Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Keine nachteilige Beschlussfassung gegen den ausgeschiedenen Eigentümer (unzulässiger Gesamtakt zulasten Dritter)
Normenkette
§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG
Kommentar
1. Ein ausgeschiedener Wohnungseigentümer kann einen Beschluss nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG auch dann anfechten, wenn dieser zwar nach seinem Ausscheiden gefasst worden ist, der Beschluss jedoch Auswirkungen auf seine Rechtsposition hat (ebenso BayObLGZ 1986, 348, 350 = NJW-RR 87, 270, 271; Bärmann/Pick/Merle 7. Aufl. 1997, § 43 Rn. 90; Weitnauer/Hauger/Lüke, 8. Aufl. 1995, § 43 Rn. 29). Bei § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG handelt es sich nämlich um eine sachbezogene Zuständigkeitsregel; sie betrifft nicht Ansprüche gegen einzelne Eigentümer, sondern berührt die Gemeinschaft insgesamt, so dass insoweit auch die ausschließliche Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts besteht. Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis liegt aber nur dann für einen ausgeschiedenen anfechtenden Eigentümer vor, wenn dieser von dem Beschluss in seiner Rechtsposition betroffen ist (BayObLG, ZMR 83, 391, 393; auch OLG Köln, WM 92, 16; LG Frankfurt/M., NJW-RR 87, 596, 597).
Im Gegensatz zur erstbeschwerdegerichtlichen Entscheidung sieht der Senat im vorliegenden Fall eine solche Beeinträchtigung jedoch nicht als gegeben an.
2. Ein Beschluss über die Jahresabrechnung kann keine nachteiligen Auswirkungen auf einen ausgeschiedenen Wohnungseigentümer haben, da in ihr Verbindlichkeiten nur zulasten der bei der Beschlussfassung der Gemeinschaft angehörenden Personen begründet werden können. Zahlungsverpflichtungen beziehen sich deshalb allein auf diejenigen Eigentümer, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Mitglied der Gemeinschaft gewesen sind; nur diese können durch den jeweiligen Abrechnungsgenehmigungsbeschluss verpflichtet werden. Ein ausgeschiedener Miteigentümer kann durch einen nach seinem Ausscheiden gefassten Beschluss nicht mehr wirksam mit einer Verbindlichkeit belastet werden, da dies einen unzulässigen Gesamtakt zulasten unbeteiligter Dritter bedeuten würde (BGH, NJW 88, 1910, 1911; BGHZ 106, 34, 39).
Auseinandersetzungen über Zahlungsverpflichtungen zwischen Veräußerer und Rechtsnachfolger wären vor den Zivilgerichten auszutragen. Damit besteht auch keine Rechtsschutzlücke für einen ausgeschiedenen Eigentümer.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswertansatz für alle Rechtszüge von 58.000 DM.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.06.1997, 3 Wx 420/96)
Zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren
Anmerkung:
Dass ein bereits zum Beschlussfassungszeitpunkt ausgeschiedener Eigentümer - wenn auch nur bei zu bejahendem Rechtsschutzinteresse - berechtigt sein soll, Beschlüsse anzufechten, die nach seinem Ausscheiden gefasst wurden, erscheint mir aufgrund augenblicklicher Rechtslage nicht vertretbar. § 43 WEG ist zwar eine örtliche sowie sachlich-funktionelle Verfahrenszuständigkeitsregelung, behandelt allerdings daneben auch Antragsberechtigungen, die Beteiligtenstellung im WE-Verfahren und einige andere Verfahrensgrundsätze. In § 43 Abs. 1 Nr. 1-4 WEG ist nun u.a. wörtlich von Anträgen "eines Wohnungseigentümers" die Rede. Nach verfestigter BGH-Rechtsprechung treffen Rechte und Pflichten allein den Wohnungseigentümer, soweit dieser also noch als Eigentümer im Grundbuch vermerkt ist oder (als Rechtsnachfolger) bereits neuerlich eingetragen ist (abgesehen vom Institut des faktischen/werdenden Eigentümer in der Anfangsgemeinschaft nach Bauträgerteilung). Auch das Beschlussanfechtungsrecht nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG bezieht sich also auf den Eigentümer. Ist ein Eigentümer bereits vor dem Versammlungstermin und dem Zeitpunkt der Beschlussfassungen aus der Gemeinschaft ausgeschieden, hat er nach h.M. nach seinem Ausscheiden (seiner Ausbuchung im Grundbuch als Eigentümer) kein Stimmrecht und damit m.E. auch kein Anfechtungsrecht mehr. Ist er zum Beschlusszeitpunkt noch Eigentümer und auch noch während der Beschlussanfechtungsfrist, hat er selbstverständlich als Eigentümer noch das Anfechtungsrecht; bei Eigentumswechsel innerhalb des Zeitraumes der Beschlussanfechtungsfrist, kann u.U. auch in noch offener "Restfrist" ein Rechtsnachfolger anfechten, wie dies auch vor kurzer Zeit vom OLG Frankfurt bestätigend entschieden wurde. Wurde ein Beschluss allerdings nach Eigentumswechsel gefasst, hat m.E. allein der Rechtsnachfolger als neuer Eigentümer zum Beschlusszeitpunkt das Anfechtungsrecht, nicht mehr der ausgeschiedene Eigentümer. Welche Wirkungen ein solcher Beschluss für Veräußerer und/oder Erwerber entfaltet, kann m.E. nicht für die Frage der Anfechtungsberechtigung entscheidungserheblich sein; die Frage der Rechtswirkungen ist ohnehin nicht selten höchst umstritten. Bei positiver Auswirkung auf den ausgeschiedenen Eigentümer (Veräußerer) dürften ohnehin keine Probleme entstehen (Rechtsgeschäft zugunsten Dritter); bei nachteiliger Auswirkung eines Beschlusses auf den Voreigentümer handelt es sich zu Recht um unzulässige Rechtsgeschäfte zulasten Dritter mit Nichtigkeit...