Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 45 Abs. 1 WEG, § 48 Abs. 2 WEG, § 28 Abs. 2 FGG
Kommentar
Das OLG Düsseldorf ist der Auffassung, dass bei der Bemessung der Rechtsmittelsumme nach § 45 Abs. 1 WEG nicht allein auf das Interesse des Beschwerdeführers abzustellen ist, sondern auch hier die Interessen der übrigen Beteiligten an der Entscheidung mit zu berücksichtigen sind; wegen Abweichung von den Entscheidungen des OLG Hamm (OLGZ 1971, 491) und des BayObLG (BayObLGZ 1990, 141) war deshalb die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.
Im vorliegenden Fall ging es um eine Beschlussanfechtung, d. h. um die Erhöhung einer Instandhaltungsrücklage in einem Wirtschaftsplan, die vom Antragsteller als zu hoch und nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend angesehen wurde. Mit der Begründung, dass die Beschwer des Antragstellers den Betrag von DM 1.200,- nicht übersteige, wurde die sofortige Beschwerde vom Landgericht als unzulässig verworfen, hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt, die durch das OLG Düsseldorf zur Vorlage an den BGH führte.
Nach Meinung des Senats sei für die Bemessung des Beschwerdegegenstandswerts nach § 45 Abs. 1 WEG nicht allein auf das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers abzustellen; vielmehr seien bei der Bemessung der Rechtsmittelsumme auch die Interessen der übrigen Beteiligten mit zu berücksichtigen, wie dies bei der Festsetzung des Geschäftswerts nach § 48 Abs. 2 WEG geregelt sei, sodass jedenfalls in der Regel der Geschäftswert und der Wert des Beschwerdegegenstandes im Rechtsmittelverfahren identisch seien. Die Regelung des § 48 Abs. 2 WEG zum Geschäftswert trage dem Umstand Rechnung, dass in einer Vielzahl der WEG-Verfahren und insbesondere bei Beschlussanfechtungen nicht nur über die Rechte und Pflichten einzelner Eigentümer gegenüber der Gemeinschaft entschieden werde, sondern gleichzeitig eine Entscheidung getroffen werde, auch wenn sie nur von einem Eigentümer herbeigeführt werde, die für alle Miteigentümer bindend und deshalb mit wirtschaftlichen Konsequenzen für die gesamte Eigentümergemeinschaft verbunden sei, die weit über das Interesse des einzelnen, das Verfahren betreibenden Wohnungseigentümers hinausgingen.
Diese Erwägung beanspruche aber in gleichem Maße Geltung, wenn es - wie hier - um die Frage gehe, ob die Rechtsmittelsumme erreicht sei. Die gesetzliche Festlegung einer Rechtsmittelsumme diene dem alleinigen Zweck, Bagatellverfahren von den Rechtsmittelgerichten fernzuhalten. Dies sei zwar zu beachten, dürfe allerdings nicht dazu führen, Verfahren, die zwar für den konkreten Beschwerdeführer von untergeordneter Bedeutung seien, für die übrigen Beteiligten wegen der Rechtskraftwirkung jedoch erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen hätten, solchen Bagatellverfahren zuzuordnen. Was im Aktienrecht anerkannt sei, müsse auch für das Wohnungseigentumsverfahren gelten. Andernfalls würde nach Anhebung der Rechtsmittelsumme auf DM 1.200,- durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz vom 17. 12. 1990 in vielen Fällen die Klärung von Fragen durch die Rechtsmittelgerichte scheitern, obwohl erhebliche wirtschaftliche Belange der Gemeinschaft betroffen seien.
Zu berücksichtigen sei auch, dass der Gesetzgeber selbst bei Anhebung der Beschwerdesumme davon ausgegangen sei, dass die Grundsätze des § 48 Abs. 2 WEG auch bei der Ermittlung der Beschwer Anwendung fänden (vgl. hierzu Begründung des Bundesrats zum Rechtspflegevereinfachungsgesetz BT-Drucksache 11/4155, S. 16); zwar habe die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme hierzu (S. 24) gewarnt, dass diese Auffassung nicht der herrschenden Meinung entspreche; diese Warnung habe jedoch im weiteren Gesetzgebungsverfahren keine Beachtung gefunden.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.03.1992, 3 Wx 29/92; Vorlage zum BGH)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Diese Entscheidung des OLG-Senats in Widerspruch zur augenblicklich herrschenden Meinung erscheint überzeugend, auch wenn gesetzestechnisch in § 45 Abs. 1 WEG vom "Gegenstandswert einer Beschwerde" gesprochen wird und in § 48 Abs. 2 WEG vom "Geschäftswert nach dem Interesse der Beteiligten . . .".
Zur Zeit ist leider ohnehin festzustellen, dass Untergerichte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung Verfahrensgeschäftswerte sehr niedrig ansetzen und nicht selten allein auf Einzelinteressen eines Antragstellers abstellen (insbesondere bei Abrechnungspositionsanfechtungen), vielleicht auch mit dem Hintergedanken, insoweit den Rechtsmittelweg abzuschneiden. Bedacht wird dabei nicht, dass gerade viele Einzelabrechnungskorrekturen (z. B. bei falscher Kostenverteilung auch nur einzelner Positionen) rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen auch auf andere Einzelabrechnungen, d. h. das gesamte Abrechnungspaket erzeugen (kommunizierende Wirkung zwischen Gesamtabrechnung und allen Einzelabrechnungen untereinander); Kosten für neuerliche Abrechnungserstellung und Beschlussfassung werden in solchen Verfahren oft geschäftswertmäßig überh...