Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 WEG, § 15 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 138 BGB
Kommentar
1. Ein unangefochtener Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer, der die Hundehaltung in einer Wohnanlage generell verbietet, hat vereinbarungsersetzenden Charakter (vgl. BGH, Beschluss vom 16.09.1994, Az.: V ZB 2/93= NJW 94, 3230) und bindet alle Wohnungseigentümer, weil er weder sittenwidrig ist noch in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift.
Damit teilt der BGH in neuerlicher Entscheidung die Meinung des vorliegenden BayObLG (vgl. BayObLG, Beschluss vom 02.02.1995, Az.: 2Z BR 120/94), im Gegensatz zur Auffassung des KG Berlin, Entscheidung v. 13.01.1992, Az.: 24 W 2671/91= NJW 92, 2577.
Auch unangefochten gebliebene Mehrheitsbeschlüsse im Rahmen ordnungsgemäßen Gebrauchs und ordnungsgemäßer Verwaltung werden für Sondernachfolger im Wohnungseigentum verbindlich ( § 10 Abs. 3 WEG), selbst wenn an sich eine Vereinbarung notwendig gewesen wäre (so schon eindeutig BGH vom 16.09.1994, so im 1. Absatz).
Damit müssen Wohnungseigentumserwerber nicht allein auf eine im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung vertrauen, sondern sich auch vergewissern, ob diese durch bestandskräftige Beschlüsse abgeändert worden ist.
2. Im vorliegenden Fall war also allein zu überprüfen, ob der nicht angefochtene Mehrheitsbeschluss u. U. gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung nicht wirksam verzichtet werden konnte, also als nichtig anzusehen sei Dies war vorliegend zu verneinen. Es ist gerade Konsequenz der Rechtsprechung. dass die grundsätzliche Nutzungsfreiheit der Wohnungseigentümer auch durch Mehrheitsbeschluss zulässigerweise eingeschränkt werden könne. Dabei musste der Senat nicht darüber entscheiden, ob durch einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümer die Hundehaltung generell verboten werden könne, sondern er habe nur die Rechtslage zu beurteilen, die sich aus einem entspr. unangefochtenen und bestandskräftigen Beschluss ergebe.
Im vorliegenden Fall habe der Mehrheitsbeschluss nicht in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums eingegriffen (deshalb zu verneinende Beschlussnichtigkeit). Die Möglichkeit der Hundehaltung gehöre nicht zum wesentlichen Inhalt der Nutzung von Wohnungseigentum, was sich schon daraus ergebe, dass in der überwiegenden Zahl von Wohnungen keine Hunde gehalten werden. So werde auch von der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung eine Vereinbarung der Eigentümer über ein generelles Verbot der Hundehaltung für zulässig angesehen (vgl. auch BayObLGZ 72, 90, 92; OLG Karlsruhe, DWE 88, 68; früher auch KG Berlin, NJW 56, 1679).
3. Der Eigentümermehrheitsbeschluss sei auch nicht nichtig im Sinne einer Sittenwidrigkeit ( § 138 Abs. 1 BGB). Dies folge schon daraus, dass es Wohnungseigentümern nicht verboten sei, im Wege einer Vereinbarung eine Gebrauchsbeschränkung in Form eines generellen Hundehaltungsverbotes aufzustellen. lm Regelfall gingen von einer Hundehaltung auch Beeinträchtigungen der übrigen Eigentümer aus (Verschmutzung der Gemeinschaftsanlagen, Lärmbelästigung), sodass selbst ein generelles Hundehaltungsverbot damit weder willkürlich noch sachlich völlig unbegründet sei, zumal sich Beeinträchtigungen nie ausschließen lassen könnten. Würde man hier auf konkrete Belästigungen abstellen müssen, stieße die Überwachung auch stets auf erhebliche praktische Schwierigkeiten und gebe Anlass zu Streitigkeiten, die den Hausfrieden störten. Ein generelles Hundehaltungsverbot verstoße deshalb weder in einer Vereinbarung noch in einem sie ersetzenden bestandkräftigen Beschluss das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.
4. I. Ü. könne auch in einem Mietvertrag nach herrschender Rechtsmeinung individualvertraglich die Hundehaltung ganz ausgeschlossen werden, was sogar als verfassungsrechtlich unbedenklich bestätigt wurde (BVerfG, WuM 81, 77). Im Einzelfall könne allerdings die Durchsetzung eines solchen Verbotes gegen Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen und unzulässig sein (z.B. bei einem dringend benötigten Blindenhund).
Betroffene Eigentümer müssen auch für ein entsprechendes Verhalten ihrer Mietpartei sorgen, wobei ihnen die entsprechenden Durchsetzungsmaßnahmen selbst überlassen bleiben und nicht vorgeschrieben werden können (ähnlich der Rechtslage bei anderen Abwehrklagen wegen Eigentumsstörung nach § 1004 Abs. 1 BGB). Eine etwa mietvertragliche Bindung ändert am wohnungseigentumsrechtlichen Erkenntnisverfahren über Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander nichts. Auch von einer Leistungsunmöglichkeit kann vorliegend keine Rede sein. Vermietende Eigentümer müssten daher alles in ihrer (rechtlichen) Macht stehende unternehmen, solche Verbote auch bei Mietern durchzusetzen. Diese Fragen bleiben dem Vollstreckungsverfahren vorbehalten (h.R.M.).
Auch außergerichtliche Kostenerstattung der unterlegenen Antragsgegnerseite im Rechtsmittelverfahren bei Geschäftswertansatz von 5.000 DM.
Link zur Entscheidung
( BGH, Beschluss vom 04.05.1995, V ZB 5/95= NJW 95, 2036)
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