Leitsatz (amtlich)
Der II. Senat des Bundesfinanzhofs hält § 9 Abs. 2 FVG, soweit sich diese Vorschrift auf die Verwaltung der Beförderungsteuer bezieht, für unvereinbar mit dem Grundgesetz.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3, Art. 30, 83 ff., Art. 87 Abs. 1 S. 1, Art. 108; FVG § 9
Gründe
Aus den Gründen:
B.
Das Verfahren wird ausgesetzt. Es wird die Entscheidung des BVerfG eingeholt, ob § 9 Abs. 2 Satz 1 FVG vom 6. September 1950 (BGBl I, 448) - (§ 9 Abs. 2 in der Fassung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung finanzieller Beziehungen zwischen dem Bund und den Ländern, 4. Überleitungsgesetz, vom 27. April 1955 (BGBl I, 189) - mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit sich das Gesetz auf die Verwaltung der Beförderungsteuer bezieht.
I.
Nach Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Beförderungsteuer durch Bundesfinanzbehörden zu verwalten. Das Gesetz über die Finanzverwaltung vom 6. September 1950 ist u. a. zur Vollziehung des Art. 108 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 GG ergangen. Der bis heute unverändert geltende § 9 Abs. 1 FVG schreibt vor:
"Die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer werden durch die Oberfinanzdirektionen verwaltet, und zwar durch Verwaltungsangehörige des Bundes, die der Besitz- und Verkehrsteuerabteilung zugeteilt sind und dem Oberfinanzpräsidenten unmittelbar unterstehen."
Abs. 2 Satz 1 (Abs. 2 in der Fassung des Gesetzes vom 27. April 1955 - BGBl I. 189 -) und Abs. 3 des Gesetzes lauten wie folgt:
"(2) Die Oberfinanzdirektionen können bei der Bearbeitung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer die Hilfe der Finanzämter in Anspruch nehmen.
(3) Die Vorschriften der Reichsabgabenordnung, insbesondere für die Zuständigkeit und für das Verfahren, gelten entsprechend."
Zur Durchführung des § 9 FVG hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates, gestützt auf § 40 FVG, in Nr. 4 der Ersten Verwaltungsanordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Finanzverwaltung (1. DAFVG) vom 23. November 1950 (Bundesanzeiger Nr. 232 S. 1) Bestimmungen über das Verfahren erlassen. Nr. 4 Abs. 2 der Verwaltungsordnung bestimmt, daß die OFDen die Hilfe der FÄ bei der Verwaltung der Beförderungsteuer in der Weise in Anspruch nehmen, daß die FÄ die Beförderungsteuer für die OFDen erheben. Dementsprechend haben die FÄ Bescheide und die sonstigen Verfügungen unter der Bezeichnung "Finanzamt ... zugleich Beförderungsteuerstelle der Oberfinanzdirektion ..." und die Einspruchsentscheidungen im Namen der OFD zu erlassen (Nr. 4 Abs. 2 der Verwaltungsanordnung). In Nr. 4 Abs. 4 der Verwaltungsanordnung werden die FÄ, soweit sie in Umsatzsteuer- oder Beförderungsteuersachen tätig werden, für das Beschwerdeverfahren (§§ 303 ff. AO a. F.) als Hilfsstellen der OFDen bezeichnet.
Die Bezeichnung "Finanzamt als Hilfsstelle der Oberfinanzdirektion" wurde erstmals bei der Änderung des § 304 AO durch Art. 17 Nr. 15 des Steueränderungsgesetzes 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl I, 981) in ein Gesetz aufgenommen. Diese Formulierung wird in der Folge in weiteren Rechtsvorschriften verwandt (vgl. unten C II 2d). Der Ausdruck "Hilfsstelle der Oberfinanzdirektion" kann sich nur auf die FÄ beziehen, die mit der Festsetzung und Erhebung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer betraut sind. Sonstige Fälle, in denen FÄ als Hilfsstellen der OFDen bezeichnet werden, sind nicht ersichtlich.
II.
Für die Entscheidungen des Senats in den für Zwecke der Vorlage an das BVerfG verbundenen Verfahren II 68/64 und II 91/64 kommt es darauf an, ob § 9 Abs. 2 FVG mit Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar ist.
1. Die als Rechtsbeschwerden eingelegten Revisionen sind zulässig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die FÄ auf Grund des § 9 Abs. 2 FVG als Beförderungsteuerstelle oder Hilfsstelle gleichsam Organ der OFD sind und ihr Verhalten dieser als Behördenunterstufe zuzurechnen ist (vgl. Urteile des BFH II 266/52 U vom 3. September 1953, BFH 58, 17, BStBl III 1953, 297; II 183/53 U vom 24. Februar 1955, BFH 60, 314, BStBl III 1955, 120) oder ob durch die Vorschrift eine sogenannte Organ- oder Institutsleihe (vgl. H. J. Wolff, Verwaltungsrecht, II, 2. Aufl., § 75 I a 1, § 77 IV c) begründet wurde. In beiden Fällen sind die Rechtsbeschwerden von den beteiligten FÄ in der Eigenschaft eingelegt worden, in der sie die umstrittenen Hoheitsakte erlassen haben.
Es braucht auch nicht geprüft zu werden, ob das FA im Falle II 91/64 die Rechtsbeschwerde wirklich "namens und im Auftrage der Oberfinanzdirektion" eingelegt hat. Mit dieser Bezeichnung schließt sich das FA offensichtlich dem Urteil des BFH V 264/58 U vom 21. Juli 1960 (BFH 71, 619, BStBl III 1960, 480) an. Sein Wille war ersichtlich darauf gerichtet, das Urteil des FG in der für Rechtsstreitigkeiten über von ihm erlassene Beförderungsteuerbescheide rechtlich zulässigen Funktion mit einem Rechtsmittel anzugreifen.
Dieser Wille wird auch durch die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des FA im Verfahren II 68/64 zum Ausdruck gebracht, obwohl die Rechtsbeschwerdeschrift den Zusatz "zugleich als Beförderungsteuerstelle" nicht enthält. Dieser nach der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH (Urteile VII 80/61 U vom 22. Januar 1963, BFH 76, 456, BStBl III 1963, 166; VII 176/60 U vom 16. November 1965, BFH 83, 646, BStBl III 1965, 735) erhebliche Mangel wird dadurch geheilt, daß die Rechtsbeschwerdebegründungschrift, die der Rechtsbeschwerdeschrift als Anlage beigefügt ist, den bewußten Zusatz enthält. Damit wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß das Rechtsmittel vom FA in seiner Eigenschaft als "Beförderungsteuerstelle der Oberfinanzdirektion" geführt werde.
2. Ist § 9 Abs. 2 FVG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, muß der Senat der Entscheidung über die beiden Revisionen die Rechtsauffassung zugrunde legen, den beiden FÄ als Landesfinanzbehörden habe die Kompetenz gefehlt, die umstrittenen Beförderungsteuerbescheide zu erlassen; von einer sachlich absolut unzuständigen (inkompetenten) Behörde erlassene Hoheitsakte sind nichtig.
Sind die umstrittenen Bescheide wegen des Kompetenzmangels nichtig, muß der Senat die angefochtenen Urteile, im Verfahren II 68/64 die Einspruchsentscheidung und in beiden Verfahren die Steuerbescheide aufheben. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGo und das in der FGO nicht ausdrücklich geregelte Verbot der reformatio in peius hindern eine solche Entscheidung nicht. Selbst wenn man jedoch annimmt, der Senat dürfe trotz Nichtigkeit der Steuerbescheide nur die Revisionen als unbegründet zurückweisen (§ 126 Abs. 4 FGO), würde der Senat anders entscheiden, als er entscheiden muß, wenn § 9 Abs. 2 FVG gültig ist. Die Rechtskraftwirkung der Entscheidung über die Revisionen ist im Falle der Gültigkeit des § 9 Abs. 2 FVG anders als im Falle der Ungültigkeit. Ist die Vorschrift gültig, muß geprüft werden, ob die den angefochtenen Urteilen zugrunde liegende Rechtsauffassung zutrifft, die von den beiden FÄ - befugtermaßen - erlassenen Steuerbescheide seien aus sachlich-rechtlichen Gründen rechtswidrig.
3. Die möglichen Entscheidungen des Senats werden nicht dadurch berührt, daß das FG im Verfahren II 68/64 sein Urteil als Teilurteil bezeichnet hat. Soweit es über die Rechtmäßigkeit der Beförderungsteuerbescheide 1960 und 1961 dadurch entschied, daß es die Bescheide und die Einspruchsentscheidung hinsichtlich dieser Steuerfestsetzungen aufhob, liegt ein Endurteil vor. Dagegen handelt es sich insoweit um eine nach § 284 Abs. 2 AO a. F. zulässige Zwischenentscheidung, als das FG "die Berufung hinsichtlich des Beförderungsteuerbescheides 1962 dem Grunde nach als unbegründet zurückgewiesen" hat. Der Senat kann das Urteil in diesem Umfange nicht überprüfen. Das FA hat das Urteil des FG mit der Rechtsbeschwerde nur wegen der Beförderungsteuerbescheide 1960 und 1961 angegriffen.
C.
Nach Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG werden Zölle, Finanzmonopole, die der konkurrierenden Gesetzgebung unterworfenen Verbrauchsteuern, die Beförderungsteuer, die Umsatzsteuer und die einmaligen Vermögensabgaben durch Bundesfinanzbehörden verwaltet; jedoch kann die Verwaltung der einmaligen Vermögensabgaben den Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen werden (§ 108 Abs. 1 Satz 4 GG). Der Aufbau der Bundesfinanzbehörden ist durch Bundesgesetz zu regeln (Art. 108 Abs. 1 Satz 2 GG).
Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG schreibt für die Bundesfinanzverwaltung vor, sie werde in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt; diese Vorschrift ist im vorliegenden Zusammenhange nur insoweit von Interesse, als sie den sachlichen Gehalt des Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG verdeutlicht und sich somit auf das auf Art. 108 Abs. 1 Satz 2 GG gestützte Bundesgesetz über den Aufbau der Bundesfinanzbehörden beziehen kann.
Die Verwaltung der einmaligen Vermögensabgaben ist den Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen worden (§ 34 Nr. 1 FVG vom 6. September 1950, § 204 LAG). Zölle, Finanzmonopole und die der konkurrierenden Gesetzgebung unterworfenen Verbrauchsteuern werden in vollem Umfange durch Bundesfinanzbehörden verwaltet. Für die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer bestimmt § 9 Abs. 2 FVG, daß die OFDen bei der Verwaltung dieser Steuern die Hilfe der FÄ in Anspruch nehmen können. Diese Regel schreibt (wie noch darzulegen sein wird) mehr als eine eigentliche Hilfeleistung vor. Sie widerspricht nach Ansicht des - für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über die Beförderungsteuer zuständigen - Senats dem Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG; an der bisherigen Rechtsprechung (BFH 58, 17; 60, 314) wird nicht festgehalten.
I.
Art. 108 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG verwehrt es dem Bund, im Rahmen des nach Art. 108 Abs. 1 Satz 2 GG zu erlassenden Bundesgesetzes über den Aufbau der Behörden und das von ihnen anzuwendende Verfahren andere Behörden als Bundesfinanzbehörden zur Verwaltung der Beförderungsteuer heranzuziehen. Die genannten Vorschriften enthalten eine abschließende Regelung.
1. Die Möglichkeit, Verwaltungsaufgaben auf die Landesfinanzbehörden zu übertragen, kommt für die Beförderungsteuer nicht in Betracht.
a) Art. 108 GG kennt entsprechend den Art. 83 ff. GG nur drei Arten der Verwaltung: Eigenverwaltung durch Bundesfinanzbehörden (Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG), Auftragsverwaltung (Art. 108 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 und 4 GG) und Eigenverwaltung (Art. 108 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 GG) durch Landesfinanzbehörden.
Die durch Bundesgesetz vorgesehene Regelung des Aufbaues der Bundesfinanzbehörden (Art. 108 Abs. 1 Satz 2 GG), die die Beförderungsteuer zu verwalten haben, wird durch Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG umgrenzt. Nach dieser Vorschrift ist die Bundesfinanzverwaltung in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zu führen. Aus dem Ausdruck "bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau" ergibt sich negativ, daß im Bereich der Bundesfinanzverwaltung jede Verwaltungstätigkeit von Landesfinanzbehörden ausgeschlossen ist; alle Behörden müssen Bundesbehörden sein (vgl. von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., Art. 87, Anm. 3; Maunz-Dürig, Grundgesetz Art. 87, Randziff. 22 und die dort in Fußnote 1 Genannten); auch die nachgeordneten Behörden, die Beamten und Angestellten müssen solche des Bundes sein (Giese-Schunck, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 87, Anm. II 1).
Für die hier zu entscheidende Frage kommt es nicht darauf an, ob Art. 87 Abs. 1 GG für die Bundesfinanzverwaltung einen dreistufigen oder nur - wie der BdF in seiner Stellungnahme und der V. Senat des BFH im Urteil V R 128/66 vom 27. Juni 1968 (BFH 92, 144, BStBl II 1968, 488) im Anschluß an Maunz-Dürig, Grundgesetz Art. 108 Randziff. 20 meinen - einen zweistufigen Behördenaufbau gebietet. Es ist auch unerheblich, ob die Ministerialstufe zu diesem Behördenaufbau zu rechnen ist (vgl. Maunz-Dürig, Art. 87, Randziff. 5 und 15). Entscheidend ist allein, daß die durch die Verfassung vorgeschriebene Eigenverwaltung des Bundes mit eigenem Verwaltungsunterbau ausschließt, die Ausführung des Beförderungsteuergesetzes anderen Behörden als Bundesfinanzbehörden zu übertragen. Es ist insbesondere unzulässig, einen Bundes- und Landesbehörden miteinander verbindenden Instanzenzug zu schaffen (vgl. Köttgen, Jahrbuch des öffentlichen Rechts, neue Folge, Bd. 3, S. 74, 97; derselbe, Die Öffentliche Verwaltung 1955 S. 491; Maunz-Dürig, Art. 83, Randziff. 37, 62 mit weiteren Nachweisen); das ist aber durch § 304 Abs. 2 Satz 2 AO in der Fassung des Art. 17 Nr. 15 des Steueränderungsgesetzes 1961 (BGBl I, 981) und durch § 249 Abs. 2 Satz 2, Halbsatz 2 AO in der Fassung des § 162 Nr. 40 FGO hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer geschehen.
b) Art. 108 GG regelt die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern abschließend. Dies wirkt sich auch auf die Regelungsbefugnis des Bundesgesetzgebers hinsichtlich des Behördenaufbaues nach Art. 108 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 GG aus; das den Behördenaufbau regelnde Bundesgesetz nach Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG muß sich im Rahmen des Art. 108 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG halten.
Art. 108 GG statuiert einerseits die Verwaltungskompetenz der Bundes- und der Landesfinanzbehörden für die Verwaltung bestimmter Steuern und sieht andererseits die Möglichkeit vor, durch Bundesgesetz die Kompetenz von Landesfinanzbehörden anstelle der nach dem Grundgesetz zur Verwaltung berufenen Bundesfinanzbehörden zu begründen. Als Formen der Verwaltung kennt Art. 108 GG - von der Sonderregelung des Abs. 3 Satz 4 abgesehen - nur Eigenverwaltung durch die Bundes- oder die Landesfinanzbehörden oder Auftragsverwaltung durch die Landesfinanzbehörden. Die den Bundesfinanzbehörden zustehende Verwaltungskompetenz kann nur im Falle der einmaligen Vermögensabgaben, der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer übertragen werden; die Übertragung ist nur zur Auftragsverwaltung der Länder möglich (Art. 108 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 GG).
Auch aus den im Zweifel bei der Auslegung des Art. 108 GG ergänzend heranzuziehenden Vorschriften des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes kann nicht abgeleitet werden, der Bund sei im Rahmen des nach Art. 108 Abs. 1 Satz 2 GG zu erlassenden Gesetzes über den Behördenaufbau befugt, Landesfinanzbehörden zur Ausführung des Beförderungsteuergesetzes heranzuziehen. Denn Art. 83 GG begründet, entsprechend der Grundregel des Art. 30 GG eine allgemeine Zuständigkeit der Länder, die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit auszuführen; unter Ausführung ist dabei die verwaltungsmäßige Ausführung zu verstehen (BVerfGE 11,6 [15]). Abweichungen von dieser Regel müssen vom Grundgesetz bestimmt oder zugelassen sein.
Art. 108 GG weicht in seinem Aufbau von Art. 83 GG ab; er begründet die Zuständigkeit von Bundesfinanzbehörden oder die von Landesfinanzbehörden zur Eigenverwaltung oder Auftragsverwaltung. Nur für bestimmt bezeichnete Abgaben ist es zugelassen, die nach dem Grundgesetz dem Bund zustehende Verwaltungskompetenz auf die Länder im Wege der Auftragsverwaltung zu übertragen. Die Beförderungsteuer fällt, wie schon dargelegt, nicht unter die möglichen Ausnahmen.
2. Der BdF hält Art. 108 GG für das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Bestrebungen des Finanzausschusses und des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates zur Schaffung einer ungeteilten Finanzverwaltung und den dagegen vorgebrachten Einwendungen der Militärgouverneure. Im Urteil V R 128/66 (BFH 92, 149, BStBl II 1968, 488) - auf das sich der BdF beruft - meint der V. Senat des BFH, die Regelung der Verwaltung der Steuern im Grundgesetz stelle einen Kompromiß dar, der nicht zuletzt auch durch die Haltung der damaligen Besatzungsmächte erzwungen worden sei. Dies trifft hinsichtlich der Verwaltung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer nicht zu.
Einwirkungen der damaligen Besatzungsmächte richteten sich gegen die Bestrebungen, die Finanzverwaltung ungeteilt dem Bund zu übertragen (vgl. den schriftlichen Bericht des Abgeordneten Dr. Höpker-Aschoff, Anlage zum stenographischen Bericht über die 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates am 6. Mai 1949, S. 51, 58; vgl. auch Art. 123, Vorschlag b des Entwurfs eines Grundgesetzes, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 25. August 1948, Richard-Pflaum-Verlag, München, S. 55 f., 80f.); dies ergibt sich aus den Memoranden der Militärgouverneure vom 22. November 1948 (Buchst. d) und vom 2. März 1949 (Nr. 5) sowie den dem Parlamentarischen Rat durch die Militärgouverneure übermittelten Schreiben der Außenminister der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs vom 5. April 1949 und vom 8./22. April 1949 (Buchst. B - zitiert nach E. R. Huber, Quellen zum Staatsrecht der Neuzeit, Bd. 2, S. 209, 210, 212, 214, 215 -). Die Einwendungen der Besatzungsmächte bezogen sich jedoch nicht darauf, ob die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer durch Bundes- oder durch Landesfinanzbehörden zu verwalten seien; die genannten Äußerungen ergeben vielmehr, daß die Besatzungsmächte bestrebt waren, die Befugnisse des Bundes hinsichtlich der Steuerverwaltung zu beschränken und die Eigenständigkeit der Länder durch eine eigene Verwaltung der Steuern, die ihnen zufließen sollten, zu sichern.
Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG beruht hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer ausschließlich darauf, daß die im Parlamentarischen Rat vertretenen Anhänger einer Bundesfinanzverwaltung nicht bereit waren, für diese Steuern die Auftragsverwaltung durch die Länder vorzusehen (ebenso BFH 92, 149). Dies ergibt sich aus dem schriftlichen Bericht des Abgeordneten Dr. Höpker-Aschoff (a. a. O., S. 59; vgl. auch Finanzarchiv, neue Folge, Bd. 12 S. 728); dort ist ausgeführt: "Es hätte natürlich nahegelegen, auch hier die Möglichkeit einer Auftragsverwaltung vorzusehen, aber die Bereitschaft, den 'Föderalisten' Zugeständnisse zu machen, war erschöpft".
3. Unrichtig ist auch die Auffassung des BdF, der Grundgesetzgeber sei davon ausgegangen, die Finanzämter sollten bei der Verwaltung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer für den Bund tätig werden. Gegen diese Ansicht sprechen der Wortlaut und der im Wortlaut zum Ausdruck kommende Zweck des Art. 108 Abs. 1 GG sowie die Systematik der Verteilung der Verwaltungskompetenzen (Art. 83 ff., 108 GG). Der BdF beruft sich zu Unrecht auf das Gewicht des schriftlichen Berichts des Abgeordneten Dr. Höpker-Aschoff (a. a. O., S. 58), das nicht hoch genug veranschlagt werden könne. In diesem Bericht ist ausgeführt, es bleibe nichts anderes übrig, als in Ansehung der Umsatzsteuer die Sachbearbeiter der FÄ zu Bundesbeamten zu machen (ebenso Höpker-Aschoff, Archiv des öffentlichen Rechts, Bd. 75 S. 330, Die Öffentliche Verwaltung 1949 S. 284); dieser Vorschlag ist durch § 9 Abs. 2 FVG nicht verwirklicht worden. Andererseits hat Höpker-Aschoff ausgeführt (schriftlicher Bericht, a. a. O., S. 59), daß sich die dem Bunde zufallende Beförderungsteuer ohne weiteres (an die Bundesfinanzverwaltung) angliedern lasse (ebenso in Archiv des öffentlichen Rechts, Bd. 75, S. 329). Seine unterschiedliche Würdigung für die beiden Steuern beruht darauf, daß die der Verwaltung der Umsatzsteuer durch Bundesfinanzbehörden entgegenstehenden Schwierigkeiten bei der Beförderungsteuer nicht bestehen.
Hiervon abgesehen ist die Äußerung des Abgeordneten Dr. Höpker-Aschoff angesichts des auf Wortlaut, Zweck und Systemzusammenhang beruhenden eindeutigen Ergebnisses der Auslegung des Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG für die Interpretation dieser Vorschrift hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer irrelevant. In dieser Meinungsäußerung eines an der Schaffung des Art. 108 GG beteiligten Mannes offenbart sich aber die Erkenntnis, daß die Vorschrift für die Umsatzsteuer nur schwer zu verwirklichen ist. Dies bringt Höpker-Aschoff - nach Erlaß des Gesetzes über die Finanzverwaltung - im Finanzarchiv (neue Folge Bd. 12 S. 728) mit den Worten zum Ausdruck: "die Kundigen waren sich sofort darüber klar, daß man hier einen krummen Weg suchen müsse, um den Bestimmungen des Grundgesetzes und zugleich den praktischen Bedürfnissen zu genügen". In der 152. Sitzung des Bundestages vom 14. Juni 1951 (Stenographische Berichte S. 6033 C) bezeichnete der Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff in einem hier nicht interessierenden Zusammenhang die Verwaltung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer auf Grund der Regelung des Finanzverwaltungsgesetzes als eine krause Regelung.
4. Die dem Bund fehlende Kompetenz, durch ein auf Art. 108 Abs. 1 Satz 2 GG zu stützendes Bundesgesetz die FÄ, also Behörden der Länder, zur Ausführung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes heranzuziehen, konnte durch Zustimmung der Länder nicht begründet werden.
a) Die Länder haben nicht zugestimmt. Der im Urteil des BFH V R 128/66 (BFH 92, 152) vertretenen Auffassung, die Zustimmung sei darin zu sehen, daß der Bundesrat dem Finanzverwaltungsgesetz zugestimmt habe, kann nicht gefolgt werden. Das Finanzverwaltungsgesetz war zustimmungsbedürftig, weil es auch zur Ausführung des Art. 108 Abs. 3 Satz 1 GG ergangen ist (Abs. 3 Satz 2 vgl. mit Abs. 1 Satz 2).
Der Bundesrat ist nicht Organ der Länder, sondern ein Bundesorgan (BVerfGE 1, 311; 8, 120); als solches kann er keine Zustimmung für die einzelnen Länder erklären. Außerdem sind von den Landesregierungen bestimmte Mitglieder der Regierungen, die in ihrer Zusammenfassung im Bundesrat Organ des Bundes sind, nicht fähig, organschaftlich für die Länder zu handeln, von denen sie entsandt sind. Hierbei mag dahingestellt bleiben, ob Landesregierungen ohne Zustimmung der Landtage (die nach den meisten Landesverfassungen der Gesetzesform bedürfte) zur Abgabe einer das Land bindenden Zustimmungserklärung befugt wären.
Auch der Ansicht des BdF, der das "ausdrückliche und fortdauernde Einverständnis" der Länder darin sieht, daß die "Organleihe seit bald 20 Jahren unangefochten praktiziert" werde, kann sich der Senat nicht anschließen. Es trifft zunächst in dieser Allgemeinheit nicht zu, daß § 9 Abs. 2 FVG unangefochten geblieben sei (vgl. unten IV 1b und die Anmerkung zum Urteil des V. Senats des BFH V R 128/66 in HFR 1968, 477); doch ist dem BdF zuzugeben, daß sich die Länder der Regelung, durch die ihre Behörden in Anspruch genommen wurden, nicht widersetzt haben. Länder können jedoch nur durch ihre Organe handeln. Ausdrückliche Erklärungen hierzu berufener Länderorgane sind nicht ersichtlich. Der BdF verwechselt offensichtlich ausdrückliche Erklärungen und Erklärungen durch Stillschweigen. Untätigkeit der zur Abgabe von Erklärungen berufenen Länderorgane auf eine Kompetenzanmaßung durch den Bundesgesetzgeber ist kein Handeln der Länder.
b) Hiervon abgesehen kann sich der Bund den ihm durch das Grundgesetz übertragenen Aufgaben nicht entziehen, es sei denn, das Grundgesetz lasse die Übertragung zu. Die Übertragung ist hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer nicht vorgesehen (vgl. oben C I 1). Art. 20 Abs. 3 GG bindet den Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung. Ein Gesetz, das die Verwaltungstätigkeit auf der Behördenunterstufe im Gegensatz zu der eindeutigen Anordnung des Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG den örtlichen Landesfinanzbehörden überbürdet, kann nicht deswegen im Einklang mit der verfassungsmäßigen Ordnung stehen, weil die durch das Gesetz belasteten Länder zustimmen. Die Zustimmung der Länder ist nicht geeignet, sich auf die Bindung des Bundesgesetzgebers an die Verfassung auszuwirken (vgl. BVerfGE 1, 14 [35]; 4, 115 [139]).
II.
§ 9 Abs. 2 FVG sieht entgegen der Regelung des Grundgesetzes, nach der die Beförderungsteuer durch Bundesfinanzbehörden - in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau - zu verwalten ist, die Möglichkeit vor, das Beförderungsteuergesetz auf der Behördenunterstufe durch die FÄ auszuführen; die FÄ sind Landesfinanzbehörden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 FVG). Diese Möglichkeit wurde durch Nr. 4 der 1. DAFVG insofern verwirklicht, als es sich um die im Gesetz als Befugnis der OFDen vorgesehene Inanspruchnahme der FÄ handelt. Der den FÄ durch § 9 Abs. 2 FVG auferlegte Funktionsbereich entspricht der Sache nach dem, der ihnen als örtlichen Landesfinanzbehörden hinsichtlich der Steuern übertragen ist, die nach Art. 108 Abs. 3 und 4 GG oder auf Grund Art. 108 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 GG durch Landesfinanzbehörden in Eigenverwaltung oder in Auftragsverwaltung zu verwalten sind (§ 21 FVG). Dies ergibt sich zwar nicht aus dem unklar gefaßten Wortlaut, jedoch aus dem aus der Entstehungsgeschichte abzuleitenden und durch später ergangene Gesetze bestätigten Zweck der Vorschrift.
1. Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 FVG ist insoweit eindeutig, als der OFD eine Befugnis gegeben wird. Die OFD, die nach § 9 Abs. 1 FVG die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer verwaltet, kann bei der Bearbeitung dieser Steuern Hilfe in Anspruch nehmen. Der Wortlaut ist jedoch unklar, soweit es sich um den Ausdruck "Hilfe" handelt.
Hilfe ist ein Verhalten zur Unterstützung eines anderen. Bezogen auf das Tun des anderen - Verwaltung (§ 9 Abs. 1 FVG) oder Bearbeitung (§ 9 Abs. 2 FVG) - kann sie nur unterstützende Tätigkeit zu fremdem Tun sein. In diesem Sinne ist der Ausdruck "Hilfe" in § 188 AO und in § 15 FVG stets verstanden worden (vgl. Bekker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Bd. II, 9. Aufl., § 188 Anm. 2 und 3; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Reichsabgabenordnung, Bd. II, 1.-5. Aufl., § 188 AO Anm. 2, 8 ff., § 15 FVG Anm. 2; Mattern-Meßmer, Reichsabgabenordnung, Tz. 1208, 1217; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, 2. und 3. Aufl., § 188 Anm. 1 und 5). § 188 Abs. 3 AO bezeichnet die Pflicht zur Hilfeleistung als Beistandspflicht.
Geht man von dieser Bedeutung des Wortes "Hilfe" aus, so haben die FÄ die OFDen bei der Bearbeitung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer durch Hilfeleistung zu unterstützen. Über den möglichen Umfang der Inanspruchnahme dieser Hilfe sagt § 9 Abs. 2 FVG allerdings nichts aus. Immerhin stünde bei einer Verbalinterpretation fest, daß die FÄ nicht berufen sind, das Beförderungsteuergesetz verwaltungsmäßig auszuführen. Trotz der Unbestimmtheit des Ausdruckes "Hilfe" im Hinblick auf den Umfang dieser Hilfe könnten in diesem Falle keine verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen Tätigkeiten der FÄ erhoben werden, die sich funktionell darin erschöpfen, den OFDen bei der Verwaltung der Beförderungsteuer durch einzelne oder eine Mehrheit von Hilfeleistungen beizustehen.
2. Das Ergebnis der Wortauslegung in Beziehung auf die "Hilfe der Finanzämter" war vom Gesetzgeber nicht gewollt. Die Vorschrift hat den Zweck, die FÄ auch bei der Umsatzsteuer und bei der Beförderungsteuer die Funktionen ausüben zu lassen, die ihnen als örtlichen Landesfinanzbehörden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 FVG) für die Steuern obliegen, die von den Ländern im Auftrage des Bundes (Art. 108 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 und 4 GG) oder in Eigenverwaltung verwaltet werden (§ 21 FVG). Die FÄ sollen die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer und Beförderungsteuer ermitteln, die Steuer festsetzen und erheben und das Verfahren der Umsatzsteuervergütung durchführen. Sie sollen auch - wie bei anderen Steuern - Betriebsprüfungen (§ 162 Abs. 10 und 11 AO) und Sonderprüfungen abhalten; sie sollen zu Maßnahmen der Steueraufsicht (§ 27 UStG in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 des Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 19 März 1964, BGBl I, 253; § 18 BefStG) berufen sein, kurzum, hinsichtlich der Umsatzsteuer und Beförderungsteuer alle die Aufgaben erfüllen, die ihnen hinsichtlich anderer Steuern als Landesfinanzbehörden obliegen. Der mit § 9 Abs. 2 FVG verfolgte Zweck ergibt sich im wesentlichen nur aus der Entstehungsgeschichte des § 9 FVG und aus später ergangenen Gesetzen, die an diese Vorschrift anknüpfen.
a) § 9 Abs. 1 FVG, der sachlich dem § 5 Abs. 2 des Entwurfs zum Gesetz über die Finanzverwaltung (Bundestagsdrucksache Nr. 697, 1 Wahlperiode 1949) entspricht, schreibt vor, daß die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer durch die OFDen verwaltet werden, und zwar durch Verwaltungsangehörige des Bundes, die der Besitz- und Verkehrsteuerabteilung zugeteilt sind und dem Oberfinanzpräsidenten unmittelbar unterstehen.
Aus der besonderen Erwähnung der Verwaltung der Umsatzsteuer und Beförderungsteuer durch die OFDen könnte geschlossen werden, daß eine Abweichung von den sonst für diese Behörden geltenden Regeln der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3, 6 FVG in dem Sinne gewollt war, daß sie hinsichtlich der Umsatzsteuer und Beförderungsteuer nicht Aufsichtsbehörden, sondern erstinstanzliche Behörden sein und das Umsatzsteuergesetz sowie das Beförderungsteuergesetz ausführen sollten. § 1 Abs. 1 Nr. 1 FVG setzt die OFDen (Bundesfinanzbehörden) als Mittelinstanzen ein. Nach § 3 FVG obliegt ihnen die Leitung der Finanzverwaltung für ihren Bezirk. Wird ihnen durch § 9 Abs. 1 FVG die Verwaltung der Umsatzsteuer und Beförderungsteuer übertragen, so können sie nicht zugleich als Mittelbehörden die Leitung der Finanzverwaltung des Bundes hinsichtlich dieser Steuern haben. Auch § 6 FVG könnte den Schluß rechtfertigen, daß die OFDen die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer erstinstanzlich zu verwalten haben. § 6 Abs. 2 Satz 3 FVG umschreibt den Wirkungsbereich der bei den OFDen zu errichtenden Besitz- und Verkehrsteuerabteilungen dahin, daß sie berufen seien, die Durchführung aller Aufgaben zu leiten, für deren Erledigung örtlich die FÄ (§§ 20 f. FVG) zuständig sind; die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer werden zu den Verkehrsteuern gerechnet (vgl. Art. 106 Abs. 2 GG in der ursprünglichen Fassung). Die Besitz- und Verkehrsteuerabteilung ist nach § 6 Abs. 3 FVG mit Verwaltungsangehörigen des Landes besetzt; für die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer schreibt § 9 Abs. 1 FVG vor, daß sie durch der Besitz- und Verkehrsteuerabteilung zugeteilte Verwaltungsangehörige des Bundes verwaltet werden sollen.
Wenn beabsichtigt gewesen wäre, die Verwaltungstätigkeit der Unterstufe hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer den OFDen zu übertragen, hätte eine Abgrenzung nahe gelegen, inwieweit die OFDen die Steuern selbst "bearbeiten" müssen und inwieweit sie Hilfe in Anspruch nehmen dürfen. Dies sah der Änderungsantrag der Fraktion des Zentrums (Bundestagsdrucksache Nr. 925, 1. Wahlperiode 1949) vor. Danach sollte in § 10 Abs. 2 des Entwurfs des Gesetzes über die Finanzverwaltung klargestellt werden, daß die OFDen die Hilfe der FÄ insoweit in Anspruch nehmen dürfen, als es sich um die Ermittlung und Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen handelt; im übrigen sollte die Verwaltung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer durch bei den FÄ zu errichtende Bundeskassen als Bundesfinanzbehörden der Ortsinstanz durchgeführt werden.
Eine solche Klarstellung ist jedoch unterblieben. Es war von vornherein gewollt - dies wurde in der Praxis auch verwirklicht -, daß die OFDen nach Art einer Mittelinstanz tätig werden sollten und daß die FÄ hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer die gleichen Verwaltungstätigkeiten (einschließlich des Verfahrens der Umsatzsteuervergütung) verrichten sollten, die ihnen in Beziehung auf die Steuern (z. B. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Kapitalverkehrsteuern usw.) oblagen, die sie in ihrer Eigenschaft als örtliche Landesfinanzbehörden (§§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 21 FVG) verwalten (vgl. hierzu die Äußerungen der Abgeordneten Zinn und Dr. Bertram in der 63. Sitzung der 1. Legislaturperiode des Bundestages, stenographische Berichte, S. 2295 A und D). Dementsprechend ist es auch unterlassen worden, die in den §§ 73 Abs. 4, 76 Nr. 7 AO enthaltenen Regeln über die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer und Beförderungsteuer zu modifizieren oder aufzuheben. Beide Vorschriften gelten formal heute noch; lediglich § 76 Nr. 7 AO ist durch Regelungen der Beförderungsteuer-Durchführungsverordnung praktisch gegenstandslos geworden. Entsprechend der vorgefaßten Absicht, das Umsatzsteuergesetz durch die FÄ auf der Behördenunterstufe ausführen zu lassen, wurde hinsichtlich des Umsatzsteuergesetzes vom 16. Oktober 1934 (Reichsgesetzblatt I S. 942) kein Anlaß gesehen, die Konsequenz daraus zu ziehen, daß die Umsatzsteuer nach § 9 Abs. 1 FVG durch die OFDen verwaltet wird; im Umsatzsteuergesetz (zuletzt in der Fassung des 17. Änderungsgesetzes vom 23. Dezember 1966, BGBl I, 709) werden als Behörden, die das Gesetz auf der Unterstufe ausführen, die FÄ bezeichnet (vgl. z. B. §§ 11, 13 Abs. 2, 14, 19 Abs. 2, 21 Abs. 1 und 2, 22 Abs. 2 und 3). Das Umsatzsteuergesetz vom 29. Mai 1967 (BGBl I, 545) nennt als Behörden, die das neue Gesetz auszuführen haben, trotz § 9 Abs. 1 FVG die FÄ (vgl. z. B. §§ 10 Abs. 2 Satz 2, 15 Abs. 4 und 5, 16 Abs. 4 und 6, 18 Abs. 2 Satz 7 und 8, Abs. 3 Satz 3, 19 Abs. 4 Satz 1, 20, 23 Abs. 4 Satz 1, 24 Abs. 4, 25 Abs. 1 Satz 1). Im Einklang hiermit wird die Frist zur Abgabe der Umsatzsteuererklärungen nicht durch den BdF bestimmt, sondern durch Verwaltungsanordnungen der obersten Finanzbehörden der Länder (§ 2 Abs. 2 FVG) zusammen mit der Frist zur Abgabe der Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen geregelt (vgl. z. B. BStBl II 1953, 66, 67; II 1955, 72, 73, 77; II 1961, 70 bis 72, 74 bis 76; II 1966, 89 bis 94; II 1967, 120 bis 126, 139 bis 142; I 1968, 502). Als Behörden der Unterstufe sieht auch der BdF die FÄ in Umsatzsteuer- und Beförderungsteuersachen an; im Erlaß des BdF vom 9. Juli 1964 (BStBl I 1964, 492) ist bestimmt, die OFD sei Aufsichtsbehörde im Sinne des § 3 FVG und des § 222 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AO auch insoweit, als sie gemäß § 9 FVG die Hilfe der FÄ in Anspruch nehme; sie übe die Befugnisse der Aufsichtsbehörde auch tatsächlich aus.
b) § 9 Abs. 3 FVG läßt erkennen, daß die durch Abs. 1 vorgeschriebene Verwaltung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer durch die OFDen im Wege der Übertragung aller mit der Festsetzung und der Erhebung der Steuern zusammenhängenden Funktionen auf die FÄ (Landesfinanzbehörden im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 FVG) weitgehend ausgeschlossen werden sollte; nach Absatz 3 gelten die Vorschriften der Reichsabgabenordnung, insbesondere für die Zuständigkeit und das Verfahren, entsprechend. Ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung nach kann sich diese Vorschrift auf Absatz 2 allein oder auch auf Absatz 1 und 2 beziehen. Der Zweck der Vorschrift ist aus Wortlaut und systematischer Stellung nicht zweifelsfrei zu erschließen. Durch die Entstehungsgeschichte wird jedoch deutlich, daß sich der Wirkungsbereich des Absatzes 3 nur auf Absatz 2 erstrecken sollte. § 10 Abs. 3 des Entwurfs des Gesetzes über die Finanzverwaltung (Bundestagsdrucksache Nr. 697, 1. Wahlperiode 1949) lautete: "Soweit Finanzämter bei der Bearbeitung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer nach Abs. 2 Hilfe leisten, gelten die Vorschriften der Reichsabgabenordnung, insbesondere für die Zuständigkeit des Finanzamts und für das Verfahren, entsprechend." In der amtlichen Begründung zu § 10 des Entwurfs (a. a. O., S. 16) heißt es:
"Nach Abs. 2 können die Oberfinanzpräsidenten bei der Verwaltung der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer die Hilfe der Landesfinanzbehörden in Anspruch nehmen. Gedacht ist dabei in erster Linie an die Hilfe durch die Finanzämter. Deshalb wird durch Abs. 3 bestimmt, daß die Vorschriften der Reichsabgabenordnung bei der Hilfeleistung entsprechende Anwendung finden."
c) Durch Nr. 4 der 1. DAFVG wurde die im Gesetzeswortlaut nicht klar zum Ausdruck kommende Absicht vollzogen. Danach nehmen die OFDen die Hilfe der FÄ bei der Verwaltung der Umsatzsteuer und Beförderungsteuer in der Weise in Anspruch, daß die FÄ diese Steuern für die OFDen erheben. Die Bescheide und sonstigen Verfügungen der FÄ mußten unter der Bezeichnung "Finanzamt...zugleich Umsatzsteuer-(Beförderungsteuer-)Stelle der Oberfinanzdirektion..." erlassen werden. Über Einsprüche sollte das FA als Umsatzsteuer-(Beförderungsteuer-)Stelle der OFD in deren Namen entscheiden. Hinsichtlich solcher Verfügungen des FA, die mit der Beschwerde angegriffen wurden, sollte es als Hilfsstelle der OFD im Sinne des § 304 Abs. 2 AO (Fassung vom 22. Mai 1931, Reichsgesetzblatt I S. 161) angesehen werden.
d) In der Folgezeit wurde die durch § 9 FVG gewollte Ausführung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes durch die FÄ entsprechend deren Tätigkeit bei anderen Steuern durch Rechtsvorschriften bestätigt.
In den §§ 3 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1, 7 Nr. 1 der Verordnung zur Änderung von Vorschriften über die Durchführung des Beförderungsteuergesetzes (BefStDÄndV) vom 18. Mai 1951 (BGBl I, 260) wird, wenn die OFD bei der Bearbeitung der Beförderungsteuer die Hilfe von FÄ gemäß § 9 Abs. 2 FVG in Anspruch nimmt, die Beförderungsteuerstelle der OFD bei dem FA für zuständig erklärt, das von der OFD bestimmt ist. Die Ausnahmen für die Bundesbahn (§§ 1 Nr. 1, 2 Nr. 1, 10 Nr. 1 BefStDÄndV) und für die Bundespost (§ 9 Nr. 2 BefStDÄndV) sind für die Frage der Rechtsgültigkeit des § 9 Abs. 2 FVG unerheblich. Dasselbe gilt für die Erhebung der Beförderungsteuer im grenzüberschreitenden Verkehr (§§ 6 Nr. 1, 8 Nr. 1 BefStDÄndV); die Übertragung der Erhebung der Beförderungsteuer auf die Grenzzollstellen als Hilfsstellen der OFD beruht nicht auf Nr. 4 der 1. DAFVG, sondern auf den bezeichneten Vorschriften der Beförderungsteuer-Durchführungsverordnung.
Die Beförderungsteuer-Durchführungsverordnung 1955 (vom 8. Oktober 1955, BGBl I, 159) führte den Begriff des Beförderungsteuer-Finanzamts (vgl. §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3, Abs. 4, Abs. 7, 2, 11 Abs. 3, 36 Abs. 3, 44 bis 46 und 53 Abs. 3 usw.) ein. Beförderungsteuer-FÄ sind nach § 1 Abs. 7 BefStDV 1955 die FÄ, deren Hilfe die OFDen in Anspruch nehmen. In der Sache selbst wurde - soweit hier von Interesse - am bisherigen Zustand nichts geändert. Wie bisher waren die OFDen weder gehalten, nur ein FA ihres Bezirkes heranzuziehen, noch mußten sie sich sämtlicher FÄ ihres Bezirkes zur Hilfeleistung bedienen. Der Bund hat sich also nicht darauf beschränkt, die FÄ im Rahmen ihrer durch die Landesbehördenordnung vorgegebenen örtlichen Zuständigkeit in Anspruch zu nehmen, sondern hat selbständig über die Zuständigkeit dieser Landesbehörden verfügt.
Nach Nr. 4 Abs. 1 der 1. DAFVG waren die (zeitlich später) in der Durchführungsverordnung als Beförderungsteuer-FA bezeichneten FÄ hinsichlich ihrer Stellung im Verfahren über Verwaltungsakte, die mit der Beschwerde angegriffen waren, als Hilfsstellen der OFDen anzusehen. Diese Bezeichnung wurde erstmals durch Art. 17 Nr. 15 des Steueränderungsgesetzes 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl I, 981), der den § 304 Abs. 1 und 2 AO neu faßte, in einem Gesetz gebraucht. In beiden Absätzen des § 304 AO, der sich nur auf das Verfahren der Verwaltungsbeschwerde bezog, erscheint der Begriff des FA als Hilfsstelle der OFD. Über die Beschwerde gegen eine Verfügung, die von einem FA als Hilfsstelle der OFD erlassen wurde, hatte - im Gegensatz zu der Regelung in Nr. 4 Abs. 5 der 1. DAFVG - die OFD zu entscheiden. Hinsichtlich der im Berufungsverfahren anfechtbaren Verwaltungsakte verblieb es bei der bisherigen Regelung, nach der das FA die Einspruchsentscheidung im Namen der OFD erlassen sollte (Nr. 4 Abs. 3 Satz 3 der 1. DAFVG). Die FÄ bezeichneten sich im Kopf der Einspruchsentscheidung als Beförderungsteuerstelle der OFD. Gerichtliche Entscheidungen ergingen im Berufungsverfahren in der Regel gegen das FA ohne den Zusatz "Beförderungsteuerstelle der Oberfinanzdirektion".
Die Neuordnung des Verfahrens über Rechtsbehlfe im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren durch die Finanzgerichtsordnung verfestigte den mit § 9 Abs. 2 FVG gewollten und in der Praxis bestehenden Zustand. Nach § 248 Abs. 3 Satz 2 AO in der Fassung des § 162 Nr. 40 FGO entscheidet das FA über den Einspruch gegen einen Bescheid, den es als Hilfsstelle der OFD erlassen hatte. In § 249 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 AO in der Fassung des § 162 Nr. 40 FGO ist bestimmt, daß das FA befugt ist, der Beschwerde gegen eine Verfügung abzuhelfen, die es als Hilfsstelle der OFD erlassen hat und daß über eine solche Beschwerde - falls ihr nicht abgeholfen wird - die OFD zu entscheiden hat.
Für das gerichtliche Verfahren bestimmt § 63 Abs. 2 FGO, daß die Klage auch dann gegen das FA zu richten ist, wenn es als Hilfsstelle der OFD den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen oder abgelehnt hat. Diese Vorschrift bezieht sich auch auf die Fälle, in denen die OFD - ganz oder zum Teil - ablehnend über die Beschwerde gegen eine Verfügung oder gegen die Unterlassung (§ 236 Abs. 2 AO in der Fassung des § 162 Nr. 40 FGO) einer beantragten Verfügung als Beschwerdebehörde entschieden hat. Da auf seiten der Verwaltung in Fällen dieser Art nur das FA als Beteiligter in Betracht kommt (§§ 63 Abs. 2 in Verbindung mit § 57 Nr. 2 FGO), kann nur diese Behörde Revision einlegen (§ 115 Abs. 1 FGO); der Fall des Beitritts nach § 61 FGO (vgl. § 57 Nr. 4 FGO) kann hier außer Betracht bleiben.
3. Im Urteil V R 128/66 (BFH 92, 152) führt der V. Senat des BFH aus, es bestehe "gegenüber der Verwaltung der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und der sonstigen durch die Finanzämter verwalteten Steuern hinsichlich der Umsatzsteuer doch ein wesentlicher rechtlicher und tatsächlicher Unterschied". Der erkennende Senat muß auf diese abweichende Ansicht eingehen, weil die Rechtslage für die Umsatzsteuer und für die Beförderungsteuer gleich ist (ebenso BFH 92, 148; Wauer, Steuer und Wirtschaft 1968 Sp. 762; a. M. Möllinger, Steuer und Wirtschaft 1967 Sp. 415, 426, 430).
Der V. Senat begründet seine Auffassung damit, daß die Umsatzsteuer nach dem Finanzverwaltungsgesetz unmittelbar durch Bundesbeamte bei der OFD verwaltet werde; dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 9 FVG selbst, aber auch aus dem Begriff "Hilfsstelle" in §§ 304 AO a. F., 248 Abs. 3, 249 AO, der verwaltungsmäßig eine weitgehende Unselbständigkeit zum Ausdruck bringe. Ferner wird auf die Befugnis der OFD hingewiesen, unmittelbar in allen Einzelfragen und nicht als Aufsichtsbehörde (vgl. aber den Erlaß des BdF vom 9. Juli 1964, BStBl I 1964, 492) zu entscheiden und verbindliche Weisungen zu erteilen; Angehörige der Umsatzsteuergruppen der OFDen beteiligten sich an Betriebsprüfungen der FÄ oder führten Umsatzsteuerprüfungen unmittelbar durch. Beispiele dafür, daß die Verwaltung der Umsatzsteuer eine Bundesverwaltung sei, stellten die vom BdF und von den meisten OFDen herausgegebenen Umsatzsteuerkarteien dar.
Auf die vom V. Senat des BFH in den Vordergrund gerückten Befugnisse, die Stellung und die Tätigkeit der OFD bei der Verwaltung der Umsatzsteuer kommt es für die Frage, ob § 9 Abs. 2 FVG mit dem Grundgesetz vereinbar ist, nicht an. Es braucht daher nicht untersucht zu werden, ob die Durchführung von Umsatzsteuerprüfungen oder die Teilnahme an Betriebsprüfungen der FÄ durch Angehörige der Umsatzsteuergruppen der OFDen angesichts der personellen Besetzung dieser Gruppen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Prüfungen für Zwecke der Umsatzsteuer die Ausnahme oder die Regel bilden. Die Herausgabe der Umsatzsteuerkarteien durch den BdF und durch die OFDen bereitet den Gesetzesvollzug vor und ist nicht Ausführung des Umsatzsteuergesetzes. Der Hinweis auf den Begriff "Hilfsstelle" ist ebenfalls nicht geeignet, die Auffassung zu widerlegen, die FÄ führten das Umsatzsteuergesetz aus. Für die Frage, ob § 9 Abs. 2 FVG mit dem Grundgesetz vereinbar ist, spielt es keine Rolle, ob das in später ergangenen Gesetzen gebrauchte Wort "Hilfsstelle" begrifflich eine weitgehende Unselbständigkeit zum Ausdruck bringen soll. Entscheidend ist allein, daß § 9 Abs. 2 FVG die Möglichkeit begründet, das Umsatzsteuergesetz und das Beförderungsteuergesetz durch die FÄ ausführen zu lassen und daß diese örtlichen Landesfinanzbehörden Staatsgewalt des Bundes ausüben solllen. Als unselbständiger Teil der OFD - gewissermaßen deren Außenstelle - ist das FA nicht denkbar, da eine Landesbehörde nicht unselbständiger Teil einer Bundesbehörde sein kann.
III.
Um die Vereinbarkeit des § 9 Abs. 2 FVG mit Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG zu erweisen, sind bisher drei Konstruktionen gewählt worden. Zunächst wurde behauptet, die Tätigkeit der FÄ in Umsatzsteuer- und Beförderungsteuersachen sei Amtshilfe. Durch die Rechtsprechung des BFH wurde die der Nr. 4 der 1. DAFVG zugrunde liegende Auffassung übernommen, die FÄ würden für die OFDen tätig; das Tun der FÄ sei Verwaltungshandeln der OFD auf der Behördenunterstufe. In neuerer Zeit wird § 9 Abs. 2 FVG als Fall einer Organ- oder Institutsleihe gedeutet. Keiner dieser Qualifikationsversuche kann die Auffassung stützen, die Vorschrift sei verfassungsgerecht.
1. Die zu prüfende Norm ist nicht eine besondere gesetzliche Ausprägung des Art. 35 GG. Die schon in der dritten Lesung des Gesetzes im Bundestag von dem damaligen Bundesfinanzminister Dr. Schäffer (63. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11. Mai 1950, Stenographische Berichte S. 2302 D) und in der Folgezeit von Hübschmann (Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1. bis 4. Aufl., §§ 17 bis 46 AO, Anm. zu § 9 FVG) und Vialon (Haushaltsrecht, 2. Aufl., Art. 108 GG, Anm. 6, S. 187) vertretene entgegengesetzte Auffassung ist nicht richtig. Dies ist so offensichtlich, daß es nicht erforderlich ist, den Begriff "Amtshilfe" zu bestimmen oder zu prüfen, ob es sich im Falle des § 9 FVG um eine sogenannte gesteigerte Amtshilfe (vgl. hierzu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl., § 6; Arndt, NJW 1963, 26) handelt. Von Amtshilfe kann nicht die Rede sein, wenn die "helfende" Behörde der Sache nach den Tätigkeitsbereich übernimmt, der an sich der Stelle obliegt, der Amtshilfe zu leisten ist. Geht man auf Grund § 9 Abs. 1 FVG davon aus, daß die OFDen die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer zu verwalten haben, so könnte die auf diese Steuern bezogene Tätigkeit der FÄ, die deren Verwaltungsgeschäfte z. B. hinsichtlich der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer entspricht, keine Amtshilfe sein. Im übrigen leistet eine Behörde, die im Gesetz als Hilfsstelle einer anderen bezeichnet wird, dieser anderen Behörde, weil sie dieser subordiniert ist, im Rahmen ihrer Hilfsstellentätigkeit keine Amtshilfe.
Die Auffassung, die FÄ leisteten auf Grund § 9 Abs. 2 FVG Amtshilfe, wird auch überwiegend abgelehnt (vgl. Abgeordneter Dr. Bertram, 63. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11. Mai 1950, Stenographische Berichte, S. 2295 D f.; Köttgen, Jahrbuch des öffentlichen Rechts, n. F., Bd. 3 S. 74; Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 108, Rdz. 34; Spanner in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Bd. IV, 1.-5. Aufl., § 9 FVG, Anm. 8; Bungert, Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verwaltung der Umsatzsteuer durch die Finanzämter als Hilfsstellen der Oberfinanzdirektionen, Diss. Würzburg, 1968, S. 74 ff.).
2. Der bisherigen Rechtsprechung des BFH liegt im Anschluß an Nr. 4 der 1. DAFVG die Vorstellung zugrunde, bei der Verwaltung der Umsatzsteuer und Beförderungsteuer seien die FÄ Hilfsstellen der OFDen. Diese Vorstellung haben der Verordnungsgeber und der Gesetzgeber übernommen (vgl. oben C II 2d).
Im Urteil II 266/52 U vom 3. September 1953 (BFH 58, 17, BStBl III 1953, 297) vertrat der BFH die Ansicht, bei der Verwaltung der Umsatzsteuer seien entscheidende Instanzen schon in der (ersten) unteren Verwaltungsstufe die OFDen als Bundesfinanzbehörden; die FÄ seien Hilfsstellen. Unter Bezugnahme auf dieses Urteil und Nr. 4 Abs. 1 der 1. DAFVG führt der BFH im Urteil II 183/53 U vom 24. Februar 1955 (BFH 60, 314, BStBl III 1955, 120) aus, die von den FÄ als Hilfsstellen der OFDen in Umsatzsteuersachen auf Grund § 202 AO getroffenen Maßnahmen bildeten solche der Bundesfinanzverwaltung, nicht der Landesfinanzverwaltung; die Rechtsstellung der FÄ als Behörden der Landesfinanzverwaltung werde dadurch nicht beeinflußt.
In dem nicht veröffentlichten Urteil V 144/54 vom 21. Oktober 1954 (auszugsweise wiedergegeben von Oswald in Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1955 S. 188) ist der V. Senat des BFH dem Urteil II 266/52 U a. a. O. beigetreten. Er hält die FÄ in Umsatzsteuersachen zum Erlaß von Steuerbescheiden und von Einspruchsentscheidungen für befugt. Im Urteil V 264/58 U vom 21. Juli 1960 (BFH 71, 619, BStBl III 1960, 480) charakterisiert der BFH die Hilfe nach § 9 Abs. 2 FVG in der Weise, daß die FÄ die Umsatzsteuer für die OFDen zu erheben hätten. Um dieses Verhältnis zum Ausdruck zu bringen, erließen die FÄ Bescheide und sonstige Verfügungen unter der Bezeichnung "...zugleich Umsatzsteuerstelle der Oberfinanzdirektion ..." und Einspruchsentscheidungen im Namen der OFDen. Demgemäß lege der Vorsteher des FA die Rechtsbeschwerde im Namen oder für die OFD ein. Im Urteil V 86/65 vom 27. Oktober 1966 (BFH 87, 206, BStBl III 1967, 68) geht der BFH für die Umsatzsteuer davon aus, die FÄ seien Hilfsstellen der OFDen, hält sie jedoch im Zusammenhang mit der Übertragung der Befugnis zum Erlaß von Steuern (§ 131 Abs. 3 Satz 1 AO) für nachgeordnete Behörden des BdF.
Der VII. Senat des BFH ist in einer Reihe von Entscheidungen (Urteile VII 80/61 U vom 22. Januar 1963, BFH 76, 456, BStBl III 1963, 166; VII 176/60 U vom 16. November 1965, BFH 83, 646, BStBl III 1965, 735; VII 9/65 vom 10. August 1966, BFH 86, 465, BStBl III 1966, 560; vgl. auch VII 98/61 U vom 12. März 1963, BFH 76, 678, BStBl III 1963, 247) der früheren Auffassung des II. Senats gefolgt. Er hielt es jedoch für unerläßlich, die Eigenschaft als Hilfsstelle zum Ausdruck zu bringen.
Der Bundesgerichtshof hat im Urteil VII ZR 50/57 vom 29. Mai 1958 (BStBl I 1958, 710) die Ansicht vertreten, den FÄ sei auf Grund § 9 Abs. 2 FVG die Festsetzung und Einziehung der Umsatzsteuer übertragen; ihre Tätigkeit sei allerdings keine Auftragsverwaltung. Aus der Ermächtigung der FÄ, die Umsatzsteuer für den Bund einzuziehen und beizutreiben, schließt der Bundesgerichtshof für den Fall eines die Beitreibung betreffenden bürgerlichen Rechtsstreits, den FÄ, d. h. den Ländern, stehe die Klagebefugnis unter dem Gesichtspunkt der Prozeßstandschaft zu.
In neuerer Zeit wird die Regelung des § 9 Abs. 2 FVG als ein Fall der Organ- oder Institutsleihe qualifiziert (H. J. Wolff, Verwaltungsrecht II, 2. Aufl., § 75 I a 1, § 77 IV c; vgl. auch Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 108 Rdz. 34; amtliche Begründung zum Entwurf eines Finanzreformgesetzes, Bundestagsdrucksache V/2861, S. 37, Tz. 161). Der V. Senat des BFH (BFH 92, 152) und der BdF in seiner Stellungnahme haben sich diese Ansicht unter Berufung auf Wolff, a. a. O., und auf Maunz-Dürig, a. a. O., zu eigen gemacht.
Wolff (a. a. O., § 77 IV c) hält § 9 Abs. 2 FVG für den Fall einer Organleihe, weil den FÄ Kompetenzen des Bundes zugewiesen worden seien; er beruft sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BFH II 183/53 U (BFH 60, 314). Maunz sagt, § 9 FVG lasse sich nur dann rechtfertigen, wenn man in ihm die Anordnung einer Art Organleihe erblicke, und diese für verfassungsrechtlich zulässig halte.
Der BdF hält die Organleihe für verfassungsgerecht, weil der Bund keine Kompetenzen unter Verzicht auf die eigenen Ausführungsbefugnisse übertragen habe; die entliehenen Organe (die FÄ) würden als unmittelbare Organe des Entleihers (des Bundes) tätig. Der V. Senat des BFH (BFH 92, 151) hält die Organleihe für unbedenklich, weil eine solche Form der Zusammenarbeit im Bereiche der Bundes- und Landesverwaltung durch das Grundgesetz nicht verboten sei; es entspreche dem Prinzip des Bundesstaates, daß Bund und Länder bei Ausübung ihrer Hoheitsgewalt sich nicht nur gegenseitig Rechts- und Amtshilfe leisteten, sondern darüber hinaus bei Ausübung der Verwaltungshoheit jede Möglichkeit der Vereinfachung, der Verbilligung und Zweckmäßigkeit der Verwaltung wahrnähmen.
3. Es ist zweifelhaft, ob die beiden vorstehend dargelegten Auffassungen der Sache nach einander entsprechen oder ob sie sich gegenseitig ausschließen. Schafft § 9 Abs. 2 FVG den Fall einer sogenannten Organ- oder Institutsleihe, so ist davon auszugehen, daß sich der Bund der Organisation der FÄ als örtlicher Landesfinanzbehörden nicht als eigener, sondern anstelle einer eigenen bedient (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts VI C 183/62 vom 24. Juni 1966, Deutsches Verwaltungsblatt 1966 S. 931, 933); die FÄ - örtliche Landesfinanzbehörden - handeln in diesem Fall im Umfang der "Leihe" funktionell als Behörden des Bundes, üben insoweit Staatsgewalt des Bundes aus (vgl. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Bd. II, 1967 S. 289, Nr. 300). Mit dieser Konstruktion ist die Auffassung nicht ohne weiteres vereinbar, das FA sei (verwaltungsmäßig weitgehend unselbständig - BFH 92, 152 f. -) Hilfsstelle der OFD und handle für oder im Namen dieser Bundesbehörde (Nr. 4 Abs. 3 der 1. DAFVG; BFH 71, 621); die OFD sei erste (untere) Verwaltungsstufe (BFH 58, 20; 60, 316; 83, 648; 86, 465, 466).
Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob die beiden Auffassungen miteinander vereinbar sind. Unterstellt, sie schließen sich gegenseitig aus, so kann keine der beiden Ansichten über die rechtliche Qualifikation des § 9 Abs. 2 FVG die Vereinbarkeit der Vorschrift mit Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG erweisen. Diese Rechtsnorm bietet - wie Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG verdeutlicht - weder eine Grundlage dafür, die FÄ als Hilfsstellen der OFDen zur Verwaltung der Beförderungsteuer heranzuziehen, noch erlaubt sie es, daß sich der Bund zur Verwaltung dieser Steuer der Organisation einer Landesfinanzbehörde (anstelle einer eigenen) bedient. Beide Vorschriften der Verfassung verbieten es, Behörden, die nicht zum eigenen Verwaltungsunterbau der Bundesfinanzverwaltung gehören, mit der Ausführung des Beförderungsteuergesetzes auf der Behördenunterstufe zu betrauen.
IV.
Entgegen der Auffassung des BdF gibt es keine Gesichtspunkte, die es "als vertretbar erscheinen" lassen, "etwaige verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Verfahren der Steuererhebung nach § 9 Abs. 2 FVG zurückzustellen". Die Ansicht des BdF, der Grundgesetzgeber sei eindeutig davon ausgegangen, daß die FÄ bei der Verwaltung der Umsatzsteuer und Beförderungsteuer für den Bund tätig werden, ist schon unter C I, 3 widerlegt. Auch seine weiteren Ausführungen können die Vereinbarkeit des § 9 Abs. 2 FVG mit Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG nicht belegen.
1. Die Auffassung des BdF, die Verwaltung auf Grund § 9 Abs. 2 FVG sei in der Vergangenheit unangefochten praktiziert worden, ist nur insoweit richtig, als es sich um die Verwaltungspraxis und um die Rechtsprechung des BFH (vgl. oben C III, 2) handelt. Die zu prüfende Vorschrift ist schon im Gesetzgebungsverfahren angegriffen worden. Im Schrifttum überwiegen die Stimmen, die § 9 Abs. 2 FVG für verfassungswidrig halten.
a) In der 63. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11. Mai 1950 meinte der Abgeordnete Dr. Etzel, § 9 FVG respektiere in einer sehr sorgfältig definierten Weise die Grenzen, die Art. 108 GG gezogen habe (Stenographische Berichte S. 2297 A). Der Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff erklärte in der gleichen Sitzung: "Ich gebe zu, daß dieser Weg verwickelt ist; aber daß er der Verfassung widersprechen würde, kann ich nicht zugeben. Außerdem ist die Frage nicht neu, ...; sie ist seit neun Monaten erörtert worden, und alle Stellen, die sich mit dem Entwurf dieses Gesetzes befaßt haben, ... haben sich einmütig für diesen Ausweg entschieden" (a. a. O. S. 2297 D). Bühler hält im Bonner Kommentar (Art. 108, Anm. II 1) § 9 Abs. 2 für rechtmäßig, da Art. 108 GG einen Schutz der Länder, nicht aber in gleichem Maße des Bundes bezwecke. Vialon (Haushaltsrecht, 2. Aufl., Art. 108 GG, Anm. 6, S. 187) ist der Meinung, die Verwaltung der Umsatzsteuer durch Bundesfinanzbehörden sei nach der gegenwärtigen Organisation entgegen Art. 87 GG undurchführbar; er hält die auf Grund § 9 Abs. 2 FVG geschaffene Regelung der 1. DAFVG für eine notwendige Umgehung der Verfassung (ebenso Heft 60 der Schriftenreihe des Institutes "Finanzen und Steuern", Grundlagen und Möglichkeiten einer organischen Finanz- und Steuerreform, 1962, S. 180). Hübschmann (Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1.-4. Aufl., §§ 17 bis 46 AO, Anm. zu § 9 FVG) hält die Vorschrift unter dem Gesichtspunkt der Amtshilfe für verfassungsmäßig. Maunz in Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 108 Rdz. 34 meint, § 9 FVG sei mit Art. 108 GG nur schwer in Einklang zu bringen. Möllinger (Steuer und Wirtschaft 1967, Spalten 405, 415, 426, 430) hält das auf Grund des § 9 Abs. 2 FVG praktizierte Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer unter dem Gesichtspunkt der Amtshilfe, nicht aber bezüglich der Beförderungsteuer für vertretbar.
b) Der Abgeordnete Dr. Greve wies in seinem mündlichen Bericht in der 63. Sitzung des Bundestages am 11. Mai 1950 (Stenographische Berichte S. 2292 D f.) darauf hin, daß in den Ausschußberatungen durch Ausschußmitglieder und auch durch den Vertreter des Bundesministers der Justiz Bedenken geäußert worden seien; die Mehrheit der Ausschußmitglieder habe jedoch die Ansicht vertreten, § 9 FVG sei mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar. Die Abgeordneten Zinn (Stenographische Berichte S. 2294 D f.) und Dr. Bertram (Stenographische Berichte S. 2295 D f.) hielten die Regelung des § 9 FVG für verfassungswidrig.
Im Schrifttum wird überwiegend die Vereinbarkeit des § 9 FVG mit Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG bestritten. Wacke bezeichnet die Vorschrift in mehreren Abhandlungen als verfassungswidrig (Finanzarchiv, n. F., Bd. 12, S. 718 f., Deutsche Rechtszeitschrift 1950 Beiheft 13, S. 56; Steuerberater-Jahrbuch 1966/67 S. 91); er meint, mit § 9 FVG sei das Grundgesetz bewußt umgangen worden, weil man eine ausdrückliche Änderung seines Textes (Art. 79 GG) gescheut habe (Finanzarchiv, a. a. O., S. 719). Der gleichen Ansicht ist offenbar Hettlage (Finanzarchiv, n. F., Bd. 14 S. 464). Er bezeichnet die Durchführungsgesetze über die geteilte Steuerverwaltung als organisierten Wirrwarr, dessen Funktionieren unter anderem der Geschicklichkeit der Bundesgesetzgebung und des Bundesfinanzministers, der vor einer wohlmeinenden Verbiegung der Verfassung nicht zurückschreckte, zu danken sei. Köttgen (Jahrbuch des öffentlichen Rechts, n. F., Bd. 3, S. 74, 95 f.) hält die Hilfeleistung der Finanzämter bei der Verwaltung von Bundessteuern für "irregulär" und dem Grundgesetz fremd. Friedrich Klein (Festschrift für Friedrich Giese, S. 86 ff.) vertritt ebenfalls die Auffassung, daß § 9 FVG verfassungswidrig sei und weist auf weitere Belegstellen für seine Ansicht hin; die Regelung des Finanzverwaltungsgesetzes sei nicht nur theoretisch mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland unvereinbar, sie widerspreche auch dem wirklich geübten Verfahren. Von Mangoldt (Kommentar zum Grundgesetz, 1. Aufl., Art. 108, Anm. 3) äußert ebenfalls Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit; für die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz spreche es nicht gerade, wenn der an der Abfassung der Bestimmung besonders stark beteiligte Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff dargelegt habe, die Kundigen seien sich sofort darüber im klaren gewesen, daß man hier einen krummen Weg suchen müsse, um den Bestimmungen des Grundgesetzes und zugleich den praktischen Bedürfnissen zu genügen. Im gleichen Sinne halten Möllinger (Steuer und Wirtschaft 1967 Sp. 405 ff., 426, 430) hinsichtlich der Beförderungsteuer und Bungert (a. a. O., insbesondere S. 79) den § 9 FVG für unvereinbar mit Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG. Verfassungsrechtliche Bedenken äußert auch Spanner (Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1. bis 5. Aufl., § 9 FVG, Anm. 3 ff.). Franz Klein (Der Betriebs-Berater 1967 S. 972) ist zwar der Ansicht, daß die Umsatzsteuer entgegen der Regelung des Grundgesetzes tatsächlich durch die FÄ der Länder verwaltet worden sei; er meint jedoch, es handle sich um eine Art Auftragsverwaltung oder gesteigerte Amtshilfe, die in dem Prozeß um die Umsatzsteuer von dem BVerfG nicht als verfassungswidrig angesehen worden sei.
2. Der BdF kann sich auch nicht auf Rechtsprechung des BVerfG berufen, die es rechtfertige, "verfassungsrechtliche Bedenken" gegen § 9 Abs. 2 FVG "zurückzustellen". Die vom BdF genannten Entscheidungen beziehen sich auf Fälle, die mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sind. § 9 Abs. 2 FVG kann nur entweder durch Art. 87, 108 GG gedeckt oder verfassungswidrig sein. Es ist denkgesetzlich unmöglich, eine Organisationsnorm, die verwaltungsmäßige Befugnisse begründet, als zur Zeit noch mit dem Grundgesetz vereinbar anzusehen, sie aber für verfassungswidrig zu halten, wenn eine Änderung der Rechtslage nicht zu erwarten ist oder nachdem es der Gesetzgeber nach Ablauf einer bestimmten Frist unterlassen hat, einen mit der Verfassung vereinbaren Zustand zu schaffen. Der Zeitablauf - auch im Sinne eines nachhaltigen Wandels der Verhältnisse (vgl. BVerfGE 12, 341, 353 f.) - kann keinen Einfluß darauf haben, ob ein - von Anfang an nichtiges - Gesetz, das die Befugnis zur verwaltungsmäßigen Ausführung von Gesetzen begründet, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Hiervon abgesehen hat das BVerfG in keinem der vom BdF bezeichneten Fälle "von Eingriffen in das geltende Recht trotz schwerwiegender verfassungsrechtlicher Bedenken abgesehen".
a) Im Falle BVerfGE 15, 337 spielt die vom BdF erwähnte Frist nur unter dem Aspekt eine Rolle, daß es der Gesetzgeber unterlassen habe, mit dem Grundgesetz unvereinbares Besatzungsrecht - seiner Pflicht entsprechend - aufzuheben oder in der Weise zu ändern, daß ein mit der Verfassung vereinbarer Zustand geschaffen werde. Ein Eingriff in das (formal) geltende Recht kam nicht in Betracht, weil dem BVerfG hinsichtlich der besatzungsrechtlichen Normen die Verwerfungskompetenz fehlte und weil das Gericht das Vertragsgesetz zum Überleitungsvertrag für verfassungsmäßig hielt.
b) Unrichtig ist die Darstellung des BdF, in BVerfGE 16, 147 (187, 188) habe das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsnorm deswegen nicht für nichtig erklärt, weil dem Gesetzgeber angesichts der besonderen Schwierigkeiten eine längere Frist zur Beachtung, Prüfung und für eine evtl. Änderung zugebilligt werden müsse. Unter C der Entscheidungsgründe (a. a. O., S. 160) ist ausgeführt: "Das Bundesverfassungsgericht kann nicht feststellen, daß die mit der Verfassungsbeschwerde bekämpfte Erhöhung ... bis jetzt einen verfassungswidrigen Zustand geschaffen hat". Unter C II bis IV der Gründe wird dargelegt, daß ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, 12, 14 GG nicht vorliege. Die vom BdF in den Vordergrund gestellten Äußerungen im folgenden Abschnitt (a. a. O., S. 188) beziehen sich auf künftiges Verhalten des Gesetzgebers; ihm müsse angesichts des Wandels der Verhältnisse (vgl. hierzu BVerfGE 12, 341, 353 f.) eine längere Frist zugebilligt werden, innerhalb deren er die Wirkung einzelner von ihm versuchsweise getroffener Anordnungen beobachten und für seine weiteren Entschließungen auswerten dürfe.
c) Auch BVerfGE 21, 12 kann den Standpunkt des BdF nicht rechtfertigen. Dort ist entschieden, das Umsatzsteuergesetz könne zur Zeit nicht für nichtig erklärt, noch könne eine Grundrechtsverletzung festgestellt werden (BVerfGE 21, 39). Aus dieser Formulierung ergibt sich eindeutig, daß das BVerfG nicht etwa Bedenken gegen das Umsatzsteuergesetz zurückgestellt, sondern diese als noch nicht durchgreifend angesehen hat. Der vom BdF erwähnte Satz, "die zeitweise Weitergeltung des Gesetzes" sei "bei der gegebenen Situation nicht völlig unerträglich", ist eine Begründung für die Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde. Die Ausführungen des BVerfG (a. a. O., S. 40) über die dem Gesetzgeber für die Änderung der (nicht für verfassungswidrig erklärten) Regelung zuzubilligenden Frist beziehen sich auf künftiges Verhalten des Gesetzgebers und tragen die Entscheidung nicht.
d) Fehl geht auch die Berufung des BdF auf den Beschluß des BVerfG 1 BvR 420/64 vom 7. Mai 1968 (BVerfGE 23, 242). Das BVerfG hat die Ausführungen unter Abschn. C II 3 der Gründe und damit die Bezugnahme auf BVerfGE 21, 12 selbst nicht als materiell entscheidungserheblich angesehen; denn unter B 2 der Entscheidungsgründe hat das Gericht gesagt, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig, "soweit sie sich über das finanzgerichtliche Urteil hinaus unmittelbar gegen das angebliche Unterlassen des Gesetzgebers, ein gleiches Niveau bei der Vermögensteuer zu schaffen, wende".
3. Dem BdF ist darin zuzustimmen, daß ein dem Grundgesetz entsprechender Zustand nicht nur durch eine Aufhebung des § 9 FVG erreicht werden kann. Die Bundesfinanzverwaltung wäre nicht in der Lage, das Umsatzsteuergesetz und das Beförderungsteuergesetz mit dem ihr zur Zeit zur Verfügung stehenden Behördenapparat auszuführen.
Die Gefahr eines Staatsnotstandes besteht jedoch nicht. Die vom BdF befürchtete ernste Finanzkrise kann verhältnismäßig kurzfristig durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen über die Verwaltung der beiden Steuern vermieden werden. Daher kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Gesichtspunkt gegenüber klaren Vorschriften des Grundgesetzes durchgreifen kann.
4. Ein Gericht handelt pflichtwidrig, wenn es "verfassungsrechtliche Bedenken zurückstellt". Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG und § 38 des Deutschen Richtergesetzes verpflichten den Richter, es nicht bei Bedenken zu belassen, sich vielmehr davon zu überzeugen, ob die zu prüfende Vorschrift verfassungsmäßig oder verfassungswidrig ist. Wenn er eine sichere Überzeugung nicht erlangt, muß er die Verfassungsmäßigkeit der zu prüfenden Norm bejahen. Hält er das Gesetz für verfassungswidrig, muß er (bei sogenanntem nachkonstitutionellem Recht) das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes einholen (Art. 100 Abs. 1 GG).
Für die Überzeugungsbildung ist es unerheblich, ob durch eine geplante Änderung des Grundgesetzes die bisher verfassungswidrige Regelung gegenstandslos wird. Die Änderung gilt - soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgeschrieben wird - für die Zukunft und hat keinen Einfluß auf die Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Regelung.
5. Unerheblich ist schließlich auch der Einwand des BdF, der Steuerpflichtige, dessen materielle Steuerpflicht durch § 9 FVG nicht berührt werde, werde durch die Fortsetzung des bisherigen Verfahrens für eine begrenzte Zeit nicht unzumutbar belastet. Eine Behörde darf Hoheitsgewalt nur im Rahmen ihrer Kompetenz ausüben; andererseits wird dem Staatsbürger durch Art. 19 Abs. 4 GG Schutz vor rechtswidrigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt gewährt. Rechtswidrig ist ein Eingriff nicht nur bei einem Verstoß gegen materielles Recht, sondern schon dann, wenn der Behörde die Befugnis zu dem Eingriff fehlt. Dies ist hinsichtlich der FÄ der Fall, weil § 9 Abs. 2 FVG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Die Steueranforderung durch diese Behörden ist daher auch materiell unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 412928 |
BStBl II 1969, 126 |