Leitsatz
Sanktionierungen von Verstößen gegen die Hausordnung entsprechen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Voraussetzungen für den Eintritt dieser Folge im Vorwege hinreichend bestimmt festgelegt sind (Benennung von konkreten Zuwiderhandlungen).
Das Problem
Wohnungseigentümer K geht gegen 2 Beschlüsse vor. Der zum Tagesordnungspunkt (TOP) 3 gefasste Beschluss lautet wie folgt:
Bei Verstößen gegen die Hausordnung erfolgt eine letzte Abmahnung gegen den entsprechenden Eigentümer mit Hinweis auf diesen Beschluss. Bei erneutem Verstoß wird ein Rechtsanwalt beauftragt, die Unterlassung gerichtlich durchzusetzen und zusätzlich eine Bußgeldfestsetzung in Höhe von 3.000 EUR zu erwirken. Die Verwaltung gibt den Hinweis, dass ein Verstoß gegen die Hausordnung der Verwaltung anzuzeigen ist, um eine Abmahnung veranlassen zu können.
K meint, der Beschluss widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, weil er als Generalermächtigung zu unbestimmt und deswegen unverhältnismäßig sei. Der Beschluss lasse keine Ausnahmen zu und knüpfe an keine konkrete Verletzung von Bestimmungen der Hausordnung bzw. Zuwiderhandlung an. Auch das Verfahren bei Verstößen gegen die Hausordnung sei unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft, da der Beschluss direkt nach der Abmahnung der Eigentümer durch den Verwalter die Erhebung einer gerichtlichen Unterlassungsklage und eine Bußgeldfestsetzung vorsehe. Der zu TOP 4 gefasste Beschluss lautet hingegen wie folgt:
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Zukünftig sollen stets 3 Vergleichsangebote eingeholt werden für Maßnahmen ab 2.000 EUR netto. Die jeweils zu beauftragende Firma soll dann ebenfalls über eine Beschlussfassung und nicht durch den Beirat benannt werden. |
Insoweit ist K der Auffassung, es könne nicht als überobligatorisch eingeschätzt werden, für Maßnahmen unter 2.000 EUR netto 3 Vergleichsangebote einzuholen. Im Übrigen sei anerkannt, dass eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf Verwalter und/oder Beirat nur dann zulässig sei, sofern die Versammlung die Eckpunkte für die Entscheidung den betreffenden Gremien vorgebe.
Die Entscheidung
- Die Anfechtungen haben Erfolg! Der Beschluss zu TOP 3 widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Die im Beschluss getroffenen Regelungen seien nicht hinreichend bestimmt. Sanktionierungen von Hausordnungsverstößen entsprächen nur ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Voraussetzungen für den Eintritt dieser Folge so hinreichend bestimmt seien, dass Willkür und Ungleichbehandlung ausgeschlossen seien (Hinweis auf Drabek, in Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl. 2010, § 21 Rn. 168). Hieran fehle es. Die Regelungen seien inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, weil sie lediglich eine allgemeingültige Sanktionierung von Verstößen ohne Benennung konkreter Zuwiderhandlungen vorsehen. Eine solche Regelung sei nicht hinreichend bestimmt, weil sie dem Wortlaut nach jegliche Verstöße gegen die Hausordnung umfasse. Der Regelungsgehalt des Beschlusses sei insoweit zu weitreichend.
- Auch der Beschluss zu TOP 4 widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Er leide bereits an einem formellen Fehler. Der Verwalter habe den Wohnungseigentümern mit der Ladung mitgeteilt, eine Beschlussfassung zu diesem TOP für nichtig zu halten und hierzu keinen Beschluss zu verkünden. Angesichts dessen hätten die Wohnungseigentümer nicht damit rechnen müssen, dass dennoch ein Beschluss gefasst wird. Die Wohnungseigentümer hätten auf die Ankündigung vertrauen dürfen.
Kommentar
Der Fall wirft neben dem "Dauerbrenner" Bestimmtheit eines Beschlusses die Frage auf, ob Wohnungseigentümer aus § 21 Abs. 7 WEG eine Beschlusskompetenz besitzen, Verstöße gegen eine Hausordnung durch Beschluss mit einem "Strafgeld" oder Ähnlichem zu sanktionieren. OLG Frankfurt a.M. v. 19.9.1978, 20 W 531/78, OLGZ 1979 S. 25 scheint das ebenso wie Drabek in Riecke/Schmid, WEG, 4. Aufl. 2015, § 21 Rn. 168, zu bejahen, ich selbst halte dies hingegen nicht für möglich (Elzer, in Beck'scher Online-Kommentar, WEG, 24. Edition, 1.7.2015, § 21 Rn. 2).
Was ist für den Verwalter wichtig?
Nimmt – wie im Fall – der Verwalter bereits mit der Ladung zur Versammlung dazu Stellung, ob er für einen Beschluss eine Beschlusskompetenz sieht oder den Beschluss aus anderen Gründen für anfechtbar oder nichtig hält, sollte er Zurückhaltung wahren und deutlich machen, dass es seine persönliche Ansicht ist. Im Übrigen dürfte es in der Tat "lästig" sein, auch für kleinere Erhaltungsmaßnahmen stets mehrere Angebote einzuholen. Es könnte daher vertretbar sein, bei kleinen Erhaltungsmaßnahmen nach Weisung der Wohnungseigentümer keine Angebote einzuholen. Da die Rechtsprechung sich insoweit aber noch nicht festgelegt hat, sollte eine Erhaltungsmaßnahme nur dann als "klein" angesehen werden, wenn es wirklich – bezogen auf die konkrete Wohnungseigentumsanlage – um sehr wenig Geld geht.
Link zur Entscheidung
LG Hamburg, Urteil vom 15.04.2015, 318 S 125/14