1 Leitsatz
Die Prostitutionsausübung in einer zu Wohnzwecken genutzten Wohnungseigentumsanlage stellt einen nicht hinzunehmenden Nachteil für die anderen Wohnungseigentümer und Bewohner dar.
2 Normenkette
§ 14 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentumsanlage mit 45 Wohnungseigentumsrechten und 11 Teileigentumsrechten befindet sich in Bahnhofsnähe. Nach der Gemeinschaftsordnung ist in der Wohnungseigentumsanlage die Benutzung der Wohnungseigentumsrechte nur zu Wohnzwecken gestattet. Ihre Benutzung zum Zwecke der Ausübung eines Gewerbes darf allerdings mit schriftlicher Zustimmung des Verwalters erfolgen. Diese Zustimmung darf der Verwalter nur aus wichtigem Grund verweigern. Wohnungseigentümer K geht vor diesem Hintergrund gegen Wohnungseigentümer B vor. Dieser ist Eigentümer von 2 Wohnungseigentumsrechten. In einer der beiden ihm gehörenden Wohnungen, einer 3-Zimmer-Wohnung, wird der Wohnungsprostitution nachgegangen. Diese wird im Internet beworben. Hierbei wird auch das konkrete Appartement angegeben. Eine Zustimmung des Verwalters zur Prostitutionsausübung liegt nicht vor. Das AG gibt der Unterlassungsklage statt. Hiergegen legte B Berufung ein. Es handele sich um eine "diskrete" Prostitutionsausübung, die in Bahnhofsnähe zulässig sei.
4 Die Entscheidung
Das LG Koblenz sieht die Rechtslage wie das AG! Zwar könne jeder Wohnungseigentümer nach § 13 Abs. 1 WEG mit der in seinem Sondereigentum stehenden Wohnung nach Belieben verfahren. Dieser Möglichkeit sei allerdings durch § 14 WEG a. F. eine Grenze gesetzt. Nach dieser Vorschrift sei jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von seinem Sondereigentum nur so Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das beim Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil entstehe. Ein solcher Nachteil liege bei der Nutzung des Sondereigentums eines Wohnungseigentums für die Ausübung der Prostitution vor. Auch sei der Verwalter nicht verpflichtet, eine Zustimmung zur Nutzung zu erteilen. Ein wichtiger Grund zur Verweigerung der Zustimmung liege vor, da die Ausübung der Prostitution eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Hausbewohner befürchten lasse. Es handele sich um eine offen im Internet mit ausdrücklicher Nennung der Adresse beworbene Prostitutionsausübung. Diese sei nicht als diskret einzustufen. Vielmehr sei der spärliche Bekleidungsstil der Prostituierten und deren Verhalten wie auch der regelmäßige Verkehr von wechselnden Freiern in der Wohnungseigentumsanlage offen sichtbar. Außerdem berichteten Zeugen, dass schon im Haus befindliche Freier bei ihnen an der Wohnungstür klopften und nach den Prostituierten fragten. Dies sei eine Belastung für die Hausgemeinschaft, schade dem Ansehen der Wohnungseigentumsanlage, mindere daher den Wert der Wohnungseigentumsrechte und erschwere deren Vermietung.
Hinweis
Ob der Gebrauch eines Wohnungs- oder Teileigentums zu Zwecken der Prostitution ein Nachteil für die anderen Wohnungseigentümer bedeutet und daher zu unterlassen ist, ist nicht immer ganz sicher. Kleiner Überblick über die letzten 20 Jahre:
- BayObLG, Beschluss v. 22.4.1994, 2Z BR 19/94 (Fall: ein als "Sauna" gewidmetes Teileigentum wird als "Pärchentreff" bzw. "Swinger-Club" genutzt/gebraucht): Der Gebrauch ist zu unterlassen. Besucher der Sauna haben die Möglichkeit, sich paarweise in die "Ruheräume" zurückzuziehen, die mit Polstergarnituren ausgestattet sind. Damit wird in der Sauna sexuellen Handlungen auch zwischen Personen, die sich bisher noch nicht gekannt haben oder die mit anderen Personen verheiratet sind, Vorschub geleistet. Zwar ist die Kuppelei nicht mehr strafbar. Die gewohnheitsmäßige oder aus Eigennutz betriebene Kuppelei ist aber nach wie vor mit einem sozialen Unwerturteil behaftet. Eine Sauna dieser Art bringt besondere Belästigungen und Störungen mit sich, wie Lärmbelästigungen mitten in der Nacht, anzügliche Schmierereien an den Hauswänden und das Auftreten Neugieriger. Solche Erscheinungen sind mit dem Betrieb einer "normalen Sauna" nicht verbunden.
- KG, Beschluss v. 16.2.2000, 24 W 3925/98 (Fall: Ein Teileigentümer vermietet sein Teileigentum zum "Verkauf und Verleih von Videokassetten, Magazinen und Waren aus dem ehehygienischen Bereich, sowie der Vorführung von Videos in Münzkabinen". Entsprechend diesem Bestimmungszweck werden die Räume täglich bis 24 Uhr und auch sonntags genutzt. Die durch geschlossene Vertikal-Jalousien vor Einblicken von außen geschützten Schaufensterscheiben sind mit als Neonröhren ausgestalteten Schriftzügen mit den Aufschriften "Erotik-Shop", "Video-Movie", "64 Programme, Video-Kabinen" versehen. Ferner befindet sich in der Nähe der Eingangstür ein Ladenschild mit der ebenfalls in Neon-Röhren gehaltenen Aufschrift "Go up, Shop, Video-Kabinen" sowie die beleuchtete Silhouette eines roten Mundes): Der Gebrauch ist zu unterlassen. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 14 Nr. 1 WEG a.F. erlaubt dem Teileigentümer oder dessen Mieter in Gewerberäumen allenfalls den Betrieb eines ladenmäßigen Erotik-Fachgeschäfts mit Videothek im Rahmen der gew...