Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung des Finanzgerichts, dem Ersuchen des FA um eine eidliche Vernehmung (§ 94 AO 1977) stattzugeben, ist mit der Beschwerde anfechtbar. Berechtigt, Beschwerde einzulegen, ist allerdings nur derjenige, der von einer solchen Entscheidung in seinen Rechten verletzt, d. h. beschwert wird.
Normenkette
FGO § 128; AO 1977 § 94
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) führt ein Einspruchsverfahren durch, das die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1969 für eine nicht mehr bestehende Rechtsanwaltssozietät betrifft. Teilhaber dieser Sozietät waren der Beschwerdeführer und Rechtsanwalt ... Für die Entscheidung über den Einspruch kommt es nach Auffassung des FA auf tatsächliche Vorgänge an, die den Verkehr des Beschwerdeführers mit seiner Bank betreffen.
Das FA hat zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Auskunft das Finanzgericht (FG) gemäß § 94 der Abgabenordnung (AO 1977) um die eidliche Vernehmung einer früheren Angestellten der Anwaltssozietät, Frau A., ersucht.
Das FG hat darauf am 5. Juli 1979 beschlossen, zu dem im Ersuchen des FA bezeichneten Beweisthema durch eidliche Vernehmung der Frau A. Beweis zu erheben.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde. Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist das Ersuchen des FA nach § 94 AO 1977 unzulässig, weil das FA nicht zuvor versucht habe, eine unbeeidete Auskunft von Frau A. zu erhalten. Außerdem sei das rechtliche Gehör verletzt worden, weil ihm das FA keine Gelegenheit gegeben habe, zu dem Ersuchen um eidliche Vernehmung Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Ersuchen des FA um eidliche Vernehmung abzulehnen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann die Finanzbehörde, welche die Beeidigung einer anderen Person als eines Beteiligten mit Rücksicht auf die Bedeutung der Auskunft oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Auskunft für geboten hält, das für den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort der zu beeidigenden Person zuständige FG um die eidliche Vernehmung ersuchen. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen im Rahmen dieses Verfahrens Rechtsbehelfe erhoben werden können, ist noch nicht abschließend geklärt. Im Streitfall kann die Beschwerde jedenfalls schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Beschwerdeführer von dem angefochtenen Beschluß nicht beschwert ist.
1. Zur Statthaftigkeit der Beschwerde.
Eine Beschwerde kommt nur in Betracht gegen "Entscheidungen" des FG (§ 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Keine "Entscheidungen" in diesem Sinne sind Maßnahmen, die den formellen Ablauf des Verfahrens betreffen (Gräber, Finanzgerichtsordnung, Anm. 1 A zu § 128). Hiernach können auch die in den Fällen des § 94 AO 1977 erfolgende Ladung der Auskunftsperson und die Anberaumung eines Vernehmungstermins nicht als "Entscheidungen" angesehen werden. Diese Verfügungen sind nicht beschwerdefähig (§ 128 Abs. 2 FGO).
Die den Vernehmungstermin vorbereitende Tätigkeit des Gerichts beschränkt sich allerdings nicht auf die Ladung der Auskunftsperson und die Anberaumung des Termins. Diesen Maßnahmen geht vielmehr zwangsläufig eine Entscheidung i. S. des § 128 Abs. 1 FGO voraus. Wird auf Ersuchen des FA die zu vernehmende Person geiaden, so gibt das FG damit zu erkennen, daß es keine Gründe gesehen hat, das Auskunfts- und Beeidigungsersuchen des FA abzulehnen. Darin liegt zugleich die Entscheidung, daß das FG das Ersuchen für rechtlich unbedenklich hält. Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde angefochten werden (so im Ergebnis auch Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. März 1979 I B 79/78. BFHE 128, 12. BStBl II 1979, 538). Eine Beschwerdemöglichkeit in derartigen Fällen ist auch nicht ohne Sinn und Zweck. Zwar ist das FG grundsätzlich an das Ersuchen des FA gebunden (Kanzler, Deutsche Steuer-Zeitung 1977 S. 326 [328]; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Anm. 24 zu § 94 AO 1977; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., Anm. 3 zu § 94 AO 1977). Dem Gericht steht jedoch im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Ersuchens in beschränktem Umfang eine Prüfungsbefugnis zu. Das Gericht hat z. B. darüber zu entscheiden, ob die zu vernehmende Person Subjekt der in § 94 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 geregelten eidlichen Vernehmung sein kann (BFH-Beschluß I B 79/78). Darüber hinaus ist das Gericht auch gehalten, die inhaltlichen und förmlichen Voraussetzungen zu prüfen, die an das Ersuchen durch das FA zu stellen sind (vgl. Kanzler, a. a. O., S. 328). Es ist nicht denkbar, daß das Gericht an Ersuchen gebunden sein soll, die nicht gewissen inhaltlichen und förmlichen Mindestanforderungen entsprechen. Möglicherweise können sich auch in diesem Zusammenhang Beschwerdepunkte ergeben.
Wenn sich der Beschwerdeführer im Streitfall dagegen wendet, daß das FG das Ersuchen um eidliche Vernehmung der Frau A. nicht abgelehnt hat, so ist die Beschwerde hiergegen jedenfalls nicht unstatthaft.
2. Zur Beschwer
Entscheidet das Gericht, daß es dem Ersuchen um eidliche Vernehmung folgen will, so ist allerdings nicht jeder, der an dem Ausgang des Verfahrens ein Interesse hat, zur Beschwerdeeinlegung berechtigt.
Die Beschwerde steht nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 128 Abs. 1 FGO) "den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen" zu. Wie der in § 128 Abs. 1 FGO verwendete Begriff des "Beteiligten" in Beschwerdeverfahren, die im Zusammenhang mit dem Ersuchen um eidliche Vernehmung nach § 94 AO 1977 stehen, auszulegen ist. kann hier dahinstehen. In jedem Fall kann eine Beschwerde zulässigerweise nur von jemandem erhoben werden, der von der angefochtenen Entscheidung betroffen ist.
Betroffen ist, in wessen Rechte eingegriffen wird (Gräber, a. a. O., Anm. 6 zu § 128), wer also durch die Entscheidung beschwert ist. Die Frage, ob auch ein Steuerpflichtiger im Rahmen des Auskunftsverfahrens nach § 94 AO 1977 zu diesem Personenkreis gehören kann, ist umstritten. Nach Ansicht von Söhn (a. a. O., Anm. 36) ist der Steuerpflichtige durch das Ersuchen um eidliche Vernehmung eines Dritten nicht beschwert. Kanzler (a. a. O., S. 328) hält es dagegen für möglich, daß Rechte des Steuerpflichtigen verletzt sein können. Die Frage braucht im Streitfall indessen nicht abschließend entschieden zu werden. Denn zur Zulässigkeit der Beschwerde eines von der Entscheidung des FG "Betroffenen" gehört in jedem Fall. daß er einen Sachverhalt vorträgt, aus dem sich - seine Richtigkeit unterstellt - ergibt, daß er in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 40 Abs. 2 FGO zu den gleichartigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage; hierzu Gräber, a. a. O., Anm. 8 zu § 40). Daran fehlt es im Streitfall.
Die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen das Vernehmungsersuchen (und dessen Annahme durch das FG) lassen - schon nach dem eigenen Vortrag des Beschwerdeführers - eine Verletzung seiner Rechte nicht erkennen. Wenn der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des FG einwendet, das Ersuchen des FA um eidliche Vernehmung der Frau A. sei unzulässig gewesen, weil das FA nicht zuvor versucht habe, eine unbeeidigte Auskunft der Frau A. zu erhalten, so läßt sich diesem Vortrag nicht die Darlegung einer Rechtsverletzung entnehmen. Denn der Beschwerdeführer hat kein Recht darauf, daß einer eidlichen Vernehmung durch das Gericht eine uneidliche Vernehmung durch das FA vorauszugehen hat. Wenn der Beschwerdeführer weiter geltend macht, sein Recht auf Gehör sei verletzt, weil ihm das FA keine Gelegenheit gegeben habe, zu dem Ersuchen um eidliche Vernehmung Stellung zu nehmen, so ist auch insoweit sein Vortrag unschlüssig. Das Recht auf Gehör wird nach der gesetzlichen Regelung (§ 94 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO 1977) dadurch gewährt, daß die Beteiligten Gelegenheit erhalten, am Vernehmungstermin teilzunehmen und dort Fragen zu stellen (§ 94 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO); demnach ist das FA nicht gehalten, den Steuerpflichtigen bereits vor dem Ersuchen Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben.
Fundstellen
BStBl II 1980, 2 |
BFHE 1979, 494 |