Leitsatz
Eine Berufsgenossenschaft kann wegen der von ihr erbrachten Leistungen beim Rückgriff nach § 110 SGB VII grundsätzlich auch den fiktiven Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten geltend machen. Sie kann diese Forderung auch gegenüber dem nach § 104 ff. SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger geltend machen.
Sachverhalt
Ein in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherter stürzte im Betrieb aus beträchtlicher Höhe ab und verletzte sich schwer. Aus Anlass dieses Unfalls erbrachte die Berufsgenossenschaft Leistungen in Höhe von 32 687 EUR. Davon ersetzte der Betrieb bzw. dessen Haftpflichtversicherer 15 000 EUR. Die Parteien waren sich einig, dass von einem Anspruch nach § 110 SGB VII wegen grober Fahrlässigkeit seitens des Betriebs sowie von einer 50 %igen Mitschuld des Versicherten auszugehen war. Umstritten war jedoch, ob die Berufsgenossenschaft wegen der von ihr erbrachten Leistungen Anspruch auf den fiktiven Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten in Höhe von 15 000 EUR gegenüber dem Betrieb hat.
Das Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII dient, so der BGH, mehreren Zwecken. Einerseits soll das Haftungsrisiko der Unternehmer gemeinschaftlich getragen werden und somit für den jeweils betroffenen Unternehmer kalkulierbar werden. Hierbei soll die mit Beiträgen der Unternehmer finanzierte, verschuldensunabhängige Unfallfürsorge die zivilrechtliche, auf Verschulden gestützte Haftung der Unternehmer ablösen. Außerdem dient das Haftungsprivileg der Sicherung des Betriebsfriedens im Unternehmen, d. h. zwischen dem Unternehmer und dessen Beschäftigten sowie den Beschäftigten untereinander. Zur Entlastung der einer Berufsgenossenschaft angehörenden Unternehmen hat der Gesetzgeber den Sozialversicherungsträgern einen Rückgriffsanspruch eingeräumt.
Insbesondere wenn der verantwortliche Schädiger (Unternehmer oder auch ein Mitarbeiter) die eingetretenen Schäden durch besonders zu missbilligendes Verhalten herbeigeführt hat, sollen die Berufsgenossenschaften Aufwendungen zu Lasten des Schädigers geltend machen können. Dabei sind neben dem Ausgleichsgedanken auch präventive und erzieherische Gründe zu berücksichtigen. Nach Auffassung des BGH ist es daher von der Sache her konsequent, den Schmerzensgeldanspruch in die Ermittlung des fiktiven Schadensersatzanspruchs einzubeziehen. Nur dies wird dem Anliegen des Gesetzgebers gerecht, den Schädiger im Falle des Regresses so zu stellen, wie er ohne die Haftungsprivilegierung wegen des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten stehen würde.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 27.6.2006, VI ZR 143/05.