Dr. Manuel Schütt, Dr. Adrian Löser
2.1 Vorstellungsgespräch und Testaufgaben während des Bewerbungsverfahrens
Erstes Ergebnis einer erfolgreichen Anbahnungsmaßnahme ist regelmäßig das Vorstellungsgespräch im Betrieb, bei dem es um die mögliche Einstellung eines Bewerbers geht.
Wenn solche Gespräche auch "unverbindlich" sind, bewegen sie sich doch nicht im rechtsfreien Raum. Mit der Aufnahme derartiger Verhandlungen entsteht zwischen Arbeitgeber und Bewerber als potenziellem Arbeitnehmer bereits ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis, das ein gesetzliches Schuldverhältnis eigener Art ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob später ein Arbeitsvertrag zustande kommt oder nicht.
Es werden damit zwar keine sog. Hauptleistungspflichten (etwa ein einklagbarer Anspruch auf Einstellung), aber doch wechselseitige Sorgfaltspflichten begründet, für deren (schuldhafte) Verletzung sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer haften müssen. Grundlagen hierfür sind der Gesichtspunkt des "Verschuldens bei Vertragsschluss" (vgl. § 311 Abs. 2 BGB bzw. das AGG) sowie letztlich der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, der das gesamte Arbeitsrecht beherrscht.
Das bedeutet allerdings nicht, dass etwa allein der Abbruch von Einstellungsverhandlungen schon eine Haftung begründet, selbst wenn der Arbeitgeber von hohen Aufwendungen des Bewerbers weiß. Wenn jedoch der Arbeitgeber schuldhaft das Vertrauen auf das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses geweckt hat oder gar den Bewerber veranlasst hat, seine bisherige Stelle zu kündigen, macht er sich schadensersatzpflichtig. Dasselbe gilt bei der Verletzung von Obhutspflichten, z. B. der Pflicht, den Partner vor nutzlosen Aufwendungen im Hinblick auf den Vertragsschluss zu bewahren oder von Aufklärungspflichten im Hinblick auf besondere (nicht jedem Vertragsschluss innewohnenden) Risiken.
Realistische Angaben im Bewerbungsgespräch
Es muss daher davor gewarnt werden, bei einem Bewerber unnötige Erwartungen zu wecken.
Das AGG bringt auch hinsichtlich des Vorstellungsgesprächs Risiken mit sich. Es besteht hier das Risiko, dass vor allem bei Fragen im persönlichen Bereich Diskriminierungsmerkmale aus § 1 AGG aufgedeckt werden.
Vorstellungsgespräche vollständig dokumentieren
Vorstellungsgespräche sollten daher aufseiten des Arbeitgebers insbesondere bei "Risikobewerbern" frei von Diskriminierungen indizierenden Fragen geführt und stichpunktartig, aber vollständig und zutreffend dokumentiert werden.
2.2 Prüfungsaufgaben und Eignungstests
Ein potenzieller Arbeitgeber darf einem Bewerber im Bewerbungsgespräch auch Prüfungsaufgaben stellen, um die Eignung für die ausgeschriebene Stelle zu überprüfen. Dies ist besonders in Berufen üblich, in denen spezifische Fähigkeiten und Kenntnisse erforderlich sind; der Bewerber muss hierzu jedoch einwilligen. Es ist zudem wichtig, dass die Prüfungsaufgaben im Zusammenhang mit der zu besetzende Stelle stehen.
Bei umfassenden Prüfungsaufgaben wird oft von einem Assessment-Center gesprochen, in dem die Leistungen und Schwächen von Teilnehmern in Bezug auf vorher festgelegte Anforderungen bewertet werden. Dabei beobachten mehrere Personen gleichzeitig mehrere Teilnehmer. Die Teilnehmer müssen einwilligen, dass das Assessment-Center durchgeführt wird. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach den §§ 94, 95 BetrVG. Die Aufnahme in das Assessment-Center führt zur "Einstellung" und damit zur Mitbestimmungspflicht.
Bei der Prüfung von Bewerbern werden zum Teil auch psychologische Eignungstests durchgeführt.
Psychologische Tests
Neben Persönlichkeitstests können solche psychologische Tests bspw. auch IQ-Tests oder motorische Tests sowie Geschicklichkeitstests zum Prüfen bestimmter Fähigkeiten sein.
Für solche Tests ist die Zustimmung des Bewerbers erforderlich, die auch konkludent durch die Testteilnahme erklärt werden kann. Die Tests sind grundsätzlich dann zulässig, wenn sie dazu ausgelegt sind, die Eignung des Bewerbers für die angestrebte Tätigkeit festzustellen und ihn nicht unangemessen ausforschen. Ferner ist dem Bewerber zu erklären, wie das Testverfahren abläuft und was mit dem Test erkundet werden soll. Zudem ist der Test unter fachkundiger Leitung durchzuführen und muss wissenschaftlich anerkannt sein.
Psychologe darf keine unzulässigen Fragen stellen
Auch der Psychologe darf keine Fragen stellen, die nicht vom Fragerecht des Arbeitgebers gedeckt sind, die also der Arbeitgeber nicht selbst stellen dürfte.
Sollten die Eignungstest KI-basiert erfolgen, handelt es sich um eine sogenannte Hochsrisiko-KI. Bei einem solchen Einsatz sind arbeitsrechtliche Vorgaben und die KI-Verordnung einzuhalten. Insbesondere sind diskriminierungsrelevante Effekte auch und gerade mit Blick auf die verwendete Datenbasis zu adressieren und unzulässige Fragen, gerade solche mit Bezug zu den Merkmalen nach § 1 AGG, zu unterlassen.
2.3 Einstellungsuntersuchung
Ärztliche Einstellungsuntersuchungen bei einem Bewerber sind nur zulässig, wenn der Bewerber ausdrücklich eingewilligt hat. Eine Ausnahme gilt selbstverständl...