Leitsatz

  1. BGH: Beschluss der Eigentümer über die Entlastung des Verwalters widerspricht nicht stets Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung!
  2. Beschlussungültigkeit auf Anfechtung hin ist erst dann zu bestätigen, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf hiernach mögliche Ansprüche zu verzichten
  3. Die Entlastungswirkung erschöpft sich nicht in Anspruchsverzichten, sondern soll auch die Arbeit des Verwalters in der Vergangenheit billigen und ihm für die Zukunft Vertrauen bekunden
  4. Die Wirkung der Entlastung als negatives Schuldanerkenntnis (Nichtbestehen von Ansprüchen) ist allein Folge der - erforderlichen - Vertrauensgrundlage für die Zukunft
  5. Selbst ohne Verpflichtung zur Entlastungserteilung kann die Gemeinschaft ein vernünftiges und berechtigtes Interesse daran haben, freiwillig durch Entlastung weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwalter zu sichern
  6. Auch etwaige Unkenntnis der Eigentümer über die rechtliche Anspruchsverzichtswirkung als gesetzliche "Nebenfolge" rechtfertigt kein anderes Ergebnis
  7. Eine solche Verzichtswirkung ist i. Ü. auf solche Ansprüche beschränkt, die den Eigentümern bekannt oder für sie bei sorgfältiger Prüfung erkennbar sind/waren (bereits bisher unbestritten h.R.M.)
  8. Antragsgegner eines Beschlussanfechtungsverfahrens sind selbst bei Beschlussungültigkeitsfeststellung des Amtsgerichts grundsätzlich beschwerdeberechtigt (also auch in Fällen insoweit verneinter persönlicher Nachteile)
 

Normenkette

§§ 21 Abs. 4, 45 Abs. 1 WEG; § 20 Abs. 1 FGG

 

Kommentar

  1. In neuer Grundsatzentscheidung hat der BGH auf Vorlage des BayObLG v. 13.3.2003 (ZWE 2003, 195 = WuM 2003, 294 = NZM 2003, 487 = FGPrax 2003, 119) – Abweichung zu OLG Schleswig v. 23.1.2002 (ZMR 2002, 382) – gegen eine seit einigen Jahren im Vordringen befindliche Meinung (wohl begründet durch das AG Kerpen, ZMR 1998, 376 und Köhler, ZMR 1999, 293 und 2001, 865) und damit auch gegen die Auffassung des BayObLG entschieden und folgende Leitsätze herausgestellt:

    1. "Ein Eigentümerbeschluss, mit dem einem Verwalter Entlastung erteilt wird, steht nicht grundsätzlich im Widerspruch zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung, sondern erst dann, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten".
    2. "Die Wohnungseigentümer, die der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses im Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 entgegentreten, sind hinsichtlich einer gerichtlichen Entscheidung, mit der der Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt worden ist, auch dann zur Beschwerde bzw. Rechtsbeschwerde befugt, wenn sie durch die gerichtliche Entscheidung keine persönlichen Nachteile erleiden".
  2. Aus den Gründen (nicht wörtlich): Nicht jeder Verwalterentlastungsbeschluss widerspricht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung und zwar auch dann nicht, wenn der Verwalter gegen Entgelt gewerblich tätig ist und Eigentümer für Anspruchsverzichte keine Gegenleistung erhalten. Hat ein Geschäftsbesorger Rechnung zu legen, steht dieser Verpflichtung als Korrelat das Institut der Entlastung gegenüber. Mit einem Entlastungsbeschluss billigen die Wohnungseigentümer dessen zurückliegende Amtsführung und sprechen ihm auf diese Weise gleichzeitig für die künftige Verwaltertätigkeit ihr Vertrauen aus. Da der Entlastungsbeschluss typischerweise in der Annahme gefasst wird, dass Ansprüche gegen den Verwalter nicht bestehen, zielt er nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses; diese sind vielmehr lediglich Folge der geschilderten Vertrauenskundgabe. Ein Entlastungsbeschluss kann deshalb nicht allein auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses reduziert werden; Anspruchspräklusion kann deshalb auch nicht alleiniges Kriterium für die Prüfung einer ordnungsgemäßen Verwaltung sein. Der Verwalter hat insbesondere für eine ordnungsgemäße Verwaltung sowie Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu sorgen; seine persönliche und fachliche Qualifikation ist somit entscheidend für den Erhalt des Wertes der Wohnanlage; Eigentümer müssen ihm daher ein hohes Maß an persönlichem Vertrauen in dessen Redlichkeit, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft entgegenbringen. Umgekehrt ist der Verwalter für den Erfolg seiner Tätigkeit auf eine von solchem Vertrauen getragene Zusammenarbeit mit den Eigentümern angewiesen; damit stellt für die Eigentümer die Entlastung eine Möglichkeit dar, gegenüber dem Verwalter kundzutun, dass ihm das notwendige Vertrauen entgegengebracht wird (auch als Grundlage für weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft). Weder ist es danach Ziel der Entlastung, den in einem Dauerschuldverhältnis stehenden Verwalter schlicht "bei Laune zu halten" (so jedoch BayObLGZ 2003, 417, 420), noch kann seine Rechtssituation mit der Beauftragung eines Anwalts oder Handwerkers verglichen werden. Zwar besitzt der Verwalter keinen Anspruch auf Entlastung - f...

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