Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Das Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses setzt voraus, dass die Anzahl der Ja-Stimmen ermittelt wird und die Anzahl der Ja-Stimmen die der Nein-Stimmen übersteigt
Der Versammlungsleiter muss grds. auch die Ja-Stimmen abfragen
Normenkette
§ 25 WEG
Kommentar
1. Hat ein Versammlungsleiter ausschließlich die Zahl der Nein-Stimmen und der Enthaltungen ermittelt, ohne die Anzahl der Ja-Stimmen abzufragen, kann - schlussfolgernd - noch nicht von einer erreichten Stimmenmehrheit und Beschlussfassung gesprochen werden. Ein solches vom Versammlungsleiter praktiziertes Abstimmungsverfahren rechtfertigt im vorliegenden Fall lediglich eine Schlussfolgerung, dass (wie hier) eine Mehrheit von 9 gegen 8 Stimmen möglich gewesen sei, nicht aber den Schluss, eine Mehrheit von 1 Stimme habe bestanden. Es kann nämlich nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die restlichen 9 Eigentümer, die weder mit Nein gestimmt, noch sich der Stimme enthalten hatten, hier dem betreffenden Beschlusspunkt (einer Verwalterwiederbestellung) sämtlich zugestimmt hätten; denkbar ist nämlich, dass einer (oder auch mehrere) eine (ihre) Stimme(n) nicht abgegeben, sich also nicht geäußert haben könnten (vgl. auch BGH in WE 89, 50). Eine solchermaßen eingeschränkt durchgeführte Abstimmung eines Versammlungsleiters ist unzureichend. Ein wirksamer Beschluss kommt nur zustande, wenn in der Versammlung eine Stimmenmehrheit in der Form gegeben ist, dass die Anzahl der Ja-Stimmen die der Nein-Stimmen übersteigt. Eine dahingehende Feststellung kann nur getroffen werden, wenn die Zahl der Ja-Stimmen exakt ermittelt ist; eine bloße Schlussfolgerung - wie hier - reicht dazu nicht aus.
2. Fehlt es somit an einer entsprechenden mehrheitlichen Willensäußerung der Eigentümer, so kann die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob es für das Zustandekommen eines Beschlusses auf die tatsächlich vorhandene Mehrheit der Stimmen oder auf die (evtl. gegenteilige) Feststellung und Verkündung des Abstimmungsergebnisses (und seine Protokollierung in der Niederschrift) ankommt, dahinstehen; einer der Feststellung und Verkündung des Abstimmungsergebnisses in der Versammlung der Eigentümer widersprechende "Protokollierung" kann jedenfalls keine konstitutive Wirkung für das Zustandekommen eines Beschlusses beigemessen werden.
Somit fehlte es im vorliegenden Fall an einer wirksamen Verwalter-Wiederbestellung.
2. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Wert des Beschwerdegegenstandes von DM 44.160,10.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.04.2000, 3 Wx 465/99)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Dieses Entscheidungsergebnis zur "vollständigen" Stimmenauszählung entspricht h.R.M. Bei Abstimmungsvorgängen sollten Versammlungsleiter (Verwalter) deshalb stets nicht nur etwaige Nein- und Enthaltungs-Stimmen auszählen und daraus Schlussfolgerungen für eine Ergebnisfeststellung treffen, sondern ausdrücklich auch die Ja-Stimmen abfragen. Alles andere wäre Spekulation. Von einem Beschluss ist in etwaiger rechtlicher Erstwertung eines korrekten und vollständigen Abfragens der Stimmen unangreifbar nur dann zu sprechen, wenn mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen ausgezählt wurden, wobei mögliche Stimmenthaltungen für diese Feststellung nach nunmehr h.R.M. unberücksichtigt bleiben, sollte zur Stimmenthaltung nicht eine andere Wertungs-Vereinbarung in der Teilungserklärung oder durch bisher noch bestandskräftige Beschlussfassung in der betreffenden Gemeinschaft getroffen worden sein.
Neben den bewussten Willensäußerungen, mit Ja, Nein oder Enthaltung zu einem bestimmten Antrag abstimmen zu wollen, gibt es tatsächlich auch noch die denkbaren Alternativen einer bewusst nicht gewollten Stimmabgabe oder auch eines "unbewussten" oder "bewussten" Entfernens aus dem Versammlungsraum vor oder während des Abstimmungsvorganges; ein Entfernen aus dem Versammlungsraum hätte i.Ü. u.U. für die Frage der Beschlussfähigkeit zusätzliche rechtliche Relevanz.