Leitsatz
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung damit auseinandergesetzt, ob sich ein Elternteil Erwerbseinkünfte ganz oder teilweise anrechnen lassen muss, die er neben der Kindesbetreuung erzielt. Ferner ging es um die Frage, ob der barunterhaltspflichtige Elternteil Betreuungsleistungen anbieten kann mit der Folge, dass der betreuende Elternteil verpflichtet ist, einer weitergehenden Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Sachverhalt
Geschiedene Eheleute stritten um den nachehelichen Unterhalt. Die 1971 geborene Antragstellerin und der 1970 geborene Antragsgegner hatten im September 1999 geheiratet. Im September 2000 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Die Eheleute trennten sich im März 2005 und wurden auf den im Dezember 2006 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin mit Urteil vom 22.7.2008 rechtskräftig geschieden. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den gemeinsamen Sohn wurde der Antragstellerin übertragen, die wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes in seinen ersten drei Lebensjahren nicht erwerbstätig war. In der Folgezeit arbeitete sie zunächst 25 Stunden wöchentlich in ihrem erlernten Beruf als Rechtsanwalts- und Notargehilfin mit einer Arbeitszeit von montags bis mittwochs und freitags von 9.00 bis 14.00 Uhr sowie donnerstags von 13.00 bis 18.00 Uhr. Der Sohn besuchte im Anschluss an die Schule bis 15.00 Uhr einen Hort. Donnerstags wurde er sodann vom Antragsgegner und dem Großvater väterlicherseits betreut.
Aus ihrer Erwerbstätigkeit erzielte die Antragstellerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen Nettoeinkünfte von ca. 1.150,00 EUR.
Das AG hielt die gegenwärtig ausgeübte Erwerbstätigkeit der Antragstellerin für ausreichend und hat das von ihr erzielte Einkommen in die Unterhaltsberechnung eingestellt. Das KG hat die Berufung des Antragsgegners zurückgewiesen und die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Die von ihm eingelegte Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidung
Der BGH legte zunächst dar, dass § 1570 Abs. 1 BGB den sog. Basisunterhalt bis zum dritten Lebensjahr des Kindes regele, danach den Billigkeitsunterhalt. Während der ersten drei Lebensjahre des Kindes könne der betreuende Elternteil frei entscheiden, ob er das Kind selbst betreuen wolle oder nicht. Eine in dieser Zeit ausgeübte Erwerbstätigkeit könne auch jederzeit wieder aufgegeben werden. Würden allerdings Einkünfte hieraus erzielt, so blieben diese nicht völlig unberücksichtigt. Vielmehr finde nach den Umständen des Einzelfalls eine Anrechnung statt. Kind- oder elternbezogene Gründe, die zu einer Verlängerung des Unterhalts nach Vollendung des dritten Lebensjahres führen könnten, seien vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und ggf. zu beweisen. Das sog. Altersphasenmodell sei nach dem Willen des Gesetzgebers nicht länger haltbar. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres eine kindgerechte Einrichtung besuche oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, könne sich der betreuende Elternteil nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbezogene Verlängerungsgründe berufen. Dies gelte sowohl für den rein zeitlichen Aspekt der Betreuung als auch für den sachlichen Umfang der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung. Die Berücksichtigung elternbezogener Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts sei Ausdruck der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich sei dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und in die gemeinsame Ausgestaltung der Betreuung. Den Unterhaltsberechtigten träfen die Darlegungs- und Beweislast für kind- oder elternbezogene Verlängerungsgründe.
Hierzu habe die Kindesmutter nicht ausreichend vorgetragen. Auch ein pauschaler Betreuungsbonus komme nicht in Betracht. Ohnehin sei auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbiete. Maßstab seien das Kindeswohl einerseits, die Erwerbsobliegenheit des Umgangsberechtigten andererseits. Bestehe bereits eine gerichtliche Umgangsregelung, so sei diese vorgreiflich.
Hinweis
Die Entscheidung des BGH zum Betreuungsunterhalt knüpft mit einer Ausnahme nahtlos an die bisherigen Entscheidungen an. Die Besonderheit des vorliegenden Falls bestand darin, dass der BGH sich erstmals damit auseinandergesetzt hat, ob der barunterhaltspflichtige Vater Betreuungsleistungen anbieten kann, die den betreuenden Elternteil verpflichten, einer weitergehenden Erwerbstätigkeit nachzugehen. Insoweit stellt der BGH in seiner Entscheidung darauf ab, dass zwar grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen sei, dies aber an dem Kindeswohl orientiert werden müsse. Der Begriff des Kindeswohls entstamme den Kindschaftssachen, also den Sorge- und Umgangsrechtssachen. Aus diesem Grunde wies der BGH auch darauf hin, das...