue Rechtsprechung greift der geplanten Gesetzesreform durch das Unterhaltsänderungsgesetz vor und rundet den mit der Neubewertung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die Surrogatslösung bei Haushaltsführung in der Ehe eingeschlagenen Weg ab.
Entgegen einem Teil der bisherigen Rechtsprechung dürfte künftig nicht mehr danach zu differenzieren sein, ob der Unterhaltsgläubiger minderjährige Kinder betreut. Erst recht sind den Ansprüchen auf Trennungs- und nachehelichem Unterhalt keine unterschiedlichen Selbstbehaltssätze entgegenzusetzen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 15.03.2006, XII ZR 30/04