Leitsatz
Steuerberater müssen ihre Mandanten auf die Möglichkeit hinweisen, gegen einen Gewerbsteuermessbescheid mit dem Argument vorgehen, dass sie Freiberufler sind, aber gleichzeitig die Einkommensteuerfestsetzung anzufechten, mit dem Hinweis auf die Bildung von Rückstellungen wegen der Gewerbsteuer. Versäumt der Steuerberater sie entsprechend zu beraten, kann er sich wegen Verletzung des Beratungsvertrags schadensersatzpflichtig machen.
Sachverhalt
Im Urteilsfall war der Mandant selbständig als Personalvermittler für Führungskräfte tätig. Das Finanzamt behandelte die Einkünfte aus der Führungskräftevermittlung zunächst nach § 18 EStG als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Nach einer Betriebsprüfung gelangte es jedoch zum Ergebnis, dass die Einkünfte aus den Jahren 1990 bis 1993 als solche aus Gewerbebetrieb einzustufen seien, und setzte entsprechende Gewerbesteuermessbeträge fest. Die hiergegen vom Mandanten eingelegten Rechtsbehelfe hatten keinen Erfolg.
Der Mandant klagte auf Feststellung, dass seine Steuerberaterin für den ihm durch fehlerhafte Beratung entstandenen Schaden haftet. Sie habe die vom Finanzamt geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1993 nicht angefochten. Mit einer Anfechtung wäre, durch die Bildung von Gewerbesteuerrückstellungen, die Herabsetzung der Einkommensteuerlast erreichbar gewesen. Das Berufungsgericht hielt ihm entgegen, dass er sich nicht einerseits auf Freiberuflichkeit stützen und andererseits geltend machen könne, er habe als Gewerbetreibender Rückstellungen bilden dürfe. Der BGH sah dies anders und gab der Klage statt.
Die Steuerberaterin sei zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dadurch entstanden sei, dass die Einkommensteuerbescheide für den Veranlagungszeitraum von 1990 bis 1993 nicht angefochten wurden. Grund: Steuerberater sind verpflichtet, ihre Mandanten umfassend und ungefragt über alle relevanten steuerlichen Einzelheiten zu beraten. Daher musste die Beklagte den Mandanten auch dahingehend beraten, gegen die betreffenden Bescheide Einspruch einzulegen. Hätte er dies getan, hätte die Berücksichtigung von Gewerbesteuerrückstellungen in der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG unstreitig zu einer Verringerung des zu versteuernden Einkommens und damit der Einkommensteuerlast geführt.
Die Klage ist auch nicht deswegen unbegründet, weil der Kläger sich nicht einerseits auf seine Freiberuflichkeit stützen und andererseits geltend machen durfte, dass er als Gewerbetreibender Rückstellungen habe bilden können. Nach § 347 Abs.1 Nr.1 AO kann der Steuerpflichtige sowohl gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide als auch gegen die Gewerbesteuermessbescheide Einspruch einlegen, es handelt sich dabei um zwei selbständige Verfahren. Das Finanzamt ist in seiner Beurteilung in dem einen Verfahren nicht an diejenige in dem anderen Verfahren gebunden. Die Einkommensteuerveranlagung ist daher nicht bindend für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und umgekehrt.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 23.3.2006, IX ZR 140/03.