Alexander C. Blankenstein
§ 21 Abs. 4 WEG berücksichtigt den Fall, dass ursprünglich einer Maßnahme der baulichen Veränderung nicht zustimmende Wohnungseigentümer, die zwar keine Kosten zu tragen hatten, aber die neue bauliche Einrichtung auch nicht nutzen durften, ihre Meinung ändern und nunmehr die Einrichtung doch nutzen wollen. Vorerwähnte Bestimmung verleiht ihnen insoweit einen Anspruch auf Gestattung nach billigem Ermessen gegen einen angemessenen Ausgleich.
Billiges Ermessen
Den Begriff "billiges Ermessen" erwähnt das WEG in § 18 Abs. 2. Hiernach kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung und Benutzung verlangen, die u. a. dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Die Wohnungseigentümer haben im Rahmen der Beschlussfassung in erster Linie einen Ermessensspielraum. "Billig" ist eine Verwaltungsmaßnahme dann, wenn sie die Umstände der konkreten Situation berücksichtigt und dem entspricht, was in vergleichbaren Fällen üblich ist. Billigkeitskriterien sind daneben
- die Wirtschaftlichkeit des Beschlussgegenstands,
- das Diskriminierungsverbot,
- der Gleichbehandlungsgrundsatz,
- die Treuepflicht und schließlich
- der Kernbereich des Wohnungseigentums.
Unter Beachtung dieser Kriterien darf kein Wohnungseigentümer gegenüber anderen Wohnungseigentümern benachteiligt werden. Insbesondere die Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wird in aller Regel dazu führen, dass auch Wohnungseigentümer, die sich nachträglich für eine Baumaßnahme entschieden haben, als Nachzügler einen Anspruch auf positive Beschlussfassung haben. Für den Fall, dass ihr Begehren negativ beschieden und ein Positivbeschluss also nicht gefasst wird, steht ihnen die Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG zur Verfügung. Im Rahmen dieser Beschlussersetzungsklage wird das Gericht prüfen, ob die beschlussbefassten Wohnungseigentümer die maßgeblichen Kriterien ausreichend abgewogen haben.
Angemessener Ausgleich
Ein Anspruch auf positive Beschlussfassung besteht nur dann, wenn der Wohnungseigentümer bereit ist, einen angemessenen Ausgleich zu leisten. Dieser Ausgleich bemisst sich an den für die Maßnahmendurchführung ursprünglich aufgewendeten Kosten. Wie der als Ausgleichsbetrag zu zahlende Betrag zu ermitteln ist, lässt sich den Gesetzesmaterialien insoweit entnehmen, als sowohl die Kosten der ursprünglichen Bauerrichtung als auch die Kosten für erforderliche Erhaltungsmaßnahmen auf einen Nachzügler umzulegen sind. Keine Berücksichtigung können zwischenzeitlich angefallene Betriebskosten finden.
TOP XX Nutzungsgestattung der Rollstuhlrampe
Auf Wunsch der Wohnungseigentümerin, Frau _______, wurde in der Wohnungseigentümerversammlung vom _____ zu TOP XX die Errichtung einer Rollstuhlrampe im Bereich des Eingangspodests beschlossen und nachfolgend seitens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Kosten von Frau _______ errichtet. Nachdem nunmehr auch Wohnungseigentümer _______ auf die Nutzung der Rampe angewiesen ist, gestattet ihm die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer diese Nutzung.
Die ursprünglich für die Errichtung der Rampe entstandenen Kosten in Höhe von _____ EUR trägt Herr _______ zur Hälfte, mithin in einer Höhe von _____ EUR. Da die Rampe erst vor einem Dreivierteljahr errichtet wurde, ist mit Blick auf den Kostenansatz kein Abzug ‹neu für alt› vorzunehmen. Herr _______ verpflichtet sich, dem gemeinschaftlichen Girokonto den vorgenannten Betrag bis zum _____ anzuweisen. Entsprechend erfolgte Zahlungen werden dann an Frau ___ durch Überweisung auf ihr Konto weitergeleitet.
Kosten für erforderliche Erhaltungsmaßnahmen an der Rollstuhlrampe tragen künftig Frau _______ und Herr _______. Auf Wunsch von Frau _______ und Herrn _______ erfolgt die Kostenverteilung unter ihnen nicht nach Miteigentumsanteilen, sondern nach Objekten, also je zur Hälfte. Eine entsprechende Kostenbelastung erfolgt im Rahmen der jeweiligen Jahreseinzelabrechnungen.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: _____
Nein-Stimmen: _____
Enthaltungen: _____
Der Versammlungsleiter verkündete folgendes Beschlussergebnis:
________________
Der Beschluss wurde angenommen/abgelehnt.
Anfechtungsrisiko
Ein Anfechtungsrisiko dürfte lediglich bezüglich desjenigen Wohnungseigentümers bestehen, dem die Maßnahme ursprünglich gestattet wurde. Wird hier der Ausgleichsbetrag zu niedrig angesetzt oder werden zwischenzeitlich angefallene Kosten für Erhaltungsmaßnahmen nicht berücksichtigt, ist der Beschluss durchaus erfolgreich anfechtbar.