Leitsatz

Die Wohnungseigentümer haben aus § 16 Abs. 3 WEG eine Beschlusskompetenz zur Übertragung der Kosten der Selbstbeteiligung einer Wohngebäudeversicherung auf einen Wohnungseigentümer für einen Leitungswasserschaden im Bereich seines Sondereigentums.

Der Beschluss, die Kosten der Selbstbeteiligung einer Wohngebäudeversicherung auf den Wohnungseigentümer zu überantworten, in dessen Sondereigentum ein Leitungswasserschaden aufgetreten ist, widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn dem Wohnungseigentümer keine Exkulpationsmöglichkeit vorbehalten bleibt, die Haftung mithin verschuldensunabhängig bei jeglicher Verursachung des Schadens im Bereich des Sondereigentums eingreift.

 

Normenkette

WEG § 16 Abs. 3

 

Das Problem

  1. Nach der Gemeinschaftsordnung gehören Leitungen für Kalt- und Warmwasser sowie Entwässerung vom Eintritt in das Sondereigentum an zum Sondereigentum. Ferner haftet der Sondereigentümer für Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum oder anderem Sondereigentum, die von den in seinem Sondereigentum stehenden Räumen ausgehen, bei eigenem oder fremdem Verschulden. Die Betriebskosten, u.a. auch Kosten für Versicherungen, werden nach Miteigentumsanteilen umgelegt. Änderungen der Gemeinschaftsordnung können mit 75 % der vorhandenen Stimmen beschlossen werden, sofern sachliche Gründe für eine beschlussweise Neuregelung vorliegen und dadurch keine unbillige Benachteiligung überstimmter Eigentümer eintritt.
  2. Es besteht eine Wohngebäudeversicherung, die sowohl das gemeinschaftliche Eigentum als auch das Sondereigentum umfasst. Die Selbstbeteiligung beträgt 2.000 EUR je Schadensfall. In den Jahren 2013 bis zur Versammlung vom 17. Mai 2017 treten insgesamt 10 Leitungswasserschäden auf, davon 3 im Jahr 2017. Auf der Versammlung beschließen die Wohnungseigentümer, dass die Kosten der Selbstbeteiligung der Wohngebäudeversicherung bei Wasserschäden im Bereich des Sondereigentums – und zwar für Schäden an Leitungen nach der ersten Absperrmöglichkeit – durch den Wohnungseigentümer zu tragen sind, in dessen Wohnung der Wasserschaden aufgetreten ist.
  3. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. K hält eine Beschlusskompetenz für nicht gegeben. Die Regelung benachteilige den einzelnen Wohnungseigentümer, da sie ihm verschuldensunabhängig die Kosten der Selbstbeteiligung auferlege, obwohl alle Wohnungseigentümer von den aufgrund der Selbstbeteiligung niedrigeren Versicherungsprämien profitierten.
 

Die Entscheidung

Die Klage hat Erfolg. Der Beschluss widerspreche den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Beschlusskompetenz

Der angefochtene Beschluss sei nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig. Vielmehr folge die Beschlusskompetenz aus § 16 Abs. 3 WEG. Die Prämien einer Wohngebäudeversicherung stellten Betriebskosten dar. Dies gelte auch für die Kosten der Selbstbeteiligung für jeden Schadensfall. Die Selbstbeteiligung sei Bestandteil der Versicherungsprämie, da die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe der Versicherungsprämie habe, mithin letztlich eine besondere Form der Prämienberechnung darstelle (Hinweis u.a. auf Dötsch, ZMR 2014, S. 169, 178). Die Beschlusskompetenz betreffend die Verteilung der Selbstbeteiligung im Schadensfall folge danach aus § 16 Abs. 3 WEG (Hinweis auf Dötsch, ZMR 2014, S. 169, 178, und anderer Ansicht Armbrüster in Bärmann, WEG, § 1 Rn. 253).

Ordnungsmäßigkeit

Die Überantwortung der Selbstbeteiligung auf den Wohnungseigentümer, in dessen Sondereigentum ein Wasserschaden aufgetreten sei, widerspreche jedoch den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

  1. Nach § 16 Abs. 3 WEG müsse die Änderung eines Umlageschlüssels für Betriebskosten ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Im Fall setze die Wirksamkeit des Beschlusses nach der Gemeinschaftsordnung zudem voraus, dass sachliche Gründe für die Beschlussfassung vorlägen und dadurch keine unbillige Benachteiligung überstimmter Eigentümer eintrete.
  2. Sachliche Gründe, mithin ein Bedürfnis für den angefochtenen Beschluss, lägen allerdings vor. Angesichts der hohen Anzahl von Wasserschäden in der Wohnungseigentumsanlage in den vergangenen 4 Jahren bestehe ein legitimes Interesse der Wohnungseigentümer, den Umgang mit künftigen Wasserschadensfällen eindeutig zu regeln. Dem stehe nicht entgegen, dass der Sondereigentümer für im Bereich seines Sondereigentums verursachte Schäden ohnehin haftet (Hinweis auf anderer Ansicht OLG Köln 14.7.2003, 16 Wx 124/03, NZM 2003 S. 641). § 14 Nr. 1 WEG begründe keinen allgemeinen Instandhaltungsanspruch der übrigen Wohnungseigentümer gegen den Sondereigentümer. Vielmehr bestehe eine Instandhaltungspflicht nur insoweit, als sie zur Abwendung von Nachteilen für die übrigen Wohnungseigentümer geboten sei (Hinweis u.a. auf Dötsch, ZMR 2014, S. 169, 178). Angesichts dessen bestehe namentlich keine Verpflichtung des Sondereigentümers, Installationsanlagen und Leitungen regelmäßig überprüfen zu lassen (Hinweis auf BayObLG 10.3.1994, 2Z BR 13/94, NJW-RR 1994 S. 718 und O...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge