Leitsatz
Bedarf ein volljähriges Kind aufgrund seiner Behinderung der Betreuung, stellt sich die Frage, welche Umstände vorliegen müssen, um dem betreuenden Elternteil im Rahmen der Einzelfallregelung Betreuungsunterhalt zuzusprechen.
Sachverhalt
Die Parteien stritten im Abänderungsverfahren um nachehelichen Betreuungsunterhalt. Ihre Ehe war im Jahre 1998 geschieden worden. Seit der Trennung lebte der volljährige Sohn der Parteien bei der Beklagten. Er war schwerbehindert und bedurfte ständiger Pflege. Wegen der Betreuung des gemeinsamen Sohnes erzielte die Beklagte kein Erwerbseinkommen.
Der Kläger lebte in nichtehelicher Lebensgemeinschaft, aus der drei in den Jahren 1998, 2001 und 2003 geborene Kinder hervorgegangen waren.
Erstinstanzlich war der Kläger verurteilt worden, an die Beklagte für die Zeit ab Februar 2006 monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 481,00 EUR zu zahlen. Das AG hat der Abänderungsklage des Klägers teilweise stattgegeben und seine Unterhaltspflicht auf monatlich 233,00 EUR reduziert. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das angefochtene Urteil abgeändert und die Unterhaltspflicht des Klägers unter Abweisung der weitergehenden Klage lediglich auf monatlich 334,00 EUR herabgesetzt. Mit der zugelassenen Revision begehrte der Kläger Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte lediglich wegen des zwischenzeitlich erhöhten Mindestunterhalts für die drei minderjährigen Kinder des Klägers zu einer gestuften Herabsetzung seiner Unterhaltspflicht.
In seiner Entscheidung führte der BGH aus, dass der Gesetzgeber in § 1570 BGB einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt eingeführt habe, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden könne. Grundsätzlich könne auch die Betreuung eines volljährigen behinderten Kindes einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt begründen. Dies gelte jedoch nur dann, wenn eine persönliche Betreuung des Kindes erforderlich sei. Die Notwendigkeit der persönlichen Betreuung sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Eltern sie übereinstimmend für erforderlich hielten. Seien sie übereinstimmend der Auffassung, dass eine persönliche Betreuung des gemeinsamen volljährigen Kindes erforderlich sei, sei für die Bemessung des Betreuungsunterhalts gemäß § 1570 BGB von deren Notwendigkeit auszugehen. Der Umfang der danach notwendigen persönlichen Betreuung sei dann bei der Bemessung einer Erwerbspflicht des betreuenden Elternteils zu berücksichtigen. Bei notwendiger ständiger Betreuung des Kindes sei eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils nicht gegeben. Der Unterhaltsbedarf richte sich nach einem Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums. Liege der von dem anrechenbaren Einkommen des anderen Ehegatten abgeleitete Unterhaltsbedarf unter diesem Mindestbedarf, sei von einem Mindestbedarf i.H.v. derzeit pauschal 770,00 EUR auszugehen. Aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung des Klägers mit seiner neuen Lebensgefährtin sei es auch zulässig, den angemessenen Ehegattenselbstbehalt von 1.000,00 EUR auf 900,00 EUR monatlich zu reduzieren. Diese Reduzierung beruhe auf der Ersparnis durch die gemeinsame Haushaltsführung, die jeden Lebenspartner hälftig entlaste.
Der BGH folgte insoweit der Auffassung des OLG, dass im Rahmen des ihm obliegenden Ermessens den Synergieeffekt durch gemeinsames Zusammenleben mit 200,00 EUR bemessen und diesen hälftig dem Kläger und seiner Lebensgefährtin zugerechnet hatte.
Hinweis
Der BGH stützt seine Entscheidung auf seine bisherige Rechtsprechung zum Betreuungsunterhalt minderjähriger Kinder gemäß § 1570 BGB und kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Begründung des Unterhaltsanspruchs mit der Betreuungsbedürftigkeit eines volljährigen Kindes im Rahmen der Einzelfallsprüfung die gleichen Kriterien zugrunde zu legen sind. Ist bei der Betreuung minderjähriger Kinder zunächst zu prüfen, ob die Betreuung des Kindes auf andere Art und Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, so ist auch bei einem volljährigen Kind zu prüfen, ob die Betreuung in einer behindertengerechten Einrichtung gesichert werden kann.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 17.03.2010, XII ZR 204/08