Leitsatz
Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er der Festsetzung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines Teils eines Gebäudes, das der Steuerpflichtige in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet hat, auf einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes, der sich nach dem gem. Art. 20 dieser RL vorgesehenen Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge bestimmt, nicht entgegensteht.
Diese Besteuerungsgrundlage muss die Kosten des Erwerbs des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet ist, enthalten, sofern dieser Erwerb der Mehrwertsteuer unterworfen war und der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug erhalten hat.
Normenkette
Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c, Art. 20 der 6. EG-RL (vgl. § 3 Abs. 9a, § 10 Abs. 4 Nr. 2, § 15a UStG)
Sachverhalt
Die Hausgemeinschaft Wollny (W) ordnete das Wohnhaus mit Steuerkanzlei voll dem Unternehmen zu und machte den Vorsteuerabzug geltend. Als Besteuerungsgrundlage für die private Nutzung setzte sie die anteilige AfA von 2 %, das FA 10 % der Herstellungskosten, an.
Entscheidung
Der EuGH entschied wie im Leitsatz wiedergegeben. Ob sich die volle Zuordnung zum Unternehmen lohnt, ist daher genau zu prüfen.
Hinweis
Ob – (neben den laufenden Aufwendungen) – Bemessungsgrundlage für den "Eigenverbrauch" für die privat genutzte Wohnung in einem dem Unternehmen insgesamt zugeordneten Gebäude die AfA und/oder – wegen des 10-jährigen Berichtigungszeitraums – der Anteil der Anschaffungs- und Herstellungskosten, die zum Mehrwertsteuerabzug berechtigt haben, anzusetzen ist, war streitig. Das FG München hatte die Frage dem EuGH vorgelegt.
Nach der Logik des Systems der Mehrwertsteuer ist der Vorsteuerabzug an die Erhebung der Steuern auf der folgenden Stufe geknüpft. Wird ein Investitionsgut sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet, kann der Unternehmer es ganz oder gar nicht oder teilweise dem Unternehmen zuordnen – mit entsprechenden Folgen für die USt. Bei vollständiger Zuordnung gilt die private Verwendung als besteuerter Umsatz und wird auf der Grundlage des "Betrags der Ausgaben für die Erbringung der Dienstleistung" besteuert. In der allgemeinen Bedeutung des Begriffs (insoweit ein Richtlinienbegriff, den der EuGH auslegt) sind das Ausgaben, die mit dem Gegenstand selbst verknüpft sind. Er umfasst Ausgaben wie die Aufwendungen für den Erwerb oder die Herstellung des Gegenstands, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben und ohne die die fragliche private Nutzung nicht möglich gewesen wäre (Rd.Nr. 27).
Die Mitgliedstaaten verfügen hinsichtlich der Angaben, die für eine einheitliche und präzise Bestimmung der Grundsätze für die Ermittlung des betreffenden Ausgabenbetrags erforderlich sind, über einen gewissen Ermessenspielraum, vorausgesetzt, sie verkennen nicht den Sinn und Zweck der fraglichen Vorschrift und ihre Stellung im Gefüge der 6. EG-RL. Es soll
- die Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen mit dem Endverbraucher gewährleistet werden, indem verhindert wird, dass der Steuerpflichtige einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber dem Endverbraucher genießt, der einen Gegenstand kauft und dafür Mehrwertsteuer entrichtet,
- und der Zusammenhang zwischen Vorsteuerabzug und Erhebung der Mehrwertsteuer sichergestellt werden. Denn sowohl Art. 6 Abs. 2 (vgl.§ 3 Abs. 9a UStG) als auch Art. 20 der 6. EG-RL (vgl. § 15a UStG) beziehen sich auf Fälle, in denen ein Gegenstand zugleich für betriebliche und für private Zwecke genutzt wird, und sollen ungerechtfertigte Vorteile durch den Vorsteuerabzug verhindert werden.
Durch die Gleichstellung des Zeitraums, über den sich die Erhebung der Mehrwertsteuer auf die private Nutzung des in Rede stehenden Gebäudes erstreckt, mit dem Berichtigungszeitraum wird sichergestellt, dass vor einer etwaigen steuerfreien Wiederveräußerung des Gebäudes, die nach Ablauf dieses Zeitraums erfolgt, der gesamte dem Vorsteuerabzug entsprechende Mehrwertsteuerbetrag für diese Nutzung erhoben wird.
Deshalb ist die nationale Regelung in § 10 Abs. 4 mit der 6. EG-RL vereinbar.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 14.09.2006, Rs. C-72/05 – Hausgemeinschaft Wollny –