Leitsatz

Der BGH hat die Chancen für Schadensersatzklagen wegen der Nebenwirkungen des umstrittenen Schmerzmittels Vioxx verbessert. Es dürfen keine zu hohen Anforderungen an den Beweisvortrag der Patienten gestellt werden, die sich durch Vioxx geschädigt sehen. Andernfalls liefen die Regelungen der Arzneimittelhaftung ins Leere.

 

Sachverhalt

In den USA fließen hohe Schmerzensgeldzahlungen wegen Vioxx – nun hob der BGH ein Urteil des KG Berlin auf, das die Klage einer Patientin gegen MSD Sharp & Dohme (Tochter des US-Konzerns Merck & Co) abgewiesen hatte. Die Klägerin hatte mehr als 4 Jahre lang Vioxx eingenommen und führt darauf eine Herzerkrankung zurück. Laut BGH kann sie sich auf eine gesetzliche Beweiserleichterung berufen, die das KG ihr verwehrt hatte. Deshalb muss von ihr nur noch bewiesen werden, dass ein Mittel nach der Dauer der Einnahme und der Dosierung "geeignet" ist, solche Nebenwirkungen auszulösen. Ein kompletter Nachweis ist nicht erforderlich.

Der Verkauf des Schmerzmittels war 2004 eingestellt worden. Einer Studie zufolge bestand bei einer Einnahme von mehr als 18 Monaten ein erhöhtes Herzproblem-Risiko. In den USA hatte sich der Vioxx-Hersteller Merck & Co vergangenes Jahr mit einem Großteil der Kläger auf eine Milliarden-Entschädigung geeinigt. Bundesweit haben rund 200 Betroffene gegen das Unternehmen geklagt. In 50 Fällen seien bisher Urteile gefällt worden – durchweg gegen die Patienten. Die Gerichte hätten in diesen Fällen beanstandet, dass die Kläger die Vioxx-Einnahme oder die behauptete Erkrankung nicht hinreichend nachgewiesen hätten.

 

Hinweis

Der Patient muss zunächst begründen, dass das Arzneimittel im konkreten Fall geeignet war, den Schaden zu verursachen und dann darlegen, dass das Arzneimittel von ihm auch tatsächlich und bestimmungsgemäß angewandt wurde. Ist es dem Patienten gelungen, das Gericht vom Vorliegen dieser Voraussetzungen zu überzeugen, greift zu seinen Gunsten die Kausalitätsvermutung.

Das pharmazeutische Unternehmen kann eine Haftung nur verhindern, indem es die Kausalitätsvermutung widerlegt. Hierzu kann es z.B. einwenden, dass im Einzelfall ein anderer Umstand den Schaden verursacht hat. Ein solcher Umstand liegt aber grundsätzlich nicht "in der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen".

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss v. 1.7.2008, VI ZR 287/07.

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