Leitsatz

Bestandskräftiger Beschluss, eine bestimmte Maßnahme nicht vorzunehmen (hier: Beseitigung einer Fahrradabstellstange an der straßenseitigen Mauer des Gebäudes), steht einem Verpflichtungsantrag auf Vornahme dieser Maßnahme (Beseitigung) entgegen

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1, 23 Abs. 4 WEG

 

Kommentar

In einer Versammlung hatten die Eigentümer beschlossen, eine an der straßenseitigen Mauer des Gebäudes angebrachte Stange zum Anlehnen von Fahrrädern nicht zu entfernen. Dieser Beschluss besitzt Beschlussqualität und ist sachlich vergleichbar mit der Ablehnung eines Beschlusses, die geforderte Maßnahme vorzunehmen (nunmehr h.R.M.). Die Bestandskraft eines solchen Eigentümerbeschlusses steht einem Verpflichtungsantrag entgegen, durch den die abgelehnte Maßnahme herbeigeführt werden soll (vgl. auch BayObLG v. 17.9.2003, 2Z BR 170/03 und BayObLG v. 26.9.2003, 2Z BR 25/03 sowie Deckert, ZMR 2003, 153). I.Ü. wäre auch das Begehren des Antragstellers auf Beseitigungsverpflichtung in der Sache unbegründet gewesen (mangels Nachteilswirkungen im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG), zumal auch selbst nach einer Entfernung dieser Fahrradstange ein behinderndes Abstellen von Fahrrädern vor dem Anwesen nicht verhindert werden könnte.

 

Link zur Entscheidung

BayObLG, Beschluss vom 30.10.2003, 2Z BR 119/03

Anmerkung

Nochmals zur Klarstellung:

Eine Gemeinschaft kann mehrheitlich "positiv" zu einem negativ gestellten Sachantrag entscheiden, eine bestimmte Maßnahme nicht vorzunehmen (positiver Mehrheitsbeschluss). Mit ähnlicher Rechtsfolge kann auch ein inhaltlich positiver Antrag gestellt werden (was die Regel bei Antragstellungen durch einen Versammlungsleiter sein sollte), also etwa des Inhalts, dass die (Veränderungs-)Maßnahme zu beseitigen sei; mehrheitliche Ablehnung dieses Antrags ist als ebenfalls kollektiver Willensakt der Gemeinschaft ein sog. Negativbeschluss (vgl. BGH v. 23.8.2001, V ZB 10/01, NJW 2001, 3339). Beide vorgenannten Beschlüsse decken sich im Ergebnis und werden mangels form- und fristgemäßer Beschlussanfechtung nach nunmehr h.R.M. bestandskräftig und verbindlich. Im Regelfall steht dann die Bestandskraft solcher Beschlüsse einem späteren (an sich unbefristet möglichen) Verpflichtungsantrag – meist unter Hinweis auf Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 WEG) gestellt – entgegen, m.E. jedoch nicht stets und auf Dauer; eine Gemeinschaft kann insbesondere bei sich evtl. später ändernder Sach- und Rechtslage, Nichtbewährung einer bestätigten Maßnahme oder auch anderer personeller Zusammensetzung der Eigentümer im Einzelfall u. U. berechtigtermaßen erneut die Beschlussthematik zur Diskussion stellen und evtl. sogar in solchen Folgebeschlüsse (Zweitbeschlüssen auf der Basis dann anderer konkreter Streitgegenstandsproblematik) einen früheren Beschluss auch wieder aufheben oder evtl. ändern (wenn auch erneut anfechtungsbehaftet; Zerstörung einer Vertrauensstellung?). Zunächst einmal ist allerdings nach Bestandskraft einer Eigentümerentscheidung zu einem bestimmten aktuellen Thema dieser Mehrheitswille der Gemeinschaft zu respektieren.

Im vorliegenden Fall wurde offensichtlich ein positiver Mehrheitsbeschluss auf "Nichtentfernen der angebrachten Fahrradabstellstange" (also mit negativem Antragsinhalt) gefasst, der bei Widerspruch eines Eigentümers schon nach früher h.R.M. durch form- und fristgemäße Anfechtung einer gerichtlichen Kontrolle hätte überantwortet werden müssen und andernfalls zunächst Verbindlichkeitswirkung gem. § 10 Abs. 3 und 4 WEG entfaltete.

Auch Antragstellungen "in Frageform" mit nachfolgender Abstimmung (also etwa des Inhalts: "Soll der Fahrradständer entfernt werden?"), sind tunlichst zu vermeiden, um korrekte Ergebnisverkündungen nicht zu erschweren.

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