Leitsatz
Das an sich zuständige Betreuungsgericht kann nach § 4 Abs. 1 S. 1 FamFG das Verfahren aus wichtigem Grund an ein anderes Gericht abgeben. Nach § 4 S. 2 FamFG sollen die Beteiligten vor der Abgabe angehört werden. Als wichtiger Grund für eine Abgabe gilt der Umstand, dass sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort des Betroffenen zu erfüllen sind.
Nach der bis zum 31.8.2009 geltenden Rechtslage (§§ 46, 65a FGG) war sowohl die Verfügung des abgebenden als auch die des übernehmenden Gerichts für Betroffenen und Betreuer mit der Beschwerde anfechtbar. Nach Inkrafttreten des FamFG war bislang zweifelhaft, inwieweit ein Abgabebeschluss nach § 4 S. 1 FamFG angefochten werden kann.
Sachverhalt
Der unter Betreuung stehende Betroffene war zunächst im Bezirk des AG M. wohnhaft und zog am 1.12.2009 in eine im Amtsgerichtsbezirk A. liegende Gemeinde um.
Das AG M. hat, nachdem es dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, mit Beschluss vom 2.3.2010 die Abgabe des Betreuungsverfahrens an das AG A. angeordnet.
Der Betroffene hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt, die vom LG als unzulässig verworfen wurde. Wegen der Frage, ob ein Abgabebeschluss nach §§ 4 S. 1, 273 S. 1 FamFG als Zwischenentscheidung selbständig angefochten werden kann, wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Die eingelegte Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde für unzulässig.
Gegen einen Abgabebeschluss nach §§ 4 S. 1, 273 S. 1 FamFG sei ein selbständiges Rechtsmittel nicht gegeben. Die Abgabeentscheidung sei keine Endentscheidung i.S.d. §§ 58 Abs. 1, 38 Abs. 1 S. 1 FamFG, sondern vielmehr eine Zwischenentscheidung, die nach dem Rechtsmittelsystem des FamFG grundsätzlich nur selbständig mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 ZPO angefochten werden könne, wenn dies ausdrücklich gesetzlich bestimmt sei. Hieran fehle es aber für Entscheidungen nach § 4 S. 1 FamFG.
Die Abgabeentscheidung könne vielmehr nur im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die jeweilige Endentscheidung überprüft werden, § 58 Abs. 2 FamFG. Etwas anderes sei auch nicht im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz bei einer möglichen Verletzung von Verfahrensgrundrechten geboten.
Die Nachprüfung im Rahmen der Anfechtung der Hauptsache sei zudem auf Fälle der Willkür beschränkt. Insoweit sei § 65 Abs. 4 FamFG, wonach die Beschwerde gerade nicht darauf gestützt werden könne, dass das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe, im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ggf. einschränkend auszulegen.
Hinweis
Der Beschluss des BGH gilt nicht nur für Fälle, in denen die Abgabe auf den wichtigen Grund des § 273 FamFG gestützt wird, sondern erfasst alle Entscheidungen nach § 4 Abs. 1 FamFG. Es betrifft nur den Rechtsschutz der Verfahrensbeteiligten gegen die Abgabeentscheidung, nicht hingegen den Zuständigkeitsstreit zwischen abgebendem und übernehmendem Gericht, der nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG vom nächst höheren gemeinsamen Gericht zu entscheiden ist.
Letztendlich bleibt die Überprüfung der Abgabeentscheidung für den Betroffenen oder Betreuer auf Fälle der Willkür beschränkt.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 01.12.2010, XII ZB 227/10