Leitsatz
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-RL vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage und Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind in dem Sinne auszulegen, dass ein Investmentfonds, in dem das Kapitalvermögen eines Altersversorgungssystems zusammengeführt wird, nicht unter den Begriff "Sondervermögen" im Sinne dieser Bestimmungen fällt, dessen Verwaltung in Anbetracht der Ziele dieser Richtlinien und des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität von der Mehrwertsteuer befreit werden kann, da die Mitglieder nicht die mit der Verwaltung dieses Fonds zusammenhängenden Risiken tragen und die Beiträge, die der Arbeitgeber an das Altersversorgungssystem zahlt, für ihn ein Mittel darstellen, seinen gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Angestellten nachzukommen.
Normenkette
§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-RL, Art. 135 Abs. 1 Buchst. g Richtlinie 2006/112/EG
Sachverhalt
Wheels ist Treuhänderin eines Fonds, in dem das Kapitalvermögen (tarifvertraglich oder gesetzlich verpflichtender) betrieblicher Alterversorgungssysteme zu Anlagezwecken zusammengeführt wird. Während ihrer Beschäftigungsdauer zahlen die Mitglieder des Systems – dem sich alle Arbeitnehmer anschließen können, aber nicht müssen – Beiträge in Höhe eines Festbetrags, der von ihrem Gehalt abgezogen wird. Der Arbeitgeber zahlt ebenfalls Beiträge in Höhe eines Betrags, der ausreicht, um die Finanzierung der restlichen Kosten der Rentenleistungen zu gewährleisten. Die Renten für die bezeichnete Kategorie von Arbeitnehmern werden auf der Grundlage des letzten Gehalts gezahlt.
Entscheidung
Ein Altersversorgungssystem, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer Beiträge einspeisen und bei dem die Rente nach der Dauer der Zugehörigkeit zum Unternehmen und der Höhe des Gehalts vorgegeben ist, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung betrifft die Frage, ob und unter welchen Bedingungen das Kapitalvermögen eines Altersversorgungssystems und des Investmentfonds, in dem es zusammengeführt wird, unter den Begriff "Sondervermögen" der Befreiungsregel fallen. Denn die Mitgliedstaaten dürfen den Begriff "Sondervermögen" definieren.
2. Zu beachten ist dabei jedoch der Zweck der Regelung, den Kleinanlegern die Anlage in Wertpapiere über Organismen für Anlagen (OGAW), Kapitalanlagegesellschaften, durch den Wegfall der Mehrwertsteuerkosten zu erleichtern. Dadurch soll die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Bezug auf die Wahl zwischen unmittelbarer Anlage in Wertpapiere und derjenigen, die durch Einschaltung von OGAWs erfolgt, gewährleistet werden. Ein Mitgliedstaat kann insbesondere nicht, ohne den Wortlaut des Begriffs "Sondervermögen" zu missachten, auswählen, welchen von den Sondervermögen die Befreiung gewährt wird und welchen nicht. Die genannten Bestimmungen räumen ihm lediglich die Befugnis ein, in seinem innerstaatlichen Recht die Fonds zu definieren, die unter den Begriff "Sondervermögen" fallen. Als Sondervermögen sind zwar auch Fonds anzusehen, die keine OGAWs i.S.d. OGAW-Richtlinie sind, aber dieselben Kriterien erfüllen und zumindest ähnliche Umsätze ausführen und deshalb mit den OGAWs im Wettbewerb stehen.
3. Wesentliche Merkmale für OGAWs sind: Es müssen Publikumsfonds sein. Die Anleger, die ihr Vermögen in einem OGAW anlegen, tragen die Risiken der Verwaltung des Investmentfonds. Der Gewinn, den Personen, die Fondanteile kaufen, erwarten können, ergibt sich aus den Ergebnissen der Anlagen, die von den Verwaltern des Fonds während des Zeitraums, während dessen sie diese Anteile halten, getätigt werden.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 7.3.2013 – C-424/11Wheels Common Investment Fund Trustees Ltd. u.a.