Arbeitsrechtliche Grundsätze
Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, d.h. die im Arbeitsvertrag vereinbarte Beschäftigung zu verrichten. Rechtsgrundlagen dafür sind §§ 611a, 613 und 242 BGB, Art. 1, 2 GG sowie die Regelungen im Arbeitsvertrag (vgl. BAG, Urteil v. 27.2.1985, GS 1/84, NJW 1985, 2968). Der Beschäftigungsanspruch ist insbesondere dann relevant, wenn eine – rechtswidrige – Versetzung des Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsort oder ihm eine arbeitsvertraglich nicht vereinbarte Beschäftigung übertragen wurde.
Der Beschäftigungsanspruch kann bei einem unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich zwischen den Vertragsparteien abbedungen werden.
Ausnahmsweise kann eine Beschäftigung durch den Arbeitgeber im Wege der Einrede verweigert werden, wenn ein besonders schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung besteht. Dann ist jedoch vom Arbeitgeber nach § 615 BGB das vereinbarte Entgelt gleichwohl zu zahlen. Ein solches Interesse des Arbeitgebers besteht z.B. im Rahmen einer Freistellung des Arbeitnehmers bis zur fristgerechten Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche Kündigung, bei Auftragsmangel oder wenn schädliche Einflüsse des Arbeitnehmers auf andere Arbeitnehmer oder das Arbeitsergebnis zu befürchten sind.
Der Umfang des Beschäftigungsanspruchs ergibt sich regelmäßig aus dem Arbeitsvertrag selbst. Dort ist der Tätigkeitsbereich sowohl in geografischer als auch in sachlicher Hinsicht geregelt. Die Abänderung dieser vertraglichen Vereinbarungen kann entweder durch ein – beschränktes – einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitnehmers oder im Wege einer Änderungskündigung durch den Arbeitgeber erfolgen, die ggf. sozial gerechtfertigt sein muss.
Grundsätzlich besteht bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers (BAG, Urteil v. 27.2.1985, GS 1/84, NJW 1985, 2968). Eine Freistellung des Arbeitnehmers von der Beschäftigung ist nur bei überwiegendem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers daran zulässig, z.B. während des Kündigungsschutzprozesses, jedoch mit den Folgen der Entgeltfortzahlung nach § 615 BGB.
Die Pflicht des Arbeitgebers zur Beschäftigung geht im Falle einer Kündigung grundsätzlich nicht über den Zeitpunkt hinaus, zu dem die Kündigung – um deren Wirksamkeit gestritten wird – wirken würde. Das gilt auch bei Streitigkeiten um die Wirksamkeit einer Befristung oder einer auflösenden Bedingung. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung besteht allerdings in folgenden Fällen auch über diesen Zeitpunkt hinaus ein Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers:
- Die Kündigung ist offensichtlich unwirksam, rechtsmissbräuchlich oder willkürlich und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers stehen nicht entgegen. Ein Beschäftigungsanspruch besteht in diesem Fall bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, auch wenn eine tatsächliche Beschäftigung nicht erfolgt (BAG, Urteil v. 27.2.1985, GS 1/84, NJW 1985, 2968; BAG, NZA 1987, 809). Ist die Kündigung nicht offensichtlich unwirksam, besteht grundsätzlich keine Beschäftigungspflicht bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, es sei denn, es stehen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegen.
- Ferner besteht eine Beschäftigungspflicht über den Kündigungstermin hinaus ab dem Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung, wenn diese feststellt, dass die Kündigung unwirksam ist, es sei denn, es stehen ausnahmsweise schutzwürdige Interessen des Arbeitsgebers einer Beschäftigungspflicht entgegen.
- Unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG bzw. § 79 Abs. 2 PersVG, wenn demnach der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung form- und ordnungsgemäß widersprochen hat und der Arbeitnehmer eine arbeitsgerichtliche Klage auf Feststellung erhoben hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Dann besteht ein Anspruch auf Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits auch nach Ablauf der Kündigungsfrist.
Geltendmachung des Anspruchs
Der Anspruch auf Beschäftigung kann dadurch geltend gemacht werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft gegenüber dem Arbeitgeber nach §§ 293 ff. BGB anbietet. Das Angebot muss gegenüber dem Arbeitgeber am rechten Ort zur rechten Zeit erfolgen und zwar nach § 294 BGB durch Beginn der Arbeitsleistung. Ausnahmsweise genügt nach § 295 BGB auch ein wörtliches (mündliches oder schriftliches) Angebot des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber erklärt, dass er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annehmen wird.
Der Beschäftigungsanspruch kann grundsätzlich nur im Klagewege durchgesetzt werden, auch zugleich mit einer Kündigungsschutzklage (§ 260 ZPO; BAG, Urteil v. 27.02.1985, GS 1/84, NJW 1985, 2968) und ist vorläufig vollstreckbar. Eine Regelung im Wege einer einstweiligen Verfügung ist nur ausnahmsweise möglich (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.8.1993, 15 Sa 35/93, NZA 1995, 683). Die Zwangsvollstreckun...