Leitsatz
Ein Gesellschafter ist kraft einer konkludent erteilten Vollmacht zur Vertretung einer GbR ermächtigt, wenn der andere Gesellschafter ihm gestattet, nahezu sämtliche Verträge namens der Gesellschaft allein abzuschließen.
Sachverhalt
Die Beklagte und R waren zu je 50 % Gesellschafter einer inzwischen aufgelösten GbR, die Wohnungen vermittelte und verwaltete. Die Geschäftsführung der GbR nahmen beide Gesellschafter gemeinsam wahr. Eine besondere Regelung über die Vertretung der GbR enthielt der Gesellschaftsvertrag nicht. Die GbR übernahm gegenüber der Klägerin durch einen allein von R unterzeichneten Vertrag eine Mietgarantie, die sie später nicht erfüllte. Die Klägerin nimmt daraus auch die Beklagte in Anspruch. Der BGH bestätigte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Garantiesumme.
Entscheidung
Die Beklagte muss als Gesellschafterin für Verbindlichkeiten der GbR persönlich einstehen. Denn Gesellschafter R war kraft einer ihm von der Beklagten stillschweigend erteilten Vollmacht berechtigt, namens der GbR gegenüber der Klägerin eine Mietgarantie zu übernehmen.
Prinzipiell entspricht der Umfang der Vertretungsmacht, sofern der Gesellschaftsvertrag keine besondere Regelung trifft, der Reichweite der Geschäftsführungsbefugnis. Im Falle gemeinschaftlicher Geschäftsführungsbefugnis sind die Gesellschafter danach (nur) als Gesamtvertreter befugt, Verbindlichkeiten zu Lasten der Gesellschaft zu begründen.
Der Grundsatz der Gesamtvertretung gilt aber nicht ausnahmslos. Einer der Mitgesellschafter kann mit der alleinigen Vertretung der Gesellschaft betraut werden. Dies kann auch – für einzelne Fälle oder generell – in konkludenter Form geschehen. Eine solche konkludente Vollmachterteilung ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn ein geschäftsführender Gesellschafter dem anderen geschäftsführenden Gesellschafter bei der Vertretung der Gesellschaft im Außenverhältnis freie Hand gewährt und seinen Wirkungskreis z.B. auf die internen Verhältnisse der Gesellschaft beschränkt.
Die Gesellschafter hatten nach den Feststellungen des Senats ihre Tätigkeitsfelder so aufgeteilt, dass die Beklagte sich vornehmlich der Bürotätigkeit widmete, während R die geschäftlichen Kontakte herstellte und in 95 % der Fälle die Verträge für die Gesellschaft allein abschloss. Schon diese Feststellung rechtfertigt die Folgerung, dass R von der Beklagten stillschweigend bevollmächtigt worden war, die GbR allein und umfassend zu vertreten.
Praxishinweis
Dass R "nur" 95% der Verträge ohne Mitwirkung der Beklagten geschlossen hat, ist nach Auffassung des BGH nicht Ausdruck einer beschränkten Vollmacht. Die Mitwirkung der – zweifelsohne aufgrund gesetzlicher Regelung weiter vertretungsberechtigten – Beklagten an einzelnen Vertragsschlüssen ist kein Beleg dafür, dass sie ihren Mitgesellschafter nicht in der vom Gericht angenommenen Weise bevollmächtigt hat.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 14.2.2005, II ZR 11/03