Leitsatz

Die Klägerin ist als Schwerbehinderte anerkannt und wendet sich gegen die Berechnung der Betriebsrente, die sie von der beklagten Zusatzversorgungsanstalt nach deren Mitteilung vom 23.12.2002 seit dem 1.11.2002 bezieht. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, der Startgutschrift ein gesamtversorgungsfähiges Entgelt in entsprechender Anwendung von § 43 Abs. 2 VBLS der alten Fassung, statt der im Januar und Februar 1999 bezogenen Entgelte zugrunde zu legen. Die Startgutschrift gibt den Wert der Rentenanwartschaft wieder, die die Klägerin bei Umstellung des Versorgungssystems mit Wirkung zum 1.1.2002 von einer Gesamtversorgung ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell erlangt hatte.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich deren Berufung.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

Das OLG verweist in seiner Entscheidung auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Satzung der Beklagten, die als Allgemeine Versicherungsbedingungen anzusehen sind, weil sie privatrechtliche Versicherungen regeln. Als solche unterliegen die Satzungsbestimmungen grundsätzlich einer Inhaltskontrolle nach den Vorschriften des AGB-Rechts.

Soweit die Satzungsbestimmungen danach einer Kontrolle standhalten, kann die Beklagte nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gehalten sein, sich wegen besonderer Härte hierauf nicht oder nicht voll umfänglich zu berufen (vgl. BGH in VersR 2000, 1530; BGHZ 94, 334).

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer oder Versicherter bei aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Nach dem Verständnishorizont eines durchschnittlichen Versicherten ist zumindest nach Auffassung des OLG zweifelhaft, ob § 43 VBLS den Fall der Klägerin erfasst.

Der Sinn dieser Vorschrift geht ersichtlich dahin, die Höhe des für die Gesamtversorgung maßgeblichen gesamtversorgungsfähigen Entgelts möglichst repräsentativ nach dem Gehaltsniveau zu ermitteln, das ein Versicherter vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt erreicht bzw. innehatte. Diesem Ziel wird bei durchgängiger oder zumindest mehrmonatiger Beschäftigung in den letzten drei Kalenderjahren am ehesten die Durchschnittsbildung nach § 43 Abs. 1 VBLS gerecht. Bei Anwendung der Durchschnittsbildung nach § 43 Abs. 1 VBLS auf den vorliegenden Fall wird nach Auffassung des OLG das Ziel einer möglichst repräsentativen Erfassung des letzten Versicherteneinkommens in erheblichem Maße zu ihrem Nachteil verfehlt. Die vollschichtig tätige, zuletzt jedoch erkrankte Klägerin, hat im Monat Februar 1999 ein gemessen an ihren letzten monatsdurchschnittlichen Bezügen der vorangegangenen drei Jahre wesentlich geringeres Entgelt bezogen. Demzufolge führt die von der Beklagten in Übereinstimmung mit dem Satzungswortlaut vorgenommene Berechnung zu einer Entgelthöhe, die von dem letzten vollen Monatsdurchschnittseinkommen der Klägerin deutlich nach unten abweicht. Hieraus errechnet sich auch eine wesentlich niedrigere Startgutschrift bzw. Betriebsrente. Diese Rechtsfolge würde das eigentliche Ziel der Regelung des § 43 Abs. 1 VBLS verfehlen. Danach liegt es aus der Sicht eines durchschnittlich Versicherten nahe, die Regelung nicht auf eine Fallgestaltung wie die vorliegende zu beziehen, in der im gesamten Berechnungszeitraum lediglich an zwei Umlagemonate angeknüpft werden kann und auch die Regelung des § 43 Abs. 1a nicht zugunsten der Klägerin eingreift.

Bei dieser Interpretation enthält die Satzung eine Regelungslücke, die im Wege der ergänzenden Auslegung zu schließen ist. Nach Auffassung des OLG wird den beiderseitigen Interessen am besten dadurch Rechnung getragen, dass entsprechend § 43 Abs. 2 VBLS auf das fiktive zusatzversorgungspflichtige Entgelt im letzten Monat vor Eintritt des Versicherungsfalls abgestellt wird.

Letztendlich kann nach Auffassung des OLG offen bleiben, ob die Satzung eine Regelungslücke enthält, die im Wege der ergänzenden Auslegung wie dargelegt zu schließen ist. Folgt man dieser Auffassung nicht, so ergibt sich der Anspruch der Klägerin jedenfalls gem. § 242 BGB aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, die das Versicherungsverhältnis besonders prägen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.11.2005, 12 U 430/04

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