Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensteuer. Abgabenordnung. Vermögensteuerzusammenveranlagung bei Tod eines Ehegatten nach dem Stichtag. Adressierung des Vermögensteuerbescheids
Leitsatz (amtlich)
1. Stirbt ein Ehegatte nach dem Stichtag, ist die Zusammenveranlagung von Eheleuten zur Vermögensteuer möglich. An die Stelle des Verstorbenen tritt sein Erbe als Steuerschuldner. Die Zusammenveranlagung –im Streitfall zwischen dem Sohn, als Erben, und seiner Mutter– bedeutet, daß gegen sie übereinstimmende zusammengefasste Bescheide ergangen sind. In diesem Fall hat jeder Steuerbescheid ein eigenes rechtliches Schicksal.
2. Ist gegenüber dem überlebenden Ehegatten und dem Sohn als Alleinerben oder Miterben des verstorbenen Ehegatten eine bereits entstandene Vermögensteuerschuld festzusetzen, ist der Vermögensteuerbescheid wirksam bekannt gegeben, wenn er an den Sohn, ohne dessen ausdrückliche Bezeichnung als Erben, adressiert ist, unter Angabe des Zusatzes im Anschriftenfeld: „Für den verstorbenen Herrn … und seine Frau …” (zur Auslegung dieses Hinweises und des Steuerbescheides zur Feststellung des Adressaten und Steuerschuldners sowie zur Einbeziehung des Erben in die Steuerfestsetzung).
Normenkette
VStG § 11 Abs. 1; AO 1977 § 157 Abs. 1 S. 2, §§ 45, 155 Abs. 2, § 44 Abs. 1, § 119 Abs. 1
Tatbestand
In der beim Finanzgericht (FG) anhängigen Hauptsache geht der Streit darum, ob die angefochtenen Vermögensteuerbescheide für die Jahre 1971 und 1972 wirksam bekanntgegeben worden sind und ob dem Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) im Falle der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Der Antragsteller ist Sohn der Landwirtseheleute A. Die Eheleute A sind steuerlich beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt – FA–) nicht geführt worden. Der Vater des Antragstellers, der 1973 verstorben ist, wurde von seiner Ehefrau und dem Antragsteller beerbt. Den landwirtschaftlichen Betrieb hatte der Erblasser dem Antragsteller bereits im November 1972 übergeben. Im April 1970 hatte der Erblasser ein Grundstück seines Betriebs für… DM verkauft. Eine Vermögensteuererklärung hat der Erblasser auch nach diesem Verkauf nicht abgegeben. Im August 1977 forderte das FA die Mutter des Antragstellers auf, darzulegen, wie ihr verstorbener Ehemann den Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks verwendet habe. Nach weiterem Schriftwechsel zwischen dem FA und der Mutter des Antragstellers schaltete das FA im Juli 1980 die Steuerfahndung ein. Im Rahmen des Steuerfahndungsverfahrens bat der Antragsteller das FA in Anwesenheit seiner Mutter, alle Verhandlungen mit ihm zu führen. Seine Mutter sei hierzu aus Alters- und Krankheitsgründen nicht mehr in der Lage. Auf den 1. Januar 1971 ermittelte der Prüfer aufgrund der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen und Notizen ein Bankguthaben von mehr als … DM und eine restliche Kaufpreisforderung aus dem Grundstücksverkauf von rund … DM, auf den 1. Januar 1972 ein Bankguthaben von … DM. In der Folge führte das FA für die hier streitigen Stichtage 1. Januar 1971 und 1972 Vermögensteuerveranlagungen durch. In der Steuerfahndungsakte hatte der Sachbearbeiter vermerkt, daß die Bescheide nach Rücksprache mit dem Prüfer an den Antragsteller als Gesamtrechtsnachfolger zu senden seien. In der Annahme, daß der Antragsteller Alleinerbe seines Vaters geworden sei und als Bevollmächtigter seiner Mutter auftrete, adressierte das FA die Vermögensteuerbescheide 1971 und 1972 an den Antragsteller. Unter dem Anschriftenfeld ist in beiden Vermögensteuerbescheiden folgender Zusatz enthalten:
„Für den verstorbenen Herrn A und Frau A.”
In der Begründung der Bescheide heißt es jeweils: „Der Festsetzung liegen die Verhältnisse der durchgeführten Prüfung zugrunde (siehe Bericht vom 23.12.1981 als Anlage).”
Gegen die am 14. Januar 1982 zur Post gegebenen Vermögensteuerbescheide legte der Antragsteller mit Schreiben vom 2. März 1982, beim FA eingegangen am 3. März 1982, Einsprüche ein. Zur Begründung führte er aus: Beide Vermögensteuerbescheide seien unrichtig adressiert und deshalb nichtig. Richtigerweise hätten die Bescheide an „Frau A und für ihren verstorbenen Ehemann A” gerichtet werden müssen. Außerdem sei die Vermögensteuerschuld verjährt. Der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung des Erblassers könne nicht nachgewiesen werden. Im übrigen sei er, der Antragsteller, nicht Empfangsbevollmächtigter seiner Mutter. Da allein sein Name im Anschriftenfeld der Bescheide erscheine, habe er, der Antragsteller, annehmen müssen, als Steuerschuldner in Anspruch genommen worden zu sein.
Das FA stellte in der Folge fest, daß der Antragsteller und seine Mutter den Erblasser beerbt haben. Es stellte die Bescheide vom 14. Januar 1982 der Mutter des Antragstellers gesondert zu mit der Anschrift:
„Frau A, X-Straße in Z”. Die Bescheide enthielten den Zusatz: „Für den verstorbenen A und Frau A”.
Hierzu heißt es in einem Anschreiben des FA: „… Anliegend übersende ich Ihnen Ausfertigungen der Vermögensteuerbescheide auf den 1.1.1971 und 1.1.1972 … für Sie und ihren verstorbenen Ehemann. Diese Bescheide gehen Ihnen als Erbin zu. Sie schulden die zu zahlenden Beträge gesamtschuldnerisch mit Ihrem Sohn als Erben, dem Bescheide gleichen Inhalts erteilt wurden.”
Das FA verwarf die Einsprüche des Antragstellers als unzulässig.
Mit der Klage machte der Antragsteller weiterhin geltend, daß die Bescheide unwirksam seien. Den Bescheiden sei nicht zu entnehmen, daß das FA die Erbengemeinschaft – bestehend aus ihm und seiner Mutter – habe in Anspruch nehmen wollen. Hierzu hätte es des Hinweises bedurft, daß es sich bei ihm und seiner Mutter um eine Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen A handle. Den Bestimmungen lasse sich nicht entnehmen, wen das FA habe in Anspruch nehmen wollen und ob er, der Antragsteller, lediglich als Zustellungsbevollmächtigter fungiere.
Der Antragsteller hat gleichzeitig beim FG beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Vermögensteuerbescheide auszusetzen. Zuvor hatte das FA einem entsprechenden Antrag nicht entsprochen.
Auch das FG hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Antragsteller geltend: Das FA hätte wegen der Steuerschuld des Erblassers die Miterbengemeinschaft –bestehend aus ihm, dem Antragsteller, und seiner Mutter– in Anspruch nehmen müssen. Die Steuerbescheide hätten deshalb an beide Miterben unter Hinweis auf die Erbfolge gerichtet werden müssen. Im Streitfall sei der richtige Adressat in keinem Bescheid kenntlich gemacht worden. Die Adressierung der streitbefangenen Bescheide lasse nicht erkennen, ob sich das FA an den Antragsteller oder an seine Mutter habe halten wollen und ob der Antragsteller nur als Zustellungsbevollmächtigter angesprochen sei. Letzterem stehe aber entgegen, daß das FA zunächst den Antragsteller als Alleinerben angesehen habe. Völlig verwirrend sei die Adressierung der unmittelbar an die Mutter des Antragstellers gerichteten Bescheide. Aus ihnen ergebe sich nicht, daß seine, des Antragstellers, Mutter als Miterbin in Anspruch genommen worden sei.
Der Antragsteller beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Vollziehung der Vermögensteuerbescheide zum 1. Januar 1971 und zum 1. Januar 1972 auszusetzen. Hilfsweise beantragt er, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet; bei summarischer Prüfung bestehen keine ernsthaften Zweifel, daß die Vermögensteuerbescheide zum 1. Januar 1971 und 1. Januar 1972 wirksam ergangen und mangels rechtzeitigen Einspruchs bestandskräftig geworden sind.
1. Gemäß § 157 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) müssen schriftliche Steuerbescheide u.a. den Steuerschuldner angeben. Ein Steuerbescheid, der den Schuldner nicht erkennen läßt, kann wegen inhaltlicher Unbestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO 1977) nicht befolgt werden und ist nichtig (§ 125 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO 1977). Im Streitfall geht der Senat bei summarischer Prüfung davon aus, daß die angefochtenen Vermögensteuerbescheide zum 1. Januar 1971 und 1. Januar 1972 mit hinreichender Sicherheit den Antragsteller als Steuerschuldner erkennen lassen.
2 a) Aus dem Inhalt der angefochtenen Vermögensteuerbescheide ergibt sich, daß das FA gemäß § 11 Abs. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) in der für die hier streitigen Stichtage geltenden Fassung Zusammenveranlagungen für den verstorbenen Vater des Antragstellers und seine Mutter durchführen wollte. Dies folgt bei summarischer Prüfung bereits aus der Berücksichtigung von Freibeträgen sowohl für den Erblasser als auch für dessen Ehefrau (§ 5 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 VStG). Eine solche Zusammenveranlagung ist auch nach dem Tode eines Ehegatten möglich. An die Stelle des Verstorbenen tritt sein Erbe.
b) Die Absicht des FA, den Antragsteller in die Zusammenveranlagung einzubeziehen und die Vermögensteuerschuld zum 1. Januar 1971 und 1. Januar 1972 gegen ihn festzusetzen, läßt sich den Vermögensteuerbescheiden mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen. Die Vermögensteuerschuld zum 1. Januar 1971 und 1. Januar 1972 ist nicht mehr gegen den Verstorbenen, sondern gegen eine andere Person „für” den Verstorbenen festgesetzt worden. Als diese Person und damit als Steuerschuldner mußte der Antragsteller bei einer sachgerechten Auslegung der Steuerbescheide sich selbst ansehen, obwohl er nicht ausdrücklich als Erbe bezeichnet worden ist. Der Hinweis „für den verstorbenen Herrn A” konnte nur dahin ausgelegt werden, daß die Verpflichtung aus der Steuerfestsetzung in der Person des Antragstellers als Erben eintreten sollte. Das ergab sich auch aus dem den Steuerbescheiden beigefügten Bericht der Steuerfahndung, in dem der Antragsteller als Erbe des Verstorbenen bezeichnet war; solche Erläuterungen können zur Auslegung von Steuerbescheiden auch insoweit herangezogen werden, als es um die Feststellung des Adressaten geht (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 28. März 1973 I R 100/71, BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544). Die Möglichkeit, daß die Vermögensteuer nur gegen die Mutter des Antragstellers festgesetzt werden sollte und ihm der Steuerbescheid nur als ihrem Empfangsbevollmächtigten bekanntgegeben werden sollte, kann bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung als fernliegend außer Betracht bleiben. Der Senat kann offenlassen, ob sich den Bescheiden entnehmen ließ, daß sie dem Antragsteller auch als Empfangsbevollmächtigtem seiner Mutter bekanntgegeben werden sollten. Auf die Wirksamkeit der Festsetzung gegen den Antragsteller hätte ein in diesem Punkt bestehender Mangel der Bescheide keinen Einfluß. Die Zusammenveranlagung des Antragstellers und seiner Mutter zur Vermögensteuer bedeutet, daß gegen sie übereinstimmende zusammengefaßte Bescheide ergangen sind (§ 44 Abs. 1, § 155 Abs. 2 AO 1977). In diesem Fall kann jeder Steuerbescheid ein eigenes rechtliches Schicksal haben (vgl. BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544).
Der Auffassung des Antragstellers, die Vermögensteuerschuld habe gegen die Erbengemeinschaft festgesetzt werden müssen und dies sei mangels Bezeichnung aller Miterben nicht wirksam geschehen, kann bei summarischer Prüfung nicht zugestimmt werden. Dieses vom Antragsteller für notwendig gehaltene Erfordernis ist im BFH-Urteil vom 29. November 1972 II R 42/67 (BFHE 108, 257, BStBl II 1973, 372) für den Fall aufgestellt worden, daß eine Erbengemeinschaft als steuerrechtsfähig angesehen wird und sie einen Besteuerungstatbestand verwirklicht. Im Streitfall war demgegenüber eine bereits entstandene Vermögensteuerschuld gegenüber dem überlebenden Ehegatten und den Allein- oder Miterben des verstorbenen Ehegatten festzusetzen. Einbeziehung des Erben in die Steuerfestsetzung entspricht dem für die Gesamtrechtsnachfolge in Steuerschulden maßgebenden bürgerlichen Recht, nach dem der Erbe Allein- oder Gesamtschuldner der Verbindlichkeiten des Erblassers wird (§ 45 AO 1977, §§ 1967, 2058 des Bürgerlichen Gesetzbuches; Beschluß des BFH vom 22. August 1983 IV B 35/83, nicht veröffentlicht).
c) Die Bekanntgabe der Vermögensteuerbescheide setzte danach die Einspruchsfrist in Lauf, die der Antragsteller versäumt hat. Das FG hat angenommen, daß dem Antragsteller im Hauptverfahren Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Einspruchsfrist nicht gewährt werden könne, weil dafür keine hinreichenden Gründe i.S. von § 110 Abs. 1 AO 1977 vorgetragen worden seien. Hiergegen hat der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift nichts Erhebliches vorgetragen. Die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung kann im Aussetzungsverfahren nicht beschieden werden.
Fundstellen