Leitsatz
Die im Jahre 1991 geborene Tochter geschiedener Eltern, die im Haushalt ihrer für sie sorgeberechtigten Mutter lebte, nahm ihren Vater auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch. Freiwillig leistete er 233,00 EUR monatlich, die Tochter begehrte einen Betrag von 284,00 EUR monatlich.
Der Beklagte hatte ein Mathematikstudium abgebrochen und keinen Beruf erlernt. Im Januar 2002 war er eine neue Ehe eingegangen, aus der eine weitere im August 2004 geborene Tochter hervorgegangen war. Seine zweite Ehefrau betrieb einen Feinkostladen mit Partyservice. Seit dem Jahre 2001 arbeitete er als Beikoch in ihrem Betrieb und erzielte im Jahre 2003 ein durchschnittliches Nettoeinkommen von ca. 870,00 EUR. Seit Januar 2004 war er stiller Gesellschafter und mit 50 % am Gewinn beteiligt. Im Jahre 2004 betrug sein Gewinnanteil 12.000,00 EUR. Für Kranken- und Pflegeversicherung leistete er monatlich einen Betrag von 264,44 EUR sowie weitere Beträge für eine Berufsunfähigkeitsversicherung, eine Unfall- und eine Rentenversicherung.
Der Beklagte beantragte für seine Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe und berief sich auf Leistungsunfähigkeit und darauf, auch die Mutter der Klägerin müsse neben der Betreuung auch den Barunterhalt aufbringen, da sie Inhaberin einer Firma sei. Ihr Einkommen sei auf monatlich mindestens 6.000,00 EUR zu schätzen.
Das erstinstanzliche Gericht hatte dem Beklagten ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit zugerechnet und auf dieser Basis das für die Unterhaltszwecke verfügbare Einkommen zwischen der Klägerin, der zweiten Ehefrau und der Tochter aus zweiter Ehe aufgeteilt. Eine Verpflichtung der Mutter der Klägerin zur Beteiligung am Barunterhalt hat es verneint, weil insoweit spezifizierter Vortrag zur Höhe ihrer Einkünfte fehle.
Gegen diesen Beschluss wandte sich der Beklagte mit der Beschwerde, die in vollem Umfang Erfolg hatte.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Gegen die Bemessung der fiktiven Einkünfte des Beklagten durch das erstinstanzliche Gericht hatte das OLG keine Bedenken. Auch wenn er keinen Beruf erlernt habe, verfüge er doch mit der Hochschulreife über einen qualifizierten Schulabschluss und sei als Beikoch in der Firma seiner Ehefrau zuletzt mit einem Stundenlohn von 10,23 EUR entlohnt worden. Dass dieser Stundenlohn überhöht gewesen und anderweitig nicht zu erzielen sei, habe er nicht dargelegt.
Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass der Beklagte die Voraussetzungen für eine Heranziehung ihrer Mutter und gesetzlichen Vertreterin zum Barunterhalt gem. § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB nicht dargelegt habe, weil sie selbst ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen sei. Der Beklagte mache mit seiner Beschwerde zu recht geltend, dass es zulässig sei, die Einkünfte der Mutter der Klägerin zu schätzen und die Klägerin sich nicht auf ein pauschales Bestreiten dieser Schätzung habe beschränken dürfen.
Der dem Beklagten vom erstinstanzlichen Gericht gewiesene Ausweg, die Mutter der Klägerin in einem gesonderten Verfahren gem. § 242 BGB auf Auskunft in Anspruch zu nehmen, sei ein unnötig kostenträchtiger und die Erledigung verzögernder Umweg. Nach Auffassung des OLG kann der Beklagte vielmehr auf der Grundlage der Beistands- und Rücksichtspflichten gem. § 1618a BGB verlangen, dass die Klägerin selbst durch ihre Mutter deren Einkommensverhältnisse unter Vorlage entsprechender Unterlagen konkret vorträgt. Solange sie dies nicht tue, genüge die schlüssige Behauptung des Beklagten, dass erheblich bessere Einkommensverhältnisse aufseiten der Mutter deren Beteiligung am Barunterhalt rechtfertigten. Dies mache seine Rechtsverteidigung in weitergehendem Umfang aussichtsreich, als bislang vom erstinstanzlichen Gericht angenommen.
Zwar führe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB nicht dazu, dass der Unterhaltspflichtige von jeder Unterhaltsverpflichtung frei werde, es komme allerdings nur noch ein äußerst geringer Unterhaltsanspruch der Klägerin in Betracht, wenn man mangels substantiierten Bestreitens der Klägerin ein Einkommen der Mutter in Höhe von 6.000,00 EUR monatlich zugrunde lege.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 27.01.2006, 11 WF 374/05