Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Stundung der Erbschaftsteuer gemäß § 28 ErbStG 1974 besteht nicht, wenn der Erwerber die Steuer für den Erwerb von Betriebsvermögen entweder aus erworbenem weiteren Vermögen oder aus seinem eigenen Vermögen aufbringen kann.
Normenkette
ErbStG 1974 § 28; AO 1977 § 222; FGO § 114
Tatbestand
Im Hauptsacheverfahren vor dem Finanzgericht (FG) ist streitig, ob dem Beschwerdeführer die auf den Erwerb von Betriebsvermögen entfallende Erbschaftsteuer nach § 28 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 zu stunden ist.
Der Beschwerdeführer ist zu einem Drittel Nacherbe seines im Jahre 1962 verstorbenen Großvaters. Der Nacherbfall trat durch den Tod der Vorerbin am 14.Februar 1983 ein; der Erbschein wurde am 9.November 1983 erteilt. Das Nacherbschaftsvermögen besteht --abgesehen von einer Beteiligung mit einem steuerrechtlichen Wert von 197 DM-- aus Beteiligungen an zwei offenen Handelsgesellschaften.
Mit Bescheid vom 4.Dezember 1985 setzte das Finanzamt (FA) gegen den Beschwerdeführer aus einem Erwerb von 1 088 863 DM Erbschaftsteuer in Höhe von 219 400 DM fest. Den Antrag des Beschwerdeführers, die Erbschaftsteuerschuld gemäß § 28 ErbStG 1974 derart zu stunden, daß sie über einen Zeitraum von sieben Jahren in monatlich gleichbleibenden Raten getilgt werde, hat das FA mit Schreiben vom 28.Januar 1986 abgelehnt, weil es dem Beschwerdeführer möglich und zuzumuten sei, die Erbschaftsteuer aus seinem ausreichenden Privatvermögen zu begleichen.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Oberfinanzdirektion (OFD) führte in ihrer Beschwerdeentscheidung aus, die Voraussetzungen für die begehrte Stundung nach § 28 ErbStG seien deshalb nicht erfüllt, weil dem Beschwerdeführer außerhalb des ererbten Betriebsvermögens ausreichende Mittel und ausreichendes Vermögen zur Tilgung der Erbschaftsteuerschuld zur Verfügung stünden. So habe der Kläger allein in der Zeit vom August 1984 bis November 1985 Einkommensteuererstattungen in Höhe von 227 960 DM erhalten.
Über die Klage, mit der der Beschwerdeführer sein Stundungsbegehren weiter verfolgt, ist noch nicht entschieden.
Nachdem Vollstreckung der Erbschaftsteuerforderung angekündigt worden war, hat der Beschwerdeführer beim FG einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit der dem FA geboten werden soll, die Vollstreckung in Höhe von noch ausständigen 198 626 DM Erbschaftsteuer auszusetzen. Die Entrichtung der Steuer aus anderen Mitteln sei ihm nicht möglich, weil seinem sonstigen Vermögen (Vermögen unter Außerachtlassung der Beteiligungen) in Höhe von nunmehr 645 454 DM Schulden in Höhe von mehr als 900 000 DM gegenüberstünden. Sonstige verfügbare Mittel habe er vor Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheids für andere Investitionen eingesetzt.
Das FG hat den Antrag abgelehnt. Er sei zwar zulässig und zutreffend gegen diejenige Finanzbehörde gerichtet, gegen die der behauptete Anspruch im Hauptsacheverfahren geltend gemacht werde. Es fehle aber sowohl an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs als auch des Anordnungsgrundes.
Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer sein Antragsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 114 Abs.1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist der Erlaß einer einstweiligen Anordnung auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn eine Regelung aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Die weiteren Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung sind in der FGO --ebenso wie in der Zivilprozeßordnung -ZPO- (§ 936)-- durch Bezugnahme auf die Vorschriften der ZPO über das Arrestverfahren umschrieben (§ 114 Abs.3 FGO). Danach obliegt es dem Antragsteller, den Anspruch und den Grund für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung glaubhaft zu machen (§ 114 Abs.3 FGO i.V.m. § 920 Abs.2 ZPO; vgl. § 294 ZPO). "Anspruch" im Sinne dieser Vorschrift ist der Anspruch aus dem Rechtsverhältnis, das in der Hauptsache streitig ist.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der Kläger den Anspruch auf Stundung der Erbschaftsteuer nach § 28 ErbStG 1974, den er im Hauptsacheverfahren verfolgt, nicht glaubhaft hat machen können. Nach § 28 Abs.1 ErbStG 1974 ist in Fällen, in denen zum Erwerb Betriebsvermögen gehört, dem Erwerber die darauf entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu sieben Jahren verzinslich insoweit zu stunden, als dies zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist; dabei bleibt § 222 der Abgabenordnung (AO 1977) unberührt. Nach der letztgenannten Vorschrift können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint; gestundet werden soll regelmäßig nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung.
Aus der Zusammenschau mit § 222 AO 1977 erschließt sich Sinn und Zweck der spezielleren Regelung des § 28 ErbStG 1974: sie dient der Vermeidung der Gefährdung des Betriebserhalts, die durch Abzug der erforderlichen Mittel für die Begleichung der auf das erworbene Betriebsvermögen entfallenden Steuer eintreten könnte. Daraus folgt aber, daß für den Anspruch aus § 28 ErbStG 1974 dann kein Raum ist, wenn der Erwerber die Erbschaftsteuer für den Erwerb von Betriebsvermögen entweder aus erworbenem weiteren Vermögen oder aus seinem eigenen Vermögen aufbringen kann. Denn in einem solchen Fall ist die vom Gesetz für den Stundungsanspruch geforderte Voraussetzung, daß durch die Begleichung der Steuer der Erhalt des Betriebs nicht gesichert ist, nicht gegeben. Das Betriebsvermögen kann vielmehr ungeschmälert dem Betrieb erhalten bleiben.
Da dem Beschwerdeführer eigene Mittel in ausreichendem Maße zur Verfügung standen --wobei es hier genügt, auf die in der Zeit nach Eintritt des Erbfalles, aber vor Fälligkeit der Erbschaftsteuer erhaltenen Einkommensteuererstattungsansprüche zu verweisen--, kann der Beschwerdeführer den von ihm behaupteten Anspruch auf Stundung der Erbschaftsteuer nach Maßgabe des § 28 ErbStG 1974 nicht glaubhaft machen. Unentschieden bleiben kann dabei die Frage, was zu gelten hätte, wenn dem Betrieb die Mittel beispielsweise unter Realisierung im Betriebsvermögen vorhandener stiller Reserven entzogen werden könnten.
Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers muß in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben, zu welchem Zweck er eigenes Vermögen eingesetzt hat und ob er damit etwa von ihm für erforderlich gehaltene betriebliche Investitionen getätigt hat. Denn allein entscheidend ist, ob der Betrieb, so wie er Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen war, in seinem Erhalt gefährdet ist.
Fundstellen
Haufe-Index 62309 |
BStBl II 1988, 730 |
BFHE 153, 229 |
BFHE 1989, 229 |
BB 1988, 1590-1591 (LT1) |
DB 1988, 1681-1681 (ST) |
DStR 1989, 106 (KT) |
HFR 1988, 520 (LT1) |