Leitsatz
Das OLG hatte über die sachlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Notgeschäftsführers bei der GmbH nach § 29 BGB zu entscheiden. Die Bestellung des einzigen Geschäftsführers einer GmbH war befristet gewesen und das Amt durch Fristablauf erloschen. Da bei der Anmeldung der Geschäftsführerbestellung die Befristung nicht mit angemeldet worden war, war der Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen geblieben, der sich auch weiterhin befugt hielt, dieses Amt auszuüben. Ein Mitgesellschafter hielt die Bestellung eines Notgeschäftsführers für erforderlich.
Das OLG München stellt zutreffend fest, dass das Amt durch Befristung erloschen, die GmbH also tatsächlich führungslos sei; die Eintragung im Handelsregister sei nur deklaratorisch. Es weist aber darauf hin, dass die Bestellung eines Notgeschäftsführers nur dann und nur soweit zulässig sei, als anderenfalls der Gesellschaft oder anderen Beteiligten durch die Führungslosigkeit Schaden drohen würde. Darüber hinaus sei ein Eingriff in die Bestellungskompetenz der Gesellschafter und die Autonomie der Gesellschaft nicht gerechtfertigt. Das kam hier wegen der notwendigen Anmeldung des Erlöschens des Geschäftsführeramtes und der fälligen Aufstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses in Betracht. Das OLG gab daher dem Landgericht, an das es die Sache zurückverwies, auf, diesen Sachverhalt aufzuklären und den Wirkungskreis eines ggf. zu bestellenden Notgeschäftsführers auf das absolut notwendige Maß zu beschränken.
Hinweis
Ein bei personalistisch strukturierten Gesellschaften immer wieder auftretender Sachverhalt ist deren Führungslosigkeit infolge Streits über die Wirksamkeit der Bestellung oder Abberufung der Geschäftsführer, wegen der Unfähigkeit der Gesellschafter, sich mit der notwendigen Mehrheit auf einen Geschäftsführer zu einigen oder - der Sonderfall - aus betrügerischen Motiven (Stichwort: "Bestattungsfälle"). Der Gesetzesentwurf zur GmbH-Reform (MoMiG) versucht hier für bestimmte Fälle Abhilfe zu schaffen, indem er für die Passivvertretung bei Führungslosigkeit die Empfangszuständigkeit auch der Gesellschafter vorsieht und den Gesellschaftern in diesen Fällen auch die Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung auferlegt. Die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft ist damit aber nicht für alle Fälle hergestellt.
Um den Folgen der Führungslosigkeit zu entgehen sieht das Gesetz bisher zwei Möglichkeiten vor, die weiterhin ihre Berechtigung behalten werden: Interessierte Beteiligte können im Falle, dass ein Rechtsstreit gegen die organschaftlich nicht vertretene Gesellschaft zu führen ist, beim Prozessgericht die Bestellung eines Prozesspflegers beantragen (§ 57 ZPO) oder im übrigen beim Registergericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Bestellung eines Notgeschäftsführers beantragen (§ 29 BGB). In beiden Fällen wird massiv in die Organisationshoheit der Gesellschaft und die Bestellungskompetenz der Gesellschafterversammlung eingegriffen. Daher darf von diesen Möglichkeiten nur behutsam und nur soweit ein dringender Handlungsbedarf das erfordert, Gebrauch gemacht werden. Im Fall der Prozesspflegschaft gilt die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft nur für die Dauer und die Zwecke des konkreten Verfahrens. Zu weiteren Geschäften ist der Prozesspfleger nicht befugt. Aber auch die Notgeschäftsführung - das stellt das OLG München ausdrücklich noch einmal klar - ist nur dann und soweit zulässig, wie ein dringendes Handlungsbedürfnis besteht; die Geschäftsführerbefugnisse sind im Bestellungsfall auf die dringend erforderlichen Maßnahmen zu beschränken.
Das OLG München hat vor diesem Hintergrund ein dringendes Bedürfnis nur anerkannt, soweit das Erlöschen des Geschäftsführeramtes noch zum Handelsregister angemeldet werden musste. Auch hier passiert es in der Praxis immer wieder, dass (Allein-)Geschäftsführer unbedacht ihr Amt mit sofortiger Wirkung niederlegen oder auch mit sofortiger Wirkung abberufen werden, ohne dass ein neuer Geschäftsführer bestellt wird mit der Folge, dass kein zur Anmeldung Berufener (§ 78 GmbHG) mehr vorhanden ist. Auch die Offenlegung des Jahresabschlusses ist ein dringliches Geschäft, das keinen Aufschub duldet. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Altgeschäftsführer gehört hingegen nicht hierher: Zur Verfolgung der Ansprüche ist ohnehin ein Beschluss der Gesellschafter erforderlich, die dann sogleich auch einen Prozessvertreter bestellen können (§ 46 Nr. 8 GmbHG).
Künftig werden nach dem MoMiG bei Führungslosigkeit weitere wichtige Fälle geklärt: Die Gesellschafter vertreten dann die Gesellschaft bei der Entgegennahme von Schriftstücken; hierfür wird es für Außenstehende (Gläubiger) keines Notgeschäftsführers mehr bedürfen. Und auch Insolvenzanträge können und müssen (!) bei Führungslosigkeit künftig von den Gesellschaftern selbst gestellt werden.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 11.09.2007, 31 Wx 049/07