Leitsatz

Ein Geständnis in einem Strafverfahren stellt im Rahmen der freien Beweiswürdigung des Zivilgerichts ein wichtiges Indiz für die Wahrheit der zugestandenen Tatsachen dar. Das Gericht darf diesen Beweis aber nur dann als geführt ansehen, wenn es zuvor alle für die Unrichtigkeit des Geständnisses angetretenen Beweise erhoben hat.

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Verein, nahm den Beklagten, ein früheres Vorstandsmitglied, auf Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte soll in 28 Fällen ohne Zustimmung des Vorstands 286191 DM an Vereinsgeldern für eigene Zwecke verwandt haben. Unter anderem wegen dieser Vorwürfe hat ein Strafverfahren gegen den Beklagten stattgefunden, in dem er ein umfassendes Geständnis abgelegt hat und wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist. Das LG hat den Beklagten antragsgemäß zum Schadensersatz verurteilt. Seine Berufung ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten, die zur Zurückverweisung der Sache führte.

 

Entscheidung

Ein in einem anderen Prozess abgelegtes Geständnis bindet das Zivilgericht nicht absolut. Es ist lediglich im Rahmen der freien Beweiswürdigung als Indiz für die Wahrheit der zugestandenen Tatsachen zu berücksichtigen[1]. In diesem Rahmen kann das Geständnis eine so große Beweiskraft entfalten, dass es zur richterlichen Überzeugungsbildung auch dann ausreicht, wenn es widerrufen worden ist und die Gegenpartei keine weiteren Beweismittel vorgebracht hat. Das Gericht darf seiner Entscheidung aber keine für eine Partei ungünstige Tatsache zugrunde legen, ohne zuvor alle von dieser Partei ausdrücklich dazu angebotenen Gegenbeweise erhoben zu haben. Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn ein verfahrens- oder beweisrechtlicher Grund zur Ablehnung des Beweisantrags vorliegt[2].

Gegen diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht nach Meinung des Senats verstoßen. Das OLG hat die von dem Beklagten angebotenen Beweise nicht erhoben. Der Beklagte hat die Vorwürfe des Klägers bestritten und dazu in verschiedenen Fällen Beweis angetreten. Er hat dieses Bestreiten auch nach seinem Geständnis in dem Strafverfahren aufrechterhalten. Der Beklagte hat im Zivilverfahren auch nach der strafgerichtlichen Verurteilung Untreuevorwürfe zurückgewiesen. Er hat vor allem ausdrücklich erklärt, dass er sein Geständnis aus dem Strafverfahren in allen Punkten widerrufe. Damit hätte das OLG die von dem Beklagten angetretenen Beweise erheben und z.B. überprüfen müssen, ob den von ihm unstreitig veranlassten Zahlungen gleichwertige und dem Verein letztlich nützliche Gegenleistungen gegenübergestanden haben. Der pauschale Hinweis auf das Geständnis im Strafverfahren reicht zu einer Verurteilung jedenfalls nicht aus.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 15.3.2004, II ZR 136/02

[1] Vgl. BGH-Urteile vom 30.10.1984, IX ZR 6/84, VersR 1985, S. 83; vom 15.6.1994, XII ZR 128/93, NJW 1994, S. 3165
[2] Vgl. BVerfG-Beschluss vom 8.11.1978, 1 BvR 158/78, NJW 1979, S. 413; BGH-Urteile vom 29.10.1996, XI ZR 319/95, NJW-RR 1997, S. 238; vom 18.11.2003, XI ZR 332/02, ZIP 2004, S. 159

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