Leitsatz
§§ 556 ff. BGB legen den Vermieter bei der Abrechnung von Betriebskosten nicht auf eine Abrechnung nach dem sog. Leistungsprinzip fest; auch eine Abrechnung nach dem Abflussprinzip ist grundsätzlich zulässig.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 556
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über eine Wohnung, die mit einem Zwischenwasserzähler ausgestattet war. Nach dem Mietvertrag hatte die Mieterin die Betriebskosten zu tragen. Im November 2005 erteilte die Vermieterin eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2004. In dieser Abrechnung waren bei den Wasser- und Abwasserkosten diejenigen Zahlungen aufgeführt, die von der Vermieterin im Wirtschaftsjahr 2004 an das Versorgungsunternehmen geleistet wurden. Die Zahlungen betrafen die Wasser- und Abwassergebühren für die Zeit von September 2003 bis Juli 2004. Die Gesamtkosten wurden nach dem Verhältnis der von den Zwischenzählern gemessenen Verbrauchswerte auf die einzelnen Mieter umgelegt. Die Mieterin hat die Ansicht vertreten, dass die Abrechnung über die Wasser- und Abwasserkosten fehlerhaft sei: Die Vermieterin sei verpflichtet, die Menge des im Wirtschaftsjahr 2004 (1.1.2004 bis 31.12.2004) verbrauchten Wassers zu ermitteln und auf dieser Basis abzurechnen.
Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Bei der Abrechnung von Betriebskosten sind grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Kostenerfassung denkbar:
Bei der Abrechnung nach dem Leistungsprinzip (auch Zeitabgrenzungs- oder Verbrauchsprinzip) muss der Vermieter ermitteln, welche Leistungen der Mieter im Wirtschaftsjahr erhalten hat. Dies führt zu Problemen, wenn der Vermieter seinerseits Rechnungen über Leistungen erhält, die teils in dem aktuellen Wirtschaftsjahr, teils in dem vorangegangenen Jahr erbracht worden sind. Typisch hierfür sind die Rechnungen für Wasser und Abwasser. Bei einer Abrechnung nach dem Leistungsprinzip muss der Vermieter den Hauptwasserzähler und die Zwischenwasserzähler jeweils zu Beginn und am Ende des Wirtschaftsjahrs ablesen und hierüber auf der Basis des aus der Gebührenrechnung ersichtlichen Einheitspreises abrechnen.
Gegenstand einer Abrechnung nach dem Abflussprinzip (auch Ausgabenrechnung) sind demgegenüber die Zahlungen, die der Vermieter im Wirtschaftsjahr getätigt hat, ohne dass es darauf ankommt, wann die betreffende Leistung erbracht worden ist.
In Rechtsprechung und Literatur werden zu der Frage der Kostenerfassung im Wesentlichen vier Ansichten vertreten:
1. Nach herrschender Meinung ergibt sich aus § 556 BGB, dass über die Betriebskosten nach dem Leistungsprinzip abzurechnen ist (z. B. LG Hamburg, NZM 2001, 806, 807; Weitemeyer in: Staudinger (2006), § 556 BGB Rdn. 117; Lammel, Wohnraummietrecht, § 556 BGB Rdn. 132).
2. Vereinzelt wird allerdings angenommen, dass die Parteien eine Abrechnung nach dem Abflussprinzip vereinbaren können (Palandt/Weidenkaff, § 556 BGB Rdn. 93).
3. Nach der Gegenansicht steht dem Vermieter ein Wahlrecht zu: Fehlt eine vertragliche Regelung, so kann der Vermieter sowohl nach der einen wie auch nach der anderen Methode abrechnen (Kinne in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, § 556 BGB Rdn. 54a, 78a).
4. Schließlich wird vertreten, dass eine Abrechnung nach dem Abflussprinzip dann zulässig ist, wenn im Wirtschaftsjahr kein Mieterwechsel stattgefunden hat (LG Berlin, GE 2007, 368; GE 2007, 451; Blank/Börstinghaus, Miete, § 556 BGB Rdn. 101).
Der BGH lässt offen, ob eine Abrechnung nach dem Abflussprinzip generell zulässig ist. Eine solche Abrechnung ist dem Vermieter jedenfalls dann nicht verwehrt, wenn der Mietvertrag keine abweichende Regelung enthält und wenn im Wirtschaftsjahr kein Mieterwechsel stattgefunden hat. In einem solchen Fall werde der Mieter nicht benachteiligt.
Die Entscheidung des BGH betrifft den Sonderfall, dass der Abrechnungszeitraum des Versorgungsunternehmens mit dem Abrechnungszeitraum des Vermieters nicht übereinstimmt. Hier kann der Vermieter diese Kosten nach dem Abflussprinzip abrechnen.
Die Frage, ob der Vermieter alle Betriebskosten nach dem Abflussprinzip abrechnen darf, hat der BGH nicht ausdrücklich entschieden. Nach den Gründen des Urteils ist diese Frage aber wohl zu bejahen. Dies ist insbesondere für die Abrechnung der Betriebskosten einer vermieteten Eigentumswohnung von Bedeutung, wenn die Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums innerhalb der Eigentümergemeinschaft nach dem Abflussprinzip erfasst worden sind. In diesem Fall kann der Vermieter die Verwalterabrechnung zur Grundlage der dem Mieter geschuldeten Abrechnung machen.
Der BGH hat nicht entschieden, ob der Vermieter berechtigt ist, von der bisher praktizierten Leistungsabrechnung auf eine Abrechnung nach dem Abflussprinzip zu wechseln. Dies ist wohl zu verneinen, weil eine jahrelang praktizierte Abrechnungsmethode Vertragsbestandteil wird. Hieran ist der Vermieter auch für die Zukunft gebunden.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 20.02.2008, VIII ZR 49/07