LfSt Bayern v. 19.2.2010, S 1366.1.1 - 3/10 St 32
Mit Urteil vom 15.5.2008 hat der EuGH in der Rechtssache C-414/06 „Lidl Belgium” (BStBl 2009 II S. 692) Folgendes entschieden:
„Art. 43 EG steht dem nicht entgegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft von ihrer Steuerbemessungsgrundlage nicht die Verluste einer Betriebsstätte abziehen kann, die ihr gehört und in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, sofern nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Einkünfte dieser Betriebsstätte im letztgenannten Mitgliedstaat besteuert werden, in dem Verluste bei der Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt werden können.”
Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Klarstellung der Wirkungen dieser Entscheidung hinsichtlich der Berücksichtigung von ausländischen Verlusten aus Betriebsstätten Folgendes:
A. Grundsätze
I. Betriebsstättenverluste im Sinne dieses Schreibens
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Betriebsstättenverluste im Sinne dieses Schreibens sind Verluste, die in einer in einem anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen (inländisches Unternehmen) entstanden sind und die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und dem ausländischen Staat, in dem die Betriebsstätte belegen ist (Betriebsstättenstaat), von der deutschen Besteuerung auszunehmen sind (Freistellung). |
II. Verlustabzug im Betriebsstättenstaat
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Betriebsstättenverluste sind grundsätzlich vom Betriebsstättenstaat zu berücksichtigen. Sie können dort z.B. mit anderen Einkünften verrechnet oder in frühere oder künftige Veranlagungszeiträume zurück- oder vorgetragen werden (Verlustrücktrag bzw. Verlustvortrag). Es ist insoweit allein auf die Möglichkeit der Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat abzustellen. Unerheblich ist, ob sich die Betriebsstättenverluste tatsächlich im Rahmen einer Veranlagung auswirken oder ob aufgrund einer zeitlichen Begrenzung Verlustüberhänge verbleiben (vgl. insoweit auch EuGH-Urteil vom 23.10.2008, Rs. C-157/07 „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH”, Rn. 48 ff., BStBl 2009 II S. 566). |
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Der EuGH hat in seiner Entscheidung „Lidl Belgium” keine Aussagen darüber getroffen, ob und unter welchen weiteren Voraussetzungen Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte beim inländischen Unternehmen zu berücksichtigen sind. Dies war nicht erforderlich, weil im entschiedenen Fall die Betriebsstättenverluste im Betriebsstättenstaat berücksichtigt werden konnten. |
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Der EuGH urteilt jedoch in ständiger Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten mangels gemeinschaftlicher Harmonisierungsmaßnahmen im Bereich der Ertragsteuem für die Festlegung der Einkommensbesteuerungskriterien zuständig bleiben; diese Zuständigkeit beinhalte auch, dass ein Staat für die Zwecke seines eigenen Steuerrechts nicht verpflichtet sein könne, die evtl. ungünstigen Auswirkungen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen, die auf eine Betriebsstätte anwendbar ist, die in diesem Staat belegen ist und die zu einer im ersten Staat ansässigen Gesellschaft gehört (vgl. Urteile vom 18.7.2007, Rs. C-231/05 „Oy AA”, Rn. 52; vom 6.12.2007, Rs. C-298/05 „Columbus Container Services”, Rn. 51; vom 28.2.2008, Rs. C-293/06 „Deutsche Shell”, Rn. 42). |
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Die Niederlassungsfreiheit kann nach dieser Rechtsprechung nicht dahin verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet wäre, seine Steuervorschriften auf die Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, die sich aus den nationalen Steuerregelungen ergibt, beseitigt (EuGH-Urteil vom 23.10.2008, Rs. C-157/07 „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH”, Rn. 50). Aus dieser EuGH-Rechtsprechung folgt, dass Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte beim inländischen Unternehmen auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat nach dessen Steuerrecht zeitlich begrenzt ist und es infolgedessen zu einem endgültigen Verfall von Verlusten im Betriebsstättenstaat kommt. Auch in diesem Fall ist ein Verlustabzug im Inland zu versagen, weil Deutschland nicht verpflichtet ist, die für den Steuerpflichtigen ungünstige Regelung im Betriebsstättenstaat durch die Gewährung eines Verlustabzugs beim inländischen Unternehmen auszugleichen. |
B. Besondere Fallgestaltungen
I. Aufgabe bzw. Veräußerung der ausländischen Betriebsstätte
Die Aufgabe einer ausländischen Betriebsstätte bzw. die Veräußerung des Betriebsstättenvermögens führt für sich genommen nicht dazu, dass vom Betriebsstättenstaat noch nicht berücksichtigte Betriebsstättenverluste beim inländischen Unternehmen zu berücksichtigen sind. Es ist davon auszugehen, dass solche Betriebsstättenverluste weiterhin im Betriebsstättenstaat berücksichtigt werden können, da es dem Steuerpflichtigen möglich is...