Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob ein Arzt für Laboratoriumsmedizin bei "eigenverantwortlich fachlicher Leitung" seiner Praxis freiberuflich tätig ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Orientierungssatz
1. Eine Rechtsfrage ist dann nicht von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die anzufechtende Entscheidung der eindeutigen Rechtslage und der allgemeinen Auffassung im Schrifttum entspricht und die Ansicht des Beschwerdeführers abwegig erscheint oder wenn Zweifel an der Beantwortung der Rechtsfrage nicht bestehen können (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Die selbständige Tätigkeit eines Arztes für Laboratoriumsmedizin ist nicht bereits deswegen als gewerblich anzusehen, weil insbesondere wegen des allgemeinen technischen Fortschritts in der Labormedizin der Betrieb eines Untersuchungslabors einerseits den Einsatz von beträchtlichem Kapital und andererseits eine rationelle arbeitsteilige Organisation erfordert. Umfangreiche Ausführungen mit Hinweisen auf die BFH-Rechtsprechung zu den Tatbestandsmerkmalen "leitend" und "eigenverantwortlich", wenn ein Angehöriger der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG näher aufgeführten Berufsgruppen sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient.
3. Das FG weicht mit seiner Entscheidung, die Tätigkeit eines Arztes für Laboratoriumsmedizin, der einen Facharzt, einen Diplom-Chemiker und ca. 60 weitere Mitarbeiter beschäftigt hatte, stelle mangels Eigenverantwortlichkeit eine gewerbliche Tätigkeit dar, nicht vom BFH-Urteil vom 1.4.1982 IV R 130/79 ab. Die Berufsbilder des Budolehrers und Gymnastiklehrers einerseits und des Arztes andererseits sind nicht miteinander vergleichbar.
4. NV: Bei der Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegt, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (vgl. BFH-Beschluß vom 13.4.1976 VI B 12/76).
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der verstorbene Ehemann der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), Dr. A, war Facharzt für Laboratoriumsmedizin. Sein Laboratorium gliederte sich in die Abteilungen Serologie, klinische Chemie, Hämatologie, Bakteriologie und Zytologie. In den Streitjahren beschäftigte er den Facharzt für Laboratoriumsmedizin Dr. B, einen Diplom-Chemiker und 60 bis 68 weitere Mitarbeiter (medizinisch-technische Assistentinnen, Arzthelferinnen, Auszubildende, Praktikantinnen sowie Personal für das Büro, den Versand, die Reinigung und die Tierhaltung). Im Jahre 1976 war außerdem ein Arzt in Facharztausbildung zum Laborarzt in der Praxis angestellt. In dem Laboratorium wurden im Jahre 1973 130 800, im Jahre 1974 151 200, im Jahre 1975 154 800 und im Jahre 1976 150 300 Untersuchungen durchgeführt (je Auftrag durchschnittlich 1,3 Untersuchungen). Je Arbeitstag wurden etwa 332 (1973), 384 (1974), 394 (1975) und 382 (1976) Aufträge erledigt. Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA-) die Auffassung, angesichts der Zahl der durchgeführten Untersuchungen sei eine eigenverantwortliche Tätigkeit des Praxisinhabers bei der Durchführung jedes einzelnen Auftrags offenbar unmöglich gewesen. Auch der Umfang des Labors, die Anzahl der fachlichen Mitarbeiter und Hilfskräfte, die Ausstattung des Laboratoriums mit modernen technischen Hilfsmitteln und die Art der Befundauswertung sprächen für eine gewerbliche Tätigkeit. Mit der hiergegen nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage machte die Klägerin geltend, Dr. A sei stets "eigenverantwortlich" i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tätig gewesen. Bei besonders qualifizierten Dienstleistungen habe er in eigener Person diejenige Arbeit leisten oder miterledigen müssen, die den Kern seiner Tätigkeit ausmache. Dagegen sei bei einfachen Arbeiten seine unmittelbare persönliche Mitarbeit nicht notwendig gewesen. Er habe zu jedem einzelnen eingegangenen Untersuchungsauftrag Anweisungen gegeben. Durch Kontrollproben habe er die Untersuchungsergebnisse geprüft und anschließend kritisch bewertet sowie interpretiert. Die Quote der im "Normalbereich" liegenden Befunde habe --abgesehen von den Vorsorgeuntersuchungen-- 55 bis 60 v.H. betragen. Zum Nachweis des Tagesablaufs des Dr. A legte die Klägerin ein gemäß §§ 36 f. des Beurkundungsgesetzes aufgenommenes Protokoll des Notars Dr. S über die Tätigkeit des Dr. A in der Praxis vor.
Die Klage blieb im wesentlichen ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus:
Die Praxis des Dr. A habe der Gewerbesteuer unterlegen (§ 2 Abs.1 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--). Dr. A sei wegen der Beschäftigung des Dr. B nicht in ausreichendem Umfang "eigenverantwortlich" i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG tätig gewesen. Dr. A habe Entscheidungen darüber, ob einfache oder schwierige oder Zweifelsfälle vorlägen und ob oder wie der Untersuchungsfall weiterbearbeitet werde, Mitarbeitern überlassen. Dies hindere nach dem Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.November 1975 VIII R 116/74 (BFHE 117, 247, BStBl II 1976, 155) die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Mit der auf § 115 Abs.2 Nrn.1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, trägt die Klägerin vor:
Kurth/Prinz (Die steuerliche Qualifikation der Tätigkeit eines Arztes für Laboratoriumsmedizin, 1980, insbesondere S.19, 105 bis 112, 122 bis 127, 141, 148 bis 165, 168) verträten unter Bezugnahme auf weiteres Schrifttum die These, § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG setze (nur) eine "eigenverantwortliche fachliche Leitung" voraus. Diese Rechtsfrage sei im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig, da sie Gegenstand zahlreicher Rechtsbehelfe sei.
Das FG Düsseldorf habe mit Urteil vom 7.März 1985 IX 305/76 für einen vergleichbaren Fall den Rechtssatz aufgestellt, die Mitwirkung des Laborinhabers sei dann nicht mehr "eigenverantwortlich", wenn die "ganz überwiegende Zahl der Befunde im Normalbereich" liege und der Praxisinhaber in diesem Bereich die Arbeitsergebnisse eines angestellten Arztes übernehme und sich auf Stichproben beschränke. Demgegenüber erfordere das angefochtene Urteil, daß unabhängig von dem Anteil der Befunde im Normalbereich der Praxisinhaber in dem vom Urteil in BFHE 117, 247, BStBl II 1976, 155 geforderten Umfang mitwirke. Folge man der Auffassung des FG Düsseldorf, so sei vorliegend zu berücksichtigen, daß nur 55 bis 60 v.H. der Befunde im Normalbereich lagen. Auch diese Rechtsfrage sei im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig.
Zum Revisionsgrund des § 115 Abs.2 Nr.2 FGO rügt die Klägerin Abweichung von dem BFH-Urteil vom 1.April 1982 IV R 130/79 (BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589, betreffend den Leiter einer Schule für Budo-Sportarten und Gymnastik und dem BFH-Urteil vom 25.Oktober 1963 IV 373/60 U, BFHE 77, 750, BStBl III 1963, 595, betreffend einen Facharzt für orthopädische Chirurgie).
++/ Das FG Münster habe die bei den Prozeßakten befindliche Niederschrift des Notars Dr.S unberücksichtigt gelassen und damit gegen § 96 Abs.1 FGO verstoßen. /++
Die Klägerin beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG Münster vom 29.Januar 1987 I 1875/80 G zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Abweichung von den Urteilen in BFHE 77, 750, BStBl III 1963, 595 und in BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589 ist nicht erkennbar.
++/ Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. /++
1. Eine Rechtsfrage ist dann nicht von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die anzufechtende Entscheidung der eindeutigen Rechtslage und der allgemeinen Auffassung im Schrifttum entspricht und die Ansicht des Beschwerdeführers abwegig erscheint (BFH-Beschluß vom 11.Juli 1972 IV B 61/71, BFHE 106, 276, BStBl II 1972, 792) oder wenn Zweifel an der Beantwortung der Rechtsfrage nicht bestehen können (BFH-Beschlüsse vom 25.Mai 1973 VI B 95/72, BFHE 109, 303, BStBl II 1973, 665; vom 24.April 1986 III B 72/84, BFHE 146, 429, 431, BStBl II 1986, 561). Im Streitfall sind Zweifel an der vom FG angewendeten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht möglich.
TEXTa) Die Klägerin will mit der von ihr angestrebten Revision eine erneute höchstrichterliche Entscheidung über die Auslegung des § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG herbeiführen. Nach dieser Vorschrift steht der Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegen, daß ein Angehöriger der in Satz 2 näher aufgeführten Berufsgruppen sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist dann aber, daß er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Mit diesen Tatbestandsmerkmalen hat sich die Rechtsprechung in einer Vielzahl von Entscheidungen für die unterschiedlichsten freien Berufe befaßt (BFH-Urteile in BFHE 77, 750, BStBl III 1963, 595; vom 29.Juli 1965 IV 61/65 U, BFHE 83, 154, BStBl III 1965, 557; vom 11.September 1968 I R 173/66, BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820; vom 5.Dezember 1968 IV R 125/66, BFHE 94, 344, BStBl II 1969, 165; vom 24.Juli 1969 IV R 92/67, BFHE 97, 159, BStBl II 1970, 86; vom 6.November 1969 IV R 127/68, BFHE 97, 508, BStBl II 1970, 214; in BFHE 117, 247, BStBl II 1976, 155; vom 11.Mai 1976 VIII R 111/71, BFHE 119, 253, BStBl II 1976, 641; vom 16.November 1978 IV R 191/74, BFHE 126, 220, BStBl II 1979, 246; vom 2.Dezember 1980 VIII R 32/75, BFHE 132, 77, BStBl II 1981, 170, und in BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589). Sie hat dabei insbesondere dargelegt, daß nach dem Gesetzeswortlaut dem Tatbestandsmerkmal "eigenverantwortlich" gegenüber dem Tatbestandsmerkmal "leitend" eine selbständige und ergänzende Bedeutung zukommt (vgl. Urteile in BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820; in BFHE 117, 247, 250, BStBl II 1976, 155, mit Nachweisen). Um eigenverantwortlich tätig zu sein, genügt es nicht, daß der Berufsträger seinen Auftraggebern gegenüber die Verantwortung für die ordnungsgemäße Ausführung der Aufträge übernimmt. Weiterhin genügt nicht, daß ein Steuerpflichtiger durch Arbeitsplanung und Arbeitsverteilung, durch stichprobenweise Überprüfung, Erteilung von Ratschlägen, Entscheidung in Zweifelsfällen und durch Festlegung der Grundsätze für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und der dienstlichen Aufsicht über die Mitarbeiter --somit leitend-- tätig wird. Eine darüber hinausgehende Mitarbeit eines Steuerpflichtigen ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann eigenverantwortlich, wenn die persönliche Teilnahme an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist (z.B. Urteil in BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820). Gegenstand der eigenverantwortlichen Einflußnahme des Steuerpflichtigen ist das einzelne, von ihm in Auftrag genommene Werk oder die einzelne Dienstleistung, zu deren ordnungsgemäßer Ausführung er vor allem die fachliche Verantwortung trägt (Urteil in BFHE 117, 247, 250, BStBl II 1976, 155, mit Nachweisen). Das Urteil in BFHE 77, 750, BStBl III 1963, 595 verlangt von dem Arzt, daß er die "geistig-sittliche Verantwortung vor dem Beruf und dem Mandantenkreis" übernimmt. Die fehlende Mitarbeit am einzelnen Auftrag muß auf Ausnahmen --Vertretungsfälle (§ 18 Abs.1 Nr.1 Satz 4 EStG) und Routinearbeiten-- beschränkt bleiben (Urteil in BFHE 117, 247, 250, BStBl II 1976, 155). Überträgt der Berufsträger Aufgaben, die nicht lediglich einfacher oder mechanischer Art sind, auf qualifizierte Mitarbeiter, ist erforderlich, daß die Mitarbeiter nicht nur überwacht werden, sondern auch deren Tätigkeit als solche des Berufsträgers erkennbar ist (Urteil in BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820). Nach der Rechtsprechung des BFH ist ferner davon auszugehen, daß ein Steuerpflichtiger freiberufliche Arbeit nur dann leistet, wenn die Ausführung jedes einzelnen ihm erteilten Auftrags auch ihm selbst --und nicht dem qualifizierten Mitarbeiter, den Hilfskräften oder dem Unternehmen als Ganzem-- zuzurechnen ist (vgl. insbesondere Urteil in BFHE 119, 253, 255, BStBl II 1976, 641). Die Grenze zum Gewerbebetrieb ist deshalb bereits dann überschritten, wenn der Steuerpflichtige sich nur noch um besonders wichtige oder besonders schwierige Aufträge selbst kümmert, die einfachen oder weniger bedeutsamen aber ganz seinen Mitarbeitern überläßt (Urteile in BFHE 117, 247, 251, BStBl II 1976, 155).
Wo die Grenze zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit verläuft, richtet sich nach der Art der Tätigkeit.
b) Es ist nicht zweifelhaft, daß die selbständige Tätigkeit eines Arztes für Laboratoriumsmedizin nicht bereits deswegen als gewerblich anzusehen ist, weil insbesondere wegen des allgemeinen technischen Fortschrittes in der Labormedizin (vgl. Römermann, Betriebs-Berater --BB-- 1979, 419, 421) der Betrieb eines Untersuchungslabors einerseits den Einsatz von beträchtlichem Kapital und andererseits eine rationelle arbeitsteilige Organisation erfordert. Indes geht der Gesetzgeber in § 9 Abs.3 des Gesetzes über technische Assistenten in der Medizin (MTA-G) vom 8.September 1971 (BGBl I 1971, 1515) davon aus, daß bestimmte Tätigkeiten auf dem Gebiet der Humanmedizin (§ 9 Abs.1 MTA-G), "die der Erkennung einer Krankheit dienen", von den in § 1 MTA-G genannten Personen "nicht in selbständiger Berufstätigkeit und nur im Auftrag eines Arztes ..." ausgeübt werden dürfen. Das Gesetz setzt mithin in berufsrechtlicher Hinsicht voraus, daß auf den in § 9 Abs.1 MTA-G genannten Gebieten --dem wesentlichen Leistungsspektrum eines Laborarztes-- medizinische Befunderhebung und Auswertung vom Laborarzt selbst verantwortet werden müssen (vgl. BTDrucks VI/2323 S.3). Entscheidungen darüber, ob einfache oder schwierige oder Zweifelsfälle vorliegen und ob und wie der Untersuchungsfall weiterbearbeitet wird, dürfen nicht medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenten (§ 1 Nr.1 MTA-G) überlassen werden. Auch Kurth/Prinz (a.a.O., S.36, 38 bis 43, 68 bis 71) betonen, daß alle Analyseergebnisse einschließlich derjenigen "im Normalbereich" einer qualifizierten laborärztlichen Beurteilung bedürften; erforderlich sei die "entscheidende Einflußnahme durch den Laborarzt", insbesondere auf die klinisch-chemische Untersuchung (a.a.O., S.46 bis 56), die serologische und bakteriologische Untersuchung (a.a.O., S.56 bis 60), alle schwierigen und risikoreichen Untersuchungen auf den Gebieten der Bakteriologie, Serologie und Zytologie sowie die Alkoholbestimmungen (a.a.O., S.65, 70). Auf die Höhe des Anteils an den "Befunden im Normalbereich" kommt es mithin für die rechtliche Beurteilung nicht an.
c) Die von der Klägerin gegen die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung vorgetragenen rechtlichen Gesichtspunkte sind nicht so gewichtig, daß zur Erhaltung der Rechtseinheit oder zur Förderung der Weiterentwicklung des Rechts eine erneute Entscheidung des BFH erforderlich wäre. Die von der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Ausführungen von Kurth/Prinz lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Merkmale der "leitenden" und der "eigenverantwortlichen" Tätigkeit seien nicht isoliert je für sich zu beurteilen. Bei historischer, systematischer und den Begünstigungszweck des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG berücksichtigender Auslegung meine § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG die "eigenverantwortliche fachliche Leitung". Die vom BFH in restriktiver Auslegung des Begriffs "eigenverantwortlich" geforderte persönliche Mitarbeit ergebe im Hinblick auf den Gedanken der Schonungsbedürftigkeit keine sinnvolle Abgrenzung zum Gewerbebetrieb (a.a.O., S.112). Es sei dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der Gesetzgeber die von den freien Berufen zu erfüllenden Funktionen "für besonders wertvoll und damit förderungswürdig" halte. Beschäftige der Freiberufler Mitarbeiter, genüge er dem "Gebot der verantwortlichen Trägerschaft, wenn er seinen Anleitungs- und Aufsichtspflichten in ausreichendem Umfang nachkomme" (a.a.O., S.112). Es genüge die Übernahme der Verantwortung in rechtlicher, ethischer sowie in inhaltlicher und fachlicher Hinsicht (a.a.O., S.126 bis 127). Eigenverantwortlichkeit sei eine Verantwortung "höheren Grades" im Gegensatz zur "mechanischen Verantwortungsart" (a.a.O., S.127). Das Spannungsverhältnis zwischen der vom Gesetz zugelassenen arbeitsteiligen Erfüllung einer Berufsaufgabe und dem persönlichen Tätigwerden sei mittels der Aussage aufzulösen, daß der Berufsangehörige "nicht seine Stellung als persönlicher Träger und verantwortlicher Mittelpunkt der Berufsstätte in fachlicher Hinsicht verlieren" dürfe (a.a.O., S.138). Er müsse "für die fachliche Leitung der Berufsstätte die Urheberschaft tragen" (a.a.O., S.149). Dies setze voraus, daß die "planerische Konzeption und die zur fachlichen Durchführung der Berufsaufgabe" sowie "alle geistig-fachlichen Impulse von ihm" stammten. Da die labormedizinische Tätigkeit insbesondere in ihrem technischen Ablauf "weitgehend von der Person gelöst" und "durch wiederkehrende systematische Routine geprägt" sei, erhalte die Tätigkeit der Mitarbeiter vor allem durch die "Qualität der fachlichen Organisation" ihren Stempel seitens des Berufsträgers (a.a.O., S.160). Nach dem Gesamtbild der im Einzelfall zu würdigenden tatsächlichen Verhältnisse müsse der Praxisinhaber "aufgrund seiner persönlichen Qualifikation und den subjektiven Gegebenheiten" in der Lage sein, die eigenverantwortliche fachliche Leitung auszuüben. Ferner müsse er die folgenden Tätigkeitsbereiche abdecken (a.a.O., S.168):
- Interpretation und planende Gestaltung der Berufsaufgabe,
- fachliche Strukturierung der Elemente zur Aufgabenerfüllung,
- Auswahl und Einweisung der Mitarbeiter, deren Fortbildung und Schulung,
- Möglichkeit zum unmittelbaren persönlichen Eingreifen,
- systematische Kontrolle der Mitarbeiter und aller Ordnungskomponenten.
Unter dieser Voraussetzung sei eine direkte Mitarbeit am einzelnen Auftrag nicht erforderlich.
d) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, Zweifel an der vom BFH ausführlich begründeten Rechtsauffassung zu wecken. Sie sind vom BFH bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung im wesentlichen berücksichtigt. Gegen die von der Klägerin beanspruchte Auslegung spricht der Gesetzeswortlaut. Selbst der Begründung zum Regierungsentwurf eines Steueränderungsgesetzes 1960 (BTDrucks III/1811 S.11) ist nicht zu entnehmen, daß mit der Neuregelung beabsichtigt gewesen wäre, die "Vervielfältigungstheorie" durch die von der Klägerin vorgeschlagenen Abgrenzungskriterien zu ersetzen. Vielmehr sollte "ein den Bedürfnissen der Angehörigen der freien Berufe besser entsprechendes Abgrenzungsverfahren gegenüber der gewerblichen Tätigkeit eingeführt werden" (Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, zu BTDrucks III/1941 S.4). Durch die Hinzufügung des Begriffs der Eigenverantwortlichkeit sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß der Gesetzgeber es grundsätzlich beim geschichtlich entstandenen Begriff des Freiberuflers belassen wollte, dessen Tätigkeit durch den unmittelbaren, persönlichen und deshalb individuellen Einsatz und den eigenen Kontakt mit den Klienten sein besonderes Gepräge erhält (so ausdrücklich bereits BFH-Urteile in BFHE 83, 154, BStBl III 1965, 557; vom 28.November 1968 IV R 240/67, BFHE 94, 195, 197, BStBl II 1969, 164). Daher ist denkbar, daß sich im Einzelfall diese Auslegung des § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG mit den Anwendungsergebnissen der früheren "Vervielfältigungstheorie" deckt.
e) Der BFH hat ferner zu Recht entschieden, daß die Auslegung nach dem Wortlaut durch die Zielsetzung des Gesetzes gestützt wird, die selbständige persönliche Arbeit steuerlich zu begünstigen (Urteil in BFHE 117, 247, 250, BStBl II 1976, 155, mit Nachweisen). Beabsichtigt ist der Schutz der eigenverantwortlichen schöpferischen Tätigkeit (Urteil in BFHE 97, 159, BStBl II 1970, 86). Das Berufsbild des Arztes ist in besonderem Maße geprägt durch den "persönlichen, individuellen Dienst am Patienten" (Laufs, Arztrecht, 3.Aufl., 1984, Rdnr.24) sowie hiermit korrespondierend durch die personale --nicht nur organisatorische-- Zurechnung von rechtlicher und ethischer Verantwortung. Die spezifisch ärztliche Tätigkeit kann der Praxisinhaber grundsätzlich nur selbst durch persönlichen Arbeitseinsatz leisten. Demgegenüber sieht die Klägerin den Freiberufler als "Träger einer sozialen, kulturellen oder sonstigen öffentlichen Funktion" (Kurth/Prinz, a.a.O., S.112, 144, und öfter) und die persönliche berufsspezifische Arbeitsleistung als ein Merkmal des Typusbegriffs "freier Beruf", das "im Rahmen einer Gesamtbildbetrachtung" dann fehlen kann, wenn eine Gruppenarbeit unter rechtlich, ethisch und fachlich verantwortlicher Leitung --letzteres im Sinne eines "persönlichen Einwirkens auf die Erfüllung der Berufsaufgabe"-- gewährleistet ist (Kurth/Prinz, a.a.O., S.108 ff., 136 ff., 142, 148). Soweit die Klägerin die Begriffe "Arbeit" und "Verantwortung" somit im übertragenen Sinne einer "geistigen Urheberschaft" (Kurth/Prinz, a.a.O., z.B. S.112, 125 f.) verstanden wissen will, findet diese These in § 18 Abs.1 Nr.1 EStG keine Rechtsgrundlage. Ihre Auffassung führt tendenziell zur steuerrechtlichen Privilegierung von Organisationsformen, bei denen nicht der persönliche Arbeitseinsatz des Arztes, sondern der arbeitsteilige Einsatz von Kapital und Arbeitskräften im Vordergrund steht.
2. Die geltend gemachte Abweichung vom Urteil in BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589 besteht nicht. Die unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit notwendige Intensität der persönlichen Mitarbeit wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH bestimmt durch die jeweilige Art der Tätigkeit. Die Berufsbilder des Budo- und Gymnastiklehrers einerseits und des Arztes andererseits sind nicht miteinander vergleichbar. Der Beruf des Arztes setzt besonders qualifizierte Leistungen und ein durch das Ethische geprägtes (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 25.Juli 1979 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 169 f.) persönliches Vertrauensverhältnis zum Patienten voraus.
Vom Urteil in BFHE 77, 750, BStBl III 1963, 595 weicht das Urteil des FG deswegen nicht ab, weil die Feststellung, daß ein Ergebnis im Normalbereich liegt, bereits das Ergebnis der dem Vorbehaltsbereich ärztlicher Tätigkeit zuzuordnenden Befunderhebung und Befundauswertung ist. Das Urteil in BFHE 117, 247, 252, BStBl II 1976, 155 hat daher entschieden, daß die Befundauswertung zum Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit gehört.
++/ 3. Die Rüge, das FG habe bei seiner Beweiswürdigung die notarielle Beurkundung übersehen und damit seiner Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt, ist unbegründet. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (BFH-Beschluß vom 13.April 1976 VI B 12/76, BFHE 118, 546, BStBl II 1976, 503). Die angefochtene Entscheidung beruht auf der Erwägung, daß Dr. A wegen der Delegation ärztlicher Tätigkeit auf den Zeugen Dr. B nicht mehr eigenverantwortlich tätig war. Daß Dr. A in dem aus dem notariellen Protokoll ersichtlichen Umfang persönlich mitgearbeitet hatte, konnte hierbei als wahr unterstellt werden. /++
Fundstellen
Haufe-Index 61702 |
BStBl II 1988, 17 |
BFHE 151, 147 |
BFHE 1988, 147 |