1 Leitsatz

Streiten Wohnungseigentümer um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer die übrigen Eigentümer von der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums ausschließen darf, richtet sich die Beschwer der Partei, die sich auf ein alleiniges Nutzungsrecht beruft, nach der Wertsteigerung, die sein Wohnungseigentum durch ein solches Recht erfahren würde.

2 Normenkette

§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO

3 Das Problem

In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es nur 2 Wohnungseigentumsrechte. Das Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit der Nr. 1 bezeichneten Räumen im Erd- und Dachgeschoss steht Wohnungseigentümerin K zu. Die im Aufteilungsplan mit der Nr. 2 bezeichneten Räume im Erd- und Dachgeschoss sind dem Sondereigentum von Wohnungseigentümer B zugeordnet. Die jeweils den Parteien zugeordneten Räume bilden eigene Baukörper, die über einen gemeinsamen Hauseingang in Form eines Windfanges verfügen. Wohnungseigentümer B tauscht die Schlösser an der gemeinsamen Hauseingangstür im Windfang aus, sodass es der Wohnungseigentümerin K nicht mehr möglich ist, durch die Hauseingangstür des Windfangs in ihre Wohnung zu gelangen. Wohnungseigentümerin K verlangt daher, Wohnungseigentümer B zu verurteilen, ihr freien Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren und ihr die Zweitschlüssel für die von ihm eingepassten neuen Schlösser an der gemeinsamen Wohnungseingangstür auszuhändigen. Das AG gibt der Klage statt. Die Berufung weist das LG zurück. Mit seiner Beschwerde will Wohnungseigentümer B die Zulassung der Revision erreichen, um seinen Klageabweisungsantrag weiter zu verfolgen.

4 Die Entscheidung

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach Ansicht des BGH unzulässig! Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteige nicht 20.000 EUR. Gehe der Streit um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer die übrigen Eigentümer von der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums ausschließen darf, richte sich die Beschwer der Partei, die sich auf ein alleiniges Nutzungsrecht berufe, nach der Wertsteigerung, die ihr Wohnungseigentum durch ein solches Recht erfahren würde (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 6.12.2018, V ZR 338/17, NJW-RR 2019 S. 207 Rz. 3). Dass B's Wohnungseigentum bei Bestehen eines Sondernutzungsrechts für den Windfang eine Wertsteigerung von mehr als 20.000 EUR erfahren würde, habe B nicht glaubhaft gemacht. B errechne zwar auf der Grundlage einer Fläche des Windfangs (Diele) von 16,5 qm und einem nach dem derzeitigen Mietspiegel anzusetzenden Mietwert von 5,50 EUR je qm einen jährlichen Mietverlust von 1.089 EUR, was bei einer Restlaufzeit von 52 bis 72 Jahren einen Mietausfall von 56.628 EUR bis 78.408 EUR ergebe. Damit sei eine Wertminderung des Sondereigentums aber weder nachvollziehbar dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Hinweis

Die Juristen unterscheiden den Zuständigkeits-, den Rechtsmittel- und den Gebührenstreitwert. Bei der "Beschwer" geht es um den Rechtsmittelstreitwert und die Frage, ob ein Rechtsmittel zulässig ist. Denn der Zugang zu den Rechtsmittelgerichten ist nur zulässig, wenn das Rechtsmittel zugelassen worden ist oder wenn bestimmte Werte überschritten sind. Beim Schritt vom AG zum LG müssen es mehr als 600 EUR sein, beim Schritt vom LG zum BGH mehr als 20.000 EUR. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung – formelle Beschwer. Dabei ist nur auf den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung abzustellen. Der tatsächliche oder rechtliche Einfluss der Entscheidung auf andere Rechtsverhältnisse bleibt demgegenüber außer Betracht. Im Fall geht es um das wirtschaftliche Interesse des K am Eigentum oder an einem Alleinnutzungsrecht am Windfang. Dieses Interesse müsste höher als 20.000 EUR sein – was K glaubhaft machen müsste. K hatte insoweit mit der Miete für die Grundfläche argumentiert. Dies überzeugte den BGH nicht!

Ausblick WEG-Reform

Die WEG-Reform wird an der Frage, wie die Beschwer zu ermitteln ist, nichts ändern. Anders ist es beim Gebührenstreitwert. Dieser soll im neuen Recht künftig nach § 48 GKG i. V. m. §§ 3, 6 bis 9 ZPO ermittelt werden. Nur für Beschlussklagen soll es mit § 49 GKG eine Sondervorschrift geben.

5 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 20.2.2020, V ZR 198/29

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