Leitsatz (amtlich)
Wird Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wegen Versagung der Prozeßkostenhilfe durch das FG beantragt, muß erneut eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt werden, und zwar bis zum Ablauf der Beschwerdefrist. Eine Bezugnahme auf die im Antragsverfahren auf amtlichem Vordruck abgegebene Erklärung reicht jedoch aus, wenn der Beschwerdeführer innerhalb der Beschwerdefrist unter Bezugnahme auf diese Erklärung versichert, daß die Verhältnisse unverändert sind.
Orientierungssatz
1. Der Vertretungszwang beim BFH (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG) gilt auch für die Einlegung einer Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Prozeßkostenhilfe durch das FG (vgl. BFH-Beschluß vom 18.7.1985 V S 3/85). Für das Beschwerdeverfahren kann Prozeßkostenhilfe (mit der Beiordnung eines postulationsfähigen Vertreters) gewährt werden.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt in Betracht, wenn ein Beteiligter wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel durch einen Bevollmächtigten i.S. des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG einlegen zu lassen. Das setzt aber voraus, daß der Beteiligte alles in seinen Kräften Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seinerseits das der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels entgegenstehende Hindernis zu beheben (Rechtsprechung: BFH, BSG, BGH).
Normenkette
FGO § 142; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; ZPO §§ 117, 114
Tatbestand
Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) haben Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1978 vom 25.Oktober 1979 erhoben, der davon ausgeht, daß die Kläger in Gesellschaft bürgerlichen Rechts während einiger Monate des Jahres 1978 eine Gaststätte mit einem geschätzten Gewinn von 32 000 DM betrieben haben. Der Kläger hat beim Finanzgericht (FG) beantragt, ihm wegen Mittellosigkeit Prozeßkostenhilfe (PKH) zur Durchführung des Klageverfahrens zu gewähren und ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen. Dem Antrag war eine auf amtlichem Vordruck abgegebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (vom 3.Januar 1986) beigefügt. Das FG hat den Antrag mit Beschluß vom 25.Februar 1986 abgelehnt; die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete wegen Bestandskraft des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids keine Aussicht auf Erfolg.
Gegen diesen am 28.Februar 1986 zugestellten Beschluß haben beide Kläger mit einem am 11.März 1986 beim FG eingegangenen Schreiben persönlich Beschwerde eingelegt und zugleich beantragt, ihnen für das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) PKH zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen. Die Kläger haben auf einen entsprechenden Hinweis der Geschäftsstelle des erkennenden Senats mit Schreiben vom 3.September 1986 eine auf amtlichem Vordruck abgegebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgereicht und dazu vorgetragen, diese Verhältnisse seien bereits zu früherem Zeitpunkt gegenüber dem FG erläutert worden. Ersatzweise werde insoweit Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.
Entscheidungsgründe
Der Senat verbindet beide Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung (§ 73 der Finanzgerichtordnung --FGO--).
1. Die Beschwerden der Kläger sind unzulässig.
a) Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig, da die Klägerin durch die angegriffene Entscheidung des FG nicht betroffen ist. Der den Antrag auf Gewährung von PKH für das Klageverfahren ablehnende Beschluß des FG ist gegenüber dem Antragsteller, also dem Kläger, ergangen. Das Verfahren der Bewilligung von PKH ist nicht Teil des Klageverfahrens, in dem die Klägerin Beteiligte i.S. des § 57 FGO ist, sondern ein gesondertes Verfahren der staatlichen Daseinsvorsorge zur Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes. An diesem allein vom Kläger betriebenen Verfahren ist die Klägerin nicht beteiligt gewesen.
b) Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig, da er --wie auch die Klägerin-- bei Einlegung dieses Rechtsmittels nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten war, der gemäß Art.1 Nr.1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) zur Vertretung vor dem BFH befugt ist (vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 18.Juli 1985 V S 3/85, BFHE 143, 528, BStBl II 1985, 499).
2. Der Antrag auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren wird als unbegründet abgelehnt.
a) Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren vor dem BFH, mit dem sich der Kläger gegen die Ablehnung seines PKH-Antrages durch das FG wendet, ist zulässig. Wie der V.Senat des BFH im Beschluß in BFHE 143, 528, BStBl II 1985, 499 entschieden hat, kann wegen des Vertretungszwangs vor dem BFH, der auch im Falle einer Beschwerde wegen Versagung von PKH gilt, für das Beschwerdeverfahren PKH (mit Beiordnung eines postulationsfähigen Vertreters) gewährt werden.
b) Die Zulässigkeit des Antrages des Klägers wird nicht dadurch berührt, daß die von ihm persönlich eingelegte Beschwerde wegen mangelnder Postulationsfähigkeit als unzulässig zurückgewiesen werden muß (vgl. Abschn.1 b der Gründe). Dem Kläger könnte grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Beschwerdefrist gewährt werden, falls ein nach Art.1 Nr.1 BFHEntlG vertretungsberechtigter Bevollmächtigter nach Ergehen dieser Entscheidung erneut Beschwerde einlegen und gleichzeitig fristgerecht den Wiedereinsetzungsantrag stellen würde. Im Hinblick auf diese Möglichkeit wäre die Unzulässigkeit der vom Kläger persönlich eingelegten Beschwerde unbeachtlich (vgl. zuletzt Beschluß in BFHE 143, 528, BStBl II 1985, 499).
c) Der Antrag der Klägerin ist unzulässig, da sie die Bewilligung von PKH für ein Verfahren begehrt, an dem sie wegen Unzulässigkeit ihrer Beschwerde nicht beteiligt ist (vgl. Abschn.1 a der Gründe).
d) Der Antrag des Klägers ist jedoch nicht begründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 FGO i.V.m. § 114 Abs.1 der Zivilprozeßordnung --ZPO--). Die Rechtsverfolgung hätte nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn dem Kläger nach Einlegung einer erneuten Beschwerde durch einen Bevollmächtigten i.S. des Art.1 Nr.1 BFHEntlG auf einen gleichzeitig gestellten Antrag nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Beschwerdefrist gewährt werden könnte (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 19.Juni 1985 IVa ZA 16/84, Versicherungsrecht --VersR-- 1985, 889). Das ist jedoch nicht der Fall.
Zwar kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, wenn ein Beteiligter wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel durch einen Bevollmächtigten i.S. des Art.1 Nr.1 BFHEntlG einlegen zu lassen. Das setzt aber voraus, daß der Beteiligte alles in seinen Kräften Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seinerseits das der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels entgegenstehende Hindernis zu beheben. Der Beschwerde (wegen Versagung der PKH) ist nicht nur das Gesuch um Bewilligung von PKH auch für das Beschwerdeverfahren beizufügen; innerhalb der Beschwerdefrist ist auch die auf amtlichem Vordruck abzugebende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 ZPO) dem Gericht vorzulegen, es sei denn, daß der Beteiligte hieran wiederum ohne Verschulden verhindert ist (vgl. zum PKH-Antrag im Revisionsverfahren BFH-Beschluß vom 1.September 1982 I S 4/82, BFHE 136, 354, BStBl II 1982, 737, im Anschluß an die Beschlüsse des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 13.April 1981 11 BA 46/81, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 1981, 1052, und des BGH vom 9.Juli 1981 VII ZR 127/81, VersR 1981, 884; vgl. ferner Beschlüsse des BSG vom 30.April 1982 7 BH 10/82, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 30, und des BGH vom 16.März 1983 IVb ZB 73/82, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 32, und vom 19.Juni 1985 IVa ZA 16/84, VersR 1985, 889).
Im Streitfall hat der Kläger die seinem Gesuch um Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren beizufügende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst mit Schreiben vom 3.September 1986 dem Gericht vorgelegt. Das war verspätet, da die Beschwerdefrist bereits am 14.März 1986 abgelaufen war (§ 129 FGO).
e) Der Hinweis des Klägers, er habe bereits im PKH-Verfahren vor dem FG den amtlichen Vordruck mit der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, dürfte dahin zu verstehen sein, daß der Kläger die erneute Abgabe der Erklärung im Beschwerdeverfahren nicht für erforderlich hält. Dem kann nicht beigetreten werden.
PKH wird grundsätzlich nur für einen Rechtszug gewährt (§ 119 ZPO). Damit sind die Voraussetzungen des § 114 ZPO für jeden Rechtszug gesondert zu prüfen. So ist auch im neuen Rechtszug selbständig zu prüfen, ob der Beteiligte noch bedürftig ist. Auf eine erneute Erklärung nach amtlichem Vordruck kann nur verzichtet werden, wenn der Beteiligte innerhalb der Rechtsmittelfrist unter Bezugnahme auf seine frühere Erklärung versichert, daß sich die Verhältnisse nicht geändert haben (vgl. BGH-Beschluß in StRK, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 32; ebenso Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Rdnr.39).
Die vom Kläger beabsichtigte Beschwerde gegen die ablehnende PKH-Entscheidung des FG würde einen neuen Rechtszug im oben bezeichneten Sinne darstellen. Für ihn ist erneut zu prüfen, ob die Verhältnisse i.S. des § 117 Abs.2 ZPO die Gewährung von PKH rechtfertigen. Ohne Belang ist hierbei, daß sich die Nachprüfung des Beschwerdegerichts möglicherweise auf die wirtschaftlichen Verhältnisse bezieht, wie sie im Zeitpunkt der Entscheidung des FG bestanden haben. Der Kläger hätte somit eine erneute Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen für den neuen Rechtszug des Beschwerdeverfahrens abgeben müssen, was nicht geschehen ist. Auch hat er keine Versicherung abgegeben, daß keine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist.
f) Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. einer gleichrangigen Versicherung über den Fortbestand bereits abgegebener Erklärungen sind weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die dem ablehnenden Beschluß des FG beigegebene Rechtsmittelbelehrung keinen Hinweis des Inhalts enthalten hat, daß der Beschwerdeführer die Erklärung i.S. des § 117 Abs.2 ZPO innerhalb der Rechtsmittelfrist dem Gericht einreichen muß, um die Möglichkeit zu wahren, später Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO zu erhalten (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14.Juni 1983 1 BvR 277/83, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 33).
Fundstellen
BStBl II 1987, 62 |
BFHE 148, 13 |
BB 1987, 671-673 (ST) |
HFR 1987, 194-194 (ST) |
DStZ/E 1987, 53-53 (S) |