Leitsatz
Auch wenn der Erbe seine Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten verletzt, folgt hieraus grds. keine Umkehr der Beweislast dahingehend, dass nunmehr der Erbe für das Nichtbestehen einer zunächst nicht angegebenen Nachlassverbindlichkeit beweispflichtig wäre.
Sachverhalt
Die Kläger, Kinder des Erblassers, verlangen von der Beklagten, der zweiten Frau und testamentarischen Alleinerbin des Erblassers, Zahlung des Pflichtteils. Nachdem die Beklagte ein Nachlassverzeichnis erstellt hatte und die Kläger ihren darauf beruhenden Pflichtteilsanspruch vor dem LG begehrten, fand die Beklagte Belege, die aufzeigten, dass der Nachlass bereits im Zeitpunkt des Erbfalls durch Darlehen überschuldet war. Dennoch gab das LG nach Vernehmung einer Bankangestellten der Klage in Höhe der geltend gemachten Pflichtteilsansprüche statt. Auf die Berufung der Beklagten hin wurde die Klage durch das OLG insgesamt abgewiesen (ZEV 2009, 36). Hiergegen wenden sich die Kläger erfolglos mit der Revision.
Entscheidung
Der Pflichtteilsberechtigte ist für alle Tatsachen beweispflichtig, von denen der Grund und die Höhe seines Anspruchs abhängen, ebenso für das Nichtbestehen einer vom Erben substantiiert dargelegten Nachlassverbindlichkeit. Diese allgemeingültige Beweislastverteilung kann nicht durch einzelfallbezogenen Billigkeitserwägungen überlagert werden, sondern allein dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Beweis ansonsten völlig verloren geht, wie etwa bei groben Verletzungen von Berufspflichten. Hier greift zu Gunsten des Geschädigten zumindest der Beweis des ersten Anscheins ein. Es gibt jedoch keinen allgemeinen Grundsatz, dass das Aufklärungsrisiko allein demjenigen zur Last fällt, der es durch seine Pflichtwidrigkeit geschaffen hat.
Allein die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Umfangs des Nachlasses rechtfertigen es nicht, dem Erben im Falle schuldhafter Verletzung der Auskunftspflicht generell die Beweislast aufzuerlegen. Ihn trifft sowieso eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich des Bestehens der verschwiegenen Verbindlichkeiten, wobei das Verschweigen i.R.d. Anforderungen an die notwendige Substantiierung berücksichtigt werden kann. Auch droht den Pflichtteilsberechtigten kein Beweismittelverlust.
Eine Umkehr der Beweislast würde dazu führen, dass der Pflichtteilsberechtigte besser gestellt wäre, dem eine fehlerhafte oder unvollständige Auskunft erteilt wurde. Denn hätte die Beklagte die Verbindlichkeiten bereits im ursprünglichen Verzeichnis aufgeführt, so hätten die Kläger allein die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB verlangen können, wobei die Beweislast weiter bei ihnen verblieben wäre. Eine Beweislastumkehr würde dazu führen, dass bei schuldhafter Auskunftspflichtverletzung die Beklagte nunmehr den Vollbeweis für das Vorliegen der Verbindlichkeit führen müsste. Für diese Differenzierung besteht jedoch kein sachlicher Grund.
Eine Beweislastumkehr kommt daher nur bei besonderen Sachlagen, wie z.B. Arglist und bewusster Beweisvereitelung, in Betracht, wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen. Schließlich ist auch ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB möglich.
Die Beklagte hat auch substantiiert vorgetragen, dass die Verbindlichkeiten bereits im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden. Zwar haben die Darlehensverträge nicht vorgelegen, doch habe sich das Berufungsgericht seine Meinung ohne Verstoß gegen § 286 ZPO auf Grund der Aussage der Bankangestellten bilden können. Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser nicht oder nicht mehr Kreditnehmer gewesen sei, hat die Revision nicht aufgezeigt.
Auch liegt kein Verstoß gegen. § 286 ZPO darin, dass nicht aufklärbar war, für welchen der zwei Kredite der Erblasser allein haftete und für welchen nach § 426 BGB in Innenverhältnis zu der Beklagten wohl nur zu ½, da der Nachlass in jedem Falle überschuldet war.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 10.03.2010, IV ZR 264/08