Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 15 WEG, § 1004 BGB
Kommentar
1. Die Beseitigung eines Gehölzes auf einer Sondernutzungsfläche kann nicht verlangt werden, wenn durch dessen Rückschnitt auf ein gemeinverträgliches Maß die Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der Rücksichtnahmeverpflichtung nach § 14 Nr. 1 WEG entfällt (wie BayObLG, WE 95, 345 = DWE 95, 28).
2. Es ging hier um eine Reihenhaus-Eigentumswohnanlage mit überwiegend sehr schmalen Sondernutzungsgärten (von etwa 6 m Breite). Zwei Nachbareigentümer streiten sich um einen 1988 oder 1989 und gegenwärtig mind. 3,20 m hohen Baum, zunächst als Rotbuche bezeichnet, zuletzt als Blutpflaumenzierstrauch. Nach Angaben des Antragstellers steht der Baum/Strauch auf ihrem Sondernutzungsbereich, nach Angaben der Antragsgegner dagegen auf deren Sondernutzungsfläche. Das Landgericht hatte dem Beseitigungsanspruch wahlweise für beide Gewächsarten und unabhängig von deren Standort stattgegeben- Die Rechtsbeschwerde führte zur Zurückweisung der Sache an das Landgericht.
3. Rechtsbedenkenfrei ist nur die Bejahung eines Beseitigungsanspruches des Antragstellers gegen den Antragsgegner, wenn sich der beanstandete Baum oder Strauch auf der Sondernutzungsfläche des Antragstellers befindet. Dagegen bedarf es weiterer Sachaufklärung, falls es sich um einen Blutpflaumenzierstrauch auf der Sondernutzungsfläche des Antragsgegners handelt, der auf ein erträgliches Maß zurückgeschnitten und ständig in dieser Größe gehalten werden kann.
Gartensondernutzungsberechtigte Eigentümer können eine ortsübliche gärtnerische Nutzung entsprechend dem Charakter der Wohnanlage vornehmen; dazu gehören in der Regel auch Anpflanzungen, die nur in Ausnahmefällen, etwa bedingt durch Baumart oder Grenznähe, unbefugt sind. Für Sträucher ist auch deshalb Großzügigkeit geboten, weil hier ein Rückschnitt regelmäßig die jeweils gebotene Rücksichtnahme ermöglicht (vgl. BayObLG, WE 95, 345 = DWE 95, 28). Keinesfalls gilt etwa der allgemeine Grundsatz, dass niemals Schatten oder etwa auch Laub auf benachbarte Sondernutzungsflächen fallen darf.
Anhaltspunkte für eine gemeinverträgliche Bepflanzung können den Nachbarrechtsgesetzen entnommen werden (für Berlin: Nachbarrechtsgesetz vom 28. 9. 1973, GVBI S. 1654, §§ 27ff.).
Beseitigungsansprüche ergeben sich hier aus § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 BGB. Dabei müssen Wohnungseigentumsgerichte allerdings prüfen, ob naturschutzrechtliche Bestimmungen (in Berlin: Baumschutzverordnung v. 11. 1. 1982, GVBI S. 250) der Beseitigung entgegenstehen; daneben kommt eine Verpflichtung des Störers zur Stellung eines Befreiungsantrages in Betracht (vgl. BGH, NJW 93, 925).
Im Falle eines schnell wachsenden großen Baumes (z.B. einer Rotbuche) kann die Beseitigung verlangt werden, sofern die Baumschutzverordnung dies zulässt. Die Einhaltung von Grenzabständen gemäß § 27 Nachbarrechtsgesetz kommt bei einer 6 m breiten Sondernutzungsfläche sinnvollerweise allerdings nicht in Betracht. Der Senat lässt es offen, ob bei Bäumen in Ausnahmefällen ein Beseitigungsanspruch entfällt, wenn ein sachgerechter Rückschnitt auf eine zumutbare Größe möglich sein sollte.
Handelt es sich allerdings - wie zuletzt behauptet - um einen Zierstrauch, scheidet eine Beseitigungspflicht aus, wenn die unzumutbare Beeinträchtigung durch Rückschnitt des Gehölzes beseitigt werden kann. Solche Beschränkungen ergeben sich aus § 14 Nr. 1 WEG (vgl. auch Senat, NJW-RR 87, 1360 = WE 87, 197; BayObLG, NJW-RR 87, 846; WuM 93, 206; WE 94, 17).
Für die Zumutbarkeit von Anpflanzungen können Anhaltspunkte aus den allerdings nicht unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des Nachbarrechtsgesetzes gewonnen werden (Mindestgrenzabstände!). Auch unter Berücksichtigung dieser Bestimmungen wird durch das Landgericht neuerlich zu ermitteln sein, ob durch Rückschnitt auf gemeinverträgliche Maße die Beseitigungspflicht abgewendet werden kann, falls es sich hier um einen Blutpflaumenzierstrauch handelt.
4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung in III. Instanz bei Geschäftswertfestsetzung von 2.000 DM.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 08.11.1995, 24 W 3046/95)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Verwundert bin ich allein über den Begründungssatz, dass die Einhaltung von Grenzabständen nach landesgesetzlichen Bestimmungen bei einer 6 m breiten Sondernutzungsfläche sinnvollerweise nicht in Betracht komme. Das BayObLG hat in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass landesrechtliche Grenzabstandsbestimmungen auch innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft hinsichtlich der Sondernutzungsgrenzen in analoger Anwendung bei Bepflanzungsmaßnahmen einzuhalten und zu beachten sind. Auf etwa geringe Breite einer Sondernutzungsfläche wurde insoweit nicht abgestellt. Nach bayerischem Landesrecht müssen Bäume, Hecken und Sträucher einen Grenzabstand von 50 cm zum Baum- bzw. Strauchmittelpunkt besitzen, wenn ihre Höhe auf 2 m begrenzt ist/bleibt; jegliche Bäume und Sträucher mit einer Höhe über 2 m müssen einen Grenza...