1 Leitsatz
Soll ein Teileigentümer den Gebrauch des Sondereigentums zu Wohnzwecken unterlassen, kommt es für seine Beschwer auf die Differenz des Mietwerts zwischen einem Gebrauch zu Wohnzwecken und einem gewerblichen Gebrauch an. Alternativ kann man an den konkreten Aufwand anknüpfen, der mit der Unterbindung der Vermietung zu Wohnzwecken verbunden wäre.
2 Normenkette
ZPO § 544 Abs. 2 Nr. 1; WEG § 10, § 13, § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 1
3 Das Problem
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K geht gegen Teileigentümer B vor. Dieser vermietet sein Sondereigentum an Feriengäste. K meint, das sei B nicht erlaubt. Das AG verurteilt B, alles "Erforderliche und Notwendige" zu unternehmen, um den Gebrauch des Sondereigentums als Ferienwohnungen zu unterbinden. Das LG weist die Berufung des Beklagten zurück. Hiergegen wendet sich B mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er will nach Zulassung mit der Revision die Abweisung der Klage erreichen.
4 Die Entscheidung
Der BGH hält die Nichtzulassungsbeschwerde bereits für unzulässig! Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer sei im Fall unter 20.000 EUR. Für die Wertgrenze sei nämlich der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, müsse der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 EUR übersteigt, abändern lassen wolle. Hieran fehle es. In Bezug auf die Verurteilung zur Unterbindung des Gebrauchs des Sondereigentums als Ferienwohnung sei für den Wert der Beschwer auf die B entstehenden Nachteile abzustellen. Sie könnten etwa in dem Verlust der Vorteile bestehen, die aus der Vermietung an Feriengäste bzw. an einen Zwischenmieter gezogen werden, oder in einem mit der Durchsetzung der Unterlassung verbundenen Aufwand. Das Interesse könne geschätzt werden. B verweise darauf, dass er aus der Vermietung im Jahr Mieteinnahmen i. H. v. 38.545,47 EUR erzielt habe. So könne man aber nicht rechnen. Vielmehr sei auf die Differenz des Mietwerts zwischen einem Gebrauch zu (Ferien-)Wohnzwecken und einem gewerblichen Gebrauch abzustellen (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 19.1.2017, V ZR 100/16, Rz. 9). Diese Differenz habe B ebenso wenig dargelegt wie einen konkreten Aufwand, der mit der Unterbindung der Ferienvermietung verbunden wäre. Soweit B auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug nehme, wonach eine gewerbliche Nutzung nicht möglich sei, fehle es an jeglicher Glaubhaftmachung.
Hinweis
Für die Frage der Beschwer kommt es darauf an, worüber rechtskräftig entschieden werden sollte und worüber tatsächlich entschieden worden ist, mithin auf den Umfang der prozessualen Rechtskraftwirkung, die das Urteil haben würde, wenn es nicht angefochten werden könnte. Ergibt der Vergleich der in der Klage aufgestellten Rechtsbehauptung mit dem Inhalt der ergangenen Entscheidung, dass dem Kläger das zuerkannt worden ist, was er begehrt hat, fehlt ihm ein schutzwürdiges Interesse an der Abänderung der Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz. Maßgebend für die Beschwer eines Berufungsklägers ist sein individuelles vermögenswertes Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung. Entscheidend ist der rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Ohne Bedeutung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels. Erhebt der Kläger mehrere Anträge, ist seine Beschwer nach § 5 ZPO durch eine Addition der Werte zu errechnen. Der BGH klärt insoweit, dass es in Bezug auf die Verurteilung zur Unterbindung des Gebrauchs des Sondereigentums auf die dem in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer entstehenden Nachteile abzustellen ist. Diese sollen in dem Verlust der Vorteile bestehen, die aus der Vermietung gezogen werden, oder in einem mit der Durchsetzung der Unterlassung verbundenen Aufwand.
Repetitorium: Bestimmung der Beschwer
Das Gericht hat bei der Bestimmung des Werts nach § 3 ZPO grundsätzlich ein Ermessen. Etwas anderes gilt, soweit §§ 6 bis 9 ZPO anwendbar sind oder soweit die Beschwer nicht schon in einer bestimmten Geldsumme besteht. Das Gericht hat bei der Ermittlung des Werts insoweit ein "freies" Ermessen. Dies meint, dass das Gesetz keine Prüfsteine vorgibt, sondern der Wert im Einzelfall nach den gebotenen Prüfsteinen zu ermitteln ist. Das Ermessen ist also stets "pflichtgemäß" auszuüben. Es darf bei der Ermittlung zu keinem Ermessens-Fehlgebrauch kommen. Das Gericht muss bei Ausübung seines Ermessens also alle maßgeblichen Tatsachen berücksichtigen und alle erheblichen Tatsachen unter Ausübung seiner Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) feststellen. "Frei" meint mithin nicht "willkürlich". Die Maxime, den Wert für vermögensrechtliche Streitigkeiten zu ermitteln, lautet, das wirtschaftliche Interesse der klagenden Partei an der erstrebten Entscheidung zu bewerten, also das "Angreiferinteresse" zu ermitteln. Das Gericht ist zur Ermittlung des objektiven Werts weder an subjektive ...