Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 24 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG, § 242 BGB
Kommentar
Haben die Wohnungseigentümer eines neu errichteten Hauses vom Bauträger für Baumängel am Gemeinschaftseigentum (hier: Schallmängel) einen Abgeltungsbetrag erhalten und dann mit Mehrheit beschlossen, diesen Betrag an die Wohnungseigentümer anteilig auszuzahlen, so kann in Auslegung dieses Beschlussinhalts darin zugleich der Beschluss liegen, die Baumängel nicht zu beseitigen: In diesem Fall wird dem einzelnen Wohnungseigentümer die Möglichkeit genommen, von den übrigen Wohnungseigentümern über § 21 Abs. 4 WEG oder § 242 BGB die Beseitigung des Baumangels zu verlangen (trotz nach wie vor vorhandener Treppenhausschallmängel).
Der entsprechende Beschlusswortlaut war wie folgt protokolliert:
"Über die Verwendung des Restbetrages - DM 150.000,- - entwickelt sich eine lebhafte Diskussion. Der Verwalter gibt den Hinweis, dass im Ergebnis eine nachträgliche Minderung des Kaufpreises eintritt. Schließlich stellt Herr Dr. N. den Antrag, den eben gefassten Beschluss über die Erstattung der Umlage aufzuheben und den gesamten Bestand des Kontos nach Abzug der Rückführung von DM 25.000,- an die Wohnungseigentümer im Verhältnis ihrer Anteile auszuzahlen. Der Antrag wird einstimmig angenommen."
Der Senat teilte die Auslegung des Landgerichts, dass damit zugleich beschlossen sei, den Abfindungsbetrag nicht zur Beseitigung der Schallschutzmängel zu verwenden. Der Senat sei auch an diese Auslegung gebunden, weil es Sache des Tatrichters sei, Eigentümerbeschlüsse auszulegen. Der Beschluss sei auch nicht angefochten worden; Nichtigkeitsgründe seien i.Ü. nicht erkennbar.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 28.06.1989, BReg 2 Z 57/89= NJW-RR-19/1989, 1163)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Im Fall fristgemäßer Beschlussanfechtung wäre der Beschluss sicher aufzuheben gewesen, da es bei objektiv möglicher, nicht unzumutbarer Sanierungen des Gemeinschaftseigentums sicher primär ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen hätte, nachträglich schallverbessernde Maßnahmen im Rahmen ordnungsgemäßer erstmaliger Herstellung durchzuführen. Im vorliegenden Fall musste sich der Antragsteller ohne erfolgte Anfechtung dem mehrheitlichen (einstimmigen) Beschlusswillen beugen, d.h. mit einer Art anteiliger Kaufpreisminderung durch den Ausschüttungsbeschluss und entsprechender Abfindung zufrieden geben. Wie es zu dem zivilprozessualen Abfindungsvergleich kam, konnte in diesem Verfahren dahingestellt bleiben. Bei der Auslegung von Beschlüssen nach objektiven Auslegungskriterien durch die Tatsacheninstanzen besteht sicher ein weiter Ermessensspielraum, den ein Rechtsbeschwerdegericht nur bei Ermessensfehl- oder -missbrauch zu einer Korrektur veranlassen kann. Vorliegend könnte man sicher darüber diskutieren, ob der Beschlussinhalt tatsächlich und endgültig Eigentümern die Möglichkeit nehmen sollte, auf Dauer von anderen Eigentümern die Beseitigung von Baumängeln am Gemeinschaftseigentum verlangen zu können. Beschlüsse dieser Art können allerdings auch durch neuerliche Beschlussfassung korrigiert und geändert werden.