Leitsatz
Wenn ein Berater am Telefon lediglich konkrete Fragen beantwortet, ohne dabei auf alle rechtlich oder fachliche relevanten Aspekte ausdrücklich hinzuweisen, kann dies haftungsrechtliche Folgen für ihn haben.
Sachverhalt
Ein Steuerberater hatte ein Ehepaar seit 1995 als Mandanten. Letztere hatten in 1995 eine Eigentumswohnung für 560000 DM erworben und ab Fertigstellung in 1996 vermietet. Der Steuerberater erledigte in den Folgejahren im Rahmen der Einkommensteuererklärung auch die Berechnung der Einkünfte aus Vermietung.
Im Februar 2003 rief der Ehemann in der Kanzlei des Steuerberaters an und teilte mit, dass er mit seiner Frau beabsichtige, die Wohnung fast zum Einstandspreis zu verkaufen. Er fragte den Steuerberater, ob er etwas über die Immobilienmarktentwicklung sagen könne und, ob er sich "wegen der anstehenden Gesetzesänderung" mit dem Verkauf beeilen müsse. Der Steuerberater vertrat die Auffassung, dass der Verkauf einer vermieteten Wohnung fast zum Einstandspreis günstig sei und dass die Lage für seinen Mandanten nach neuem künftigem Steuerrecht nicht nachteiliger sein werde und deshalb keine Eile geboten sei. Im Juni 2003 verkaufte das Ehepaar die Wohnung zum Preis von 293000 EUR.
Pech für den Steuerberater: Er hatte seine Mandanten nicht darauf aufmerksam gemacht, dass bei einem Verkauf innerhalb von 10 Jahren – Spekulationsfrist gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG – die im Rahmen der Vermietung erfolgten Abschreibungsbeträge den Einstandspreis mindern und somit ein Veräußerungsgewinn anfallen würde. Die Mandanten machten im Jahr 2003 im Rahmen einer Feststellungsklage Schadensersatz gegen den Steuerberater geltend und gaben den Schaden mit 48 % des zu versteuernden Veräußerungsgewinnes von 79546 EUR an.
Der BGH sprach den Steuerpflichtigen im Rahmen der Feststellungsklage dem Grunde nach den Schadensersatzanspruch zu mit folgender Begründung:
- Die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit für die Mandanten sprechen gegen eine reine Gefälligkeit, zumal bereits eine jahrelange Vertragsbeziehung bestand.
- Der Umstand, dass der Steuerberater kein Honorar für seine Auskunft verlangt hat, ist irrelevant.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist der stillschweigende Abschluss eines Auskunftsvertrags und damit vertragliche Haftung des Auskunftsgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft regelmäßig anzunehmen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will und der Auskunftsgeber die erforderliche Sachkunde hat.
Hinweis
Telefonische Rechts- oder Steuerberatung sollte, angesichts der immer schärferen Rechtsprechung der Gerichte zur Haftung, besser die Ausnahme bleiben und sich lediglich auf allgemeine – nicht sachverhaltsbezogene – Fragen beschränken.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 18.12.2008, IX ZR 12/05.